Vögel in deutschen Vorstädten: Ein Drittel weniger Arten in Dottendorf

Im Bonner Stadtteil zählen Ornithologen nach 50 Jahren nach

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
8 Minuten
Ein Mann mit einem Fernglas um den Hals steht vor einer abschüssigen Wiese mit hohem Gras und ein paar alten Obstbäumen.

Wo sich der Bonner Stadtteil Dottendorf an den Venusberg schmiegt, kleben große Einfamilienhäuser am Hang. Stefan Abrahamczyk hält nach Vögeln Ausschau. Eine Stieglitz-Familie landet in einem Gartenbaum. Eine Amsel ruft vom Dach einer weißen Fast-schon-Villa. Eine Ringeltaube gurrt. Mauersegler kreisen in der Höhe.

Seine Ohren sind an diesem grauen Sommervormittag für den Biologen genauso wichtige Werkzeuge wie das Fernglas vor seiner Brust, denn er will auch die Vogelarten registrieren, die sich hinter den hohen Hecken beiderseits der steilen Straße verbergen. So wie die Singdrossel, die irgendwo im Dickicht trällert.

Stefan Abrahamczyk ist Biologe am Nees-Institut für Pflanzenforschung der Universität Bonn. Aber er war schon immer auch passionierter Vogelbeobachter; hat während seines Zivildienstes als Ranger im Nationalpark Wattenmeer gearbeitet. Den Pflanzen hat er sich zugewandt, weil an seiner Uni in Göttingen die Abteilung für Ornithologie geschlossen wurde.

2019 hat er zusammen mit Kollegen von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bonn über Monate jeden Tag erfasst, welche Vogelarten hier in Dottendorf brüten. Er hätte sich wohl nie so intensiv mit der Vogelwelt des Bonner Stadtteils beschäftigt, wenn nicht 50 Jahre zuvor ein 18-jähriger Schüler namens Michael Wink – noch viel vogelverrückter als Abrahamczyk – Sehnsucht nach Lappland gehabt hätte.

Ein glattrasierter junger Mann mit gescheiteltem Haar, hellblauem Uniformhemd mit Schulterklappen schaut in die Kamera.
Michael Wink im Jahr 1970, ein Jahr nach seiner Studie. Da trat er als Rekrut seinen Wehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald an.
„Ornithologisch war Dottendorf keineswegs etwas besonders Großartiges.“
Ein Vogel mit grau-weißer Stirn, schwarzem Gesicht und Hals, rostbrauner Brust und hellgrauem Steiß sitzt auf einem Ast.
Der Gartenrotschwanz brütet in Höhlen und Halbhöhlen alter Obstbaumbestände. Die sind aus Dottendorf fast vollständig verschwunden – und mit ihnen dieser Vogel.
Ein Fachwerkhaus mit grünen Fensterläden und roten und rosafarbenen Geranien vor den Fenstern. Durch die große Einfahrt fällt der Blick auf ein paar Bäume und eine geteerte Fläche.
An perfekt sanierten Gebäude wie diesem Fachwerkhaus finden Mauersegler, Mehlschwalbe und anderen Gebäudebrütern kaum noch Nistplätze. In den Gärten hinter den Fassadenzeilen stehen inzwischen viele alte Bäume. Hier fühlen sich Waldvögel wohl.
„Dottendorf ist ein Paradebeispiel für die Vorstädte“
Ein Mann mit weißen Haaren und Bart fotografiert mit einem langen Objektiv eine gelbe Blüte in einer Felslandschaft.
Der Biologieprofessor Michael Wink 2017 beim Birden in den Pyrenäen – auch wenn sich sein Interesse hier auf eine Blume richtet.
Ein Vogel mit grauem Kopf, gelbem Schnabel, braunen Flügeln und weißem Bauch mit braunen Schecken sitzt auf einem Zweig.
Die Wacholderdrossel ist eine von vier Vogelarten, die im Vergleich zu 1969 in Dottendorf hinzugekommen sind.