Am 20. März enden alle Corona-Regeln – sofern der Bundestag nicht tätig wird

Während Kanzler, Ministerpräsidenten und Expertenrat über „vorsichtige Lockerungen“ sprechen, naht das von der FDP durchgesetzte „absolute Ende“ aller Maßnahmen

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Szene am U-Bahnsteig in Hamburg. Frauen steigen aus einer U-Bahn aus, sie tragen Masken.

Die Niederländer haben es getan. Die Dänen und Schweden auch. Und bald sind die Engländer damit an der Reihe. Keine Masken mehr, keine Abstandsregeln, keine obligatorischen Impfnachweise.

Schon einmal, im Juli vergangenen Jahres, hatte Premierminister Boris Johnson einen „Freedom Day“ ausgerufen und alle Corona-Regeln beseitigt, nur um dann doch wieder welche einzuführen. Nun sollen in England am 24. Februar endgültig alle Maßnahmen gegen die Pandemie entfallen.

Die Zeit sei reif dafür, heißt es in diesen Ländern. Und in Deutschland?

In der aktuellen Debatte entsteht der Eindruck, als seien wir mit einer Öffnungsstrategie hintendran. Es mehren sich Forderungen, die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen schrittweise oder ganz zurückzunehmen. Das klingt so, als gäbe es noch gar keinen entsprechenden Plan. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) etwa ankündigt, „einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere im Frühjahr in den Blick zu nehmen“, hört sich das so an, als sei noch alles offen.

Dabei gibt es längst ein Datum für das, was auch die deutschen Liberalen einen „Freedom Day“ nennen: den 20. März. Und die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen nun einen Fahrplan bis zu diesem Tag beraten und beschließen, der schon vorher Lockerungen beinhaltet.

Am 20. März werden nach geltendem Recht in Deutschland sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen entfallen, von Abstandsgeboten über Regeln zum Maskentragen und Beschränkungen der Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen bis zur Pflicht zur Vorlage von Impfausweisen.

Keine Maskenpflicht, keine Impfnachweise mehr

Wirklich herumgesprochen schien es sich bis zum Beginn dieser Woche noch nicht zu haben, dass die Corona-Regeln allesamt „spätestens mit Ablauf des 19. März 2022 außer Kraft treten“ – so steht es im Infektionsschutzgesetz, das die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP am 18. November im Bundestag beschlossen hat.

Am 20. März werden die Menschen in Deutschland dem Gesetz zufolge in einer einerseits fast vergessenen, andererseits völlig neuen Welt aufwachen.

Es gibt dann weder an Bahnhöfen noch am Arbeitsplatz oder in Restaurants Corona-Regeln zu beachten. Der Staat gibt auch keine Regeln mehr dafür vor, ob zum Beispiel Ungeimpfte – oder akut Infizierte – sich ohne Maske in die U-Bahn setzen, ob in Nachtclubs auf engstem Raum gefeiert wird oder ob in Schulklassen trotz Infektionen der Unterricht einfach weitergeht. Niemand muss sich mehr testen lassen, um irgendwo reinzukommen. Die Masken können, geht es nach dem Buchstaben des Gesetzes, in den Müll.

Und das, obwohl derzeit eine bundesweite 7-Tage-Inzidenz von über 1400 alle bisherigen Rekorde sprengt und die Omikron-Variante weiter grassiert. 9856 Menschen sind in Deutschland gestorben, seit die neue Variante an den Weihnachtstagen auch hier die früher dominante Delta-Variante abgelöst hat.

Zwar gibt es derzeit erste Anzeichen für eine fallende Inzidenz. Doch gleichzeitig beginnt die Virusvariante in Deutschland erst damit, nach den jüngeren Menschen auch die für schwerere Verläufe anfälligen Älteren zu erfassen. Allein am Montag wurden dem Robert-Koch-Institut 243 neue Todesfälle gemeldet. Bei einem Zugunglück mit so vielen Opfern stünde die Nation still, jetzt aber herrscht Schulterzucken vor. Die Toten der kommenden Tage, wie viele es auch sein mögen, sind schon eingepreist, wie es an den Börsen heißen würde.

Das rasch nahende Ende aller Corona-Maßnahmen geht auf die Initiative des FDP-Politikers Marco Buschmann zurück, der inzwischen zum Bundesjustizminister avanciert ist: „Es gibt ein absolutes Ende aller Maßnahmen“, sagte er am 27. Oktober 2021 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen damals neu gewonnenen Ampel-Kolleg*innen Katrin Göring-Eckardt von den Grünen und Dieter Wiese von der SPD. „Alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022.“

Zwei medizinische Fachkräfte stehen am Bett eines Intensivpatienten, das von medizinischen Geräten umstellt ist. Sie tragen Schutzkleidung, der Patient wirkt hilflos.
Fachkräfte untersuchen im Januar 2022 einen Patienten auf der Covid-19 Intensivstation im SRH Waldklinikum in Gera.
Portraitfoto des Politikers
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)
Scholz mit einem Plakat in der Hand, auf dem steht: „Impfen hilft. Auch allen, die du liebst.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)