Einfach erklärt: Das wissen wir über den Zustand und die Zukunft des Klimas

Dürren, Überflutungen, das Ende von Gletschern und Korallenriffen: Fragen und Antworten zum Stand des Wissens, wie es der 6. Bericht des Weltklimarats zusammengefasst hat.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
6 Minuten
Weltkarte mit orangefarbenen Bereichen vor allem in Mittel- und Südamerika sowie Afrika

Am 20. März 2023 erscheint der sogenannte Synthese-Bericht der 6. Sachstandsberichtsreihe des Weltklimarats IPCC. Er vereint die Erkenntnisse dreier Arbeitsgruppen zur Physik des Klimawandels, zu den Verwundbarkeiten und den Anpassungsoptionen sowie zu möglichen Maßnahmen, den Klimawandel zu stoppen. Auf RiffReporter fassen wir die wichtigsten Fragen und Antworten zu den drei Teilberichten zusammen. In diesem ersten Teil geht es darum, was wir naturwissenschaftlich über den Klimawandel wissen. Wie trifft die Klimakrise uns in Europa? Was sind eigentlich „Kipppunkte“? Die Fragen und Antworten zu den Berichten der Arbeitsgruppe 2 und 3 finden Sie hier und hier.

Das Klima der Erde hat sich schon immer verändert. Was ist jetzt anders?

Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, wie sich die Erde erwärmt, sind in der Geschichte des Planeten außergewöhnlich. Als die Erde zuletzt vor 12.000 Jahren von einer Kaltzeit in die heutige Warmzeit wechselte und sich um 5 Grad erwärmte, geschah das mit etwa 1,5 Grad pro Jahrtausend. Allein zwischen 1850 – dem Beginn der Industrialisierung – und 1900 hat sich die Erde in diesen 50 Jahren bereits um 1,1 Grad erwärmt.

Zudem kehrt die aktuelle Erwärmung einen vor 6.500 Jahren begonnenen Trend der langsamen Abkühlung um. Zwar gab es auch in dieser Zeit kleinere Schwankungen. Die Forschung konnte jedoch belegen, dass es auf der Erde seit Jahrtausenden nicht so warm war wie jetzt. Ungewöhnlich ist auch, wie umfassend sich die Erde erwärmt. Zwar haben sich auch in den vergangenen 2000 Jahren Regionen der Erde erwärmt, beispielsweise zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert im Bereich des Nordatlantiks. Andere Regionen kühlten in dieser Zeit jedoch ab. Gegenwärtig steigt die Durchschnittstemperatur hingegen fast überall auf der Erde.

Welche Belege gibt es für den Klimawandel?

Seit dem späten 19. Jahrhundert erwärmen sich Erd- und Meeresoberfläche, seit den 1950er Jahren auch die Troposphäre, die unterste Schicht der Atmosphäre. Doch der Temperaturanstieg ist nicht der einzige Hinweis auf ein sich rapide änderndes Klima. Der wärmere Ozean dehnt sich aus und der Meeresspiegel steigt. Weil das Meer mehr CO2 aufnimmt, wird sein pH-Wert seit dem frühen 20. Jahrhundert saurer. Seit den 1970er Jahren zeigt sich außerdem, dass der Ozean sauerstoffärmer wird.

Die Niederschlagsmenge über Land nimmt seit den 1950er Jahren zu und die Luftfeuchtigkeit in Oberflächennähe steigt mindestens seit den 1970er Jahren. Die atmosphärische Zirkulation verändert sich. Das arktische Meereis nimmt rapide ab und auch das antarktische Meereis geht seit den 1970er Jahren zurück. Gleiches gilt für die Fläche der Schneedecke in der nördlichen Hemisphäre. Der Permafrost taut. Die Eismäntel auf Grönland und der Antarktis schwinden ebenso wie die Gletscher in den Gebirgen weltweit.

Tier- und Pflanzenarten verschieben ihre Lebensräume, um der Wärme auszuweichen. Fische und Vögel verändern ihre Wanderrhythmen. Die Erde wird grüner, da CO2 das Pflanzenwachstum fördert, und die Wachstumssaison verlängert sich.

Wie wird sich das Klima in den kommenden zwei Jahrzehnten weltweit und in Europa entwickeln?

Die aktuell beobachteten Trends werden sich fortsetzen: Die Temperaturen erhöhen sich weiter, das Meereis wird noch weniger, der Meeresspiegel steigt höher. Aus klimatischer Sicht sind 20 Jahre ein kurzer Zeitraum. Daher ist es möglich, dass sich einzelne Trends aufgrund natürlicher Klimavariabilität vorübergehend in die Gegenrichtung entwickeln. Insbesondere auf regionaler Ebene sind die natürlichen Effekte einflussreich und könnten vereinzelt sogar zu kurzzeitiger Abkühlung führen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die langfristigen globalen Trends als sehr sicher gelten.

Für Europa erwartet die Fachwelt, dass sich im Nordosten vor allem die Winter erwärmen und im Südwesten die Sommer. Unsere Sommer werden trockener und heißer, Hitzewellen werden häufiger, länger und intensiver. Niederschläge nehmen im Norden zu und im Süden ab. Starkregen-Ereignisse werden europaweit häufiger.

Wie schnell würde sich die Minderung von CO2-Emissionen auswirken – und ließe sich der Klimawandel umkehren?

Würde die Welt jetzt auf den optimistischen Emissionspfad einschwenken, würde das an den CO2-Konzentrationen nach fünf bis zehn Jahren sichtbar. Die globale Erwärmung würde jedoch erst nach 20 bis 30 Jahren an Geschwindigkeit verlieren. Regionale Wetterfolgen könnten sogar noch später darauf reagieren.

Einzelne Aspekte des Klimawandels ließen sich tatsächlich umkehren, wenn die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre größer wäre als die verbleibenden Emissionen. Die globale Oberflächentemperatur wäre dann nach einigen Jahren rückläufig – entsprechend der resultierenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Bis sich jedoch der Permafrost erholen würde, müssten Jahrzehnte vergehen, und die Veränderungen des Meeresspiegels würden sich erst über Jahrhunderte oder Jahrtausende zurückentwickeln. Der grönländische und der antarktische Eisschild würden sich erst auf einer für Menschen irrelevant langen Zeitskala erneuern.

Drei Grafiken, die Verläufe für unterschiedliche Szenarien abbilden und zeigen, nach wie vielen Jahren Abweichungen sichtbar werden.
Ändern sich heute die CO2-Emissionen (oben), dann ändert sich nach 5 bis 10 Jahren der Verlauf der CO2-Konzentration in der Atmosphäre (mittig) und nach 20 bis 30 Jahren der Verlauf der globalen Oberflächentemperatur (unten).

Was ist mit CO2-Budget gemeint?

Wissenschaftler:innen sprechen häufig vom verbleibenden CO2-Budget, vom gesamten CO2-Budget und vom historischen CO2-Budget. In der Klima-Debatte ist zumeist das verbleibende CO2-Budget gemeint. Es beschreibt, wie viel CO2 noch in die Atmosphäre gelangen darf, damit mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die daraus folgende Temperatur einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Als Bezugsgrenze dient meist eine globale Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit um 1,5 oder unter 2 Grad.

Im Pariser Klimaabkommen wurde 2015 vereinbart, die klimaschädlichen Emissionen auf „deutlich unter" zwei Grad Celsius zu begrenzen mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius. Der 1,5-Grad-Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) 2018 zeigte deutlich, wie wichtig es ist, den Grenzwerts von 1,5 Grad einzuhalten.

Aktuell verursacht die Menschheit pro Jahr 40 Milliarden Tonnen CO2. Um die Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent auf 1,5 Grad zu begrenzen, dürfen maximal noch 400 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen (Stand 2020). Blieben die Emissionen auf dem Niveau von 2020, dürfte die Menschheit mit Ende dieses Jahrzehnts netto keinerlei Treibhausgase mehr emittieren

Wie beeinflusst der Klimawandel Dürren, Überflutungen und den Meeresspiegel?

In einer wärmeren Welt verdampft mehr Wasser, sodass viele Regionen anfälliger für Dürren werden. Für Europa werden im Vergleich zu vielen Weltregionen geringere Änderungen der Niederschlagsmuster erwartet. Dennoch geht der Weltklimarat davon aus, dass die Böden trockener werden und die Landwirtschaft stärker beeinträchtigt sein wird.

Überflutungen entstehen infolge komplexer Zusammenhänge. Dennoch macht der 6. Weltklimabericht so klar wie nie zuvor, dass diese Wetterextreme stark vom Klima bestimmt sind. Ein wärmeres Klima geht mit heftigeren und regenreicheren Niederschlägen einher, die zu mehr Überschwemmungen führen. In den meisten gefährdeten Regionen wird die Situation sich daher verschärfen, auch wenn im Einzelfall die umgekehrte Entwicklung möglich sein kann.

Der Meeresspiegel liegt heute bis zu 25 Zentimeter höher als um 1900. Bis 2050 wird er um weitere 10 bis 25 Zentimeter ansteigen. Im Worst-Case-Szenario erwartet der Weltklimarat – ohne dass Kipppunkte eintreten – einen Meeresspiegelanstieg um mehr als einen Meter bis 2100. Für viele Küstenstädte und -metropolen wäre das nicht mehr zu managen.

Zwei Weltkarten, in denen die künftigen Änderungen bei Temperatur und Niederschlag farblich dargestellt sind.
Die globale Erwärmung erfolgt nicht überall auf der Erde gleich (links). Selbst bei einem Mittelwert von 1,5 Grad gibt es Orte, an denen die Temperatur um 5 Grad ansteigt. Ähnliches gilt für die Niederschlagsmengen (rechts). Manche Orte werden trockener, andere erleben deutlich mehr Regen.

Was hat es mit den Klima-Kipppunkten auf sich?

Kipppunkte sind Veränderungen des Klimasystems, die abrupt, irreversibel und unaufhaltsam ablaufen, wenn die entsprechende Schwelle einmal überschritten worden ist. Manche dieser Mechanismen haben zudem Rückkopplungen in das Klimasystem und beschleunigen den weltweiten Klimawandel dann zusätzlich.

Der Weltklimarat äußert sich sehr zurückhaltend zu Kipppunkten. Als gesichert gilt, dass es sie gibt. Weniger sicher scheint, wo genau die Schwellen liegen und wann diese voraussichtlich überschritten werden. Als wahrscheinlich gilt, dass die Atlantische Umwälzströmung (AMOC) bis zum Ende des Jahrhunderts selbst in optimistischen Szenarien stark abnehmen wird. Das würde auch den Golfstrom beeinflussen und in Europa zu mehr Dürren und härteren Wintern führen. Auch als gesichert gilt: Wenn die Fläche des Amazonas weiter schrumpft und einen bestimmten Wert unterschreitet, wird der Amazonas-Regenwald kollabieren.Aufgrund stetiger Rodungen scheint dieses Szenario nicht weit entfernt. Damit wäre eine riesige CO2-Senke vernichtet. Auch bei den Eispanzern Grönlands und der Westantarktis bestehen Kipppunkte. Bei einem Überschreiten würde das Eis vollständig tauen und der Meeresspiegel um mehrere Dutzend Meter ansteigen. Das gilt zumindest in diesem Jahrhundert noch als unwahrscheinlich. Sicher erreicht wird hingegen der Punkt, an dem die Alpengletscher komplett abschmelzen.Auch eine nicht mehr aufzuhaltende Zerstörung der meisten Korallenriffe gilt als wahrscheinlich.

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