Einfach erklärt: Was steckt hinter dem Sechsten Sachstandbericht des Weltklimarats?

Wie zuverlässig und belastbar sind die Aussagen der Wissenschaft? Können Regierungen Einfluss auf die Ergebnisse des Sachstandberichts nehmen? Ein FAQ.

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Das Bild zeigt das Hochhaus, in dem der Weltklimarat IPCC in den Räumlichkeiten der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) in Genf untergebracht ist.

Am 20. März 2023 veröffentlicht der IPCC den Synthesebericht zum Sechsten Sachstandsbericht. Daraus wird klar, wie Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf den Klimawandel reagieren müssen. Wie zuverlässig und belastbar sind die Aussagen der Wissenschaft? Wie unabhängig ist der Synthesebericht von der Politik? Hier die Antworten auf die häufigsten Fragen.

Wer ist der Weltklimarat?

In den Medien ist der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) als Weltklimarat bekannt. Übersetzt bedeutet sein Name „Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimawandel“. Sitz des IPCC ist Genf. Der IPCC ist ein zwischenstaatliches und zugleich auch wissenschaftliches Gremium. Gegründet wurde er 1988 von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen als Ausschuss der Welt-Meteorologie-Organisation (WMO) und des UN-Umweltprogramms (UNEP).

Welche Aufgabe hat der Weltklimarat?

Der IPCC stellt regelmäßig Berichte über den aktuellen Wissensstand über den Klimawandel, über Klimaschutz und Klimaanpassung bereit. Damit sollen alle Regierungen mit konsolidierten und aktuellen Informationen versorgt werden, die sie für ihre Klimapolitik brauchen.

Wie transparent arbeitet der Weltklimarat?

Der IPCC betreibt keine eigene Forschung und erhebt keine Daten. In seinen Berichten wird die aktuelle, der Öffentlichkeit zugängliche Klimaforschung zusammengefasst und aus wissenschaftlicher Sicht bewertet. In der Regel werden dazu Studien verwendet, die ein wissenschaftliches Prüfverfahren, das so genannte Peer Review, durchlaufen haben.

Die Sachstandsberichte werden mehrfach durch die Autor:innen, durch leitende und koordinierende Autor:innen sowie externe Fachgutachter:innen überprüft. Die Anmerkungen der externen Fachgutachter:innen werden im Internet veröffentlicht, nachdem der Bericht verabschiedet wurde.

Wie viele Berichte gibt es aktuell?

Für den aktuellen Synthesebericht zum Sechsten Sachstandbericht (AR6) werden die Kernaussagen von sechs Berichten zusammengefasst.

Wann erfolgten die sechs Einzelveröffentlichungen für den Sachstandbericht AR6?

Am 9. August 2021 veröffentlichte der Weltklimarat den ersten der drei Einzelbände des Sechsten Sachstandsberichts (AR6). Er befasst sich mit dem Stand und der Entwicklung des Klimawandels weltweit sowie Regionen. Am 28. Februar 2022 folgten Teilband 2 zu Klimaanpassung und am 4. April 2022 Teilband 3 zu Klimaschutz. Außerdem wurden im sechsten Berichtszyklus drei Sonderberichte veröffentlicht, nämlich über die 1,5 Grad Celsius globale Erwärmung (SR1.5), über Klimawandel und Landsysteme (SRCCL) und über Ozean und Kryosphäre (SROCC).

Am 20. März 2023 wird schließlich eine Zusammenfassung veröffentlicht werden: der Synthesebericht (SYR), der alle Teil- und Sonderberichte zusammenfasst. Auch dieser Bericht wird eine Zusammenfassung für die Politik (SPM) enthalten. Der Termin für die Veröffentlichung wurde mehrfach verschoben, zum einen aufgrund der Corona-Pandemie, zum anderen aufgrund der extrem hohen Arbeitsbelastung in diesem Berichtszyklus.

Wie sieht der aktuelle Sachstandsbericht AR6 aus?

Der 6. Sachstandsbericht besteht wie bereits seine Vorgängerberichte aus drei Teilen aus je 12 bis 18 Kapiteln. Jeder Teil wurde von einer eigenen Arbeitsgruppe erstellt. Hinzu kommen die Sonderberichte, deren Aussagen in diese Berichte eingeflossen sind.

Wie belastbar sind die Aussagen des Weltklimarats?

Der IPCC legt fest, wie die wissenschaftliche Belastbarkeit von Aussagen beschrieben werden soll. Den Grad der Belastbarkeit macht er in seinen Berichten für jedes zentrale Statement kenntlich. Je mehr Belege für eine Aussage vorliegen und je stärker sie übereinstimmen, desto höher ist das wissenschaftliche Vertrauen in die Richtigkeit dieser Aussage.

Wie viele wissenschaftliche Arbeiten wurden für den aktuellen Sachstandsbericht ausgewertet?

Die Wissenschaftler:innen werten die verfügbare wissenschaftliche Literatur aus und fassen sie in einer Synthese zusammen. Für den Sechsten Sachstandbericht wurden insgesamt 66.000 Zitationen erstellt. Herkömmliche Synthese-Methoden stoßen angesichts der großen Menge wissenschaftlicher Publikationen allerdings zunehmend an Grenzen:

Seit dem 5. Sachstandsbericht (AR5), der 2014 und 2015 veröffentlicht wurde, sind etwa 350.000 neue wissenschaftliche Publikationen erschienen, schätzt eine mit Methoden der künstlichen Intelligenz erstellte topografische Literaturanalyse des Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC) und der University of Leeds aus dem Jahr 2019.

Angesichts der schieren Menge können nicht alle Veröffentlichungen ausgewertet werden: Der 5 Sachstandbericht zitierte daher nur 20 Prozent der erschienenen Klimawandel-Studien. Eine wichtige Aufgabe besteht deshalb darin, die erschienen Publikationen auf ihre Relevanz hin zu gewichten.

Die Grafik des IPCC illustriert ein mehrstufiges Verfahren zur Ermittlung der Belastbarkeit von Aussagen: In einem ersten Schritt werden die vorliegenden Forschungsergebnisse und deren Übereinstimmungen gesammelt. In einem zweiten Schritt wird die Robustheit einer Aussage überprüft. Schließlich wird in einem dritten Schritt die Wahrscheinlichkeit in Zahlen ausgedrückt. Beispielsweise bedeutet eine zu 95 bis 100 Prozent sichere Aussage, dass sie „äußerst wahrscheinlich“ zutrifft.
Die Belastbarkeit einer Aussage wird in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt: In einem ersten Schritt werden die vorliegenden Forschungsergebnisse und deren Übereinstimmungen gesammelt. In einem zweiten Schritt wird die Robustheit einer Aussage überprüft. Schließlich wird in einem dritten Schritt die Wahrscheinlichkeit in Zahlen ausgedrückt. Beispielsweise bedeutet eine zu 95 bis 100 Prozent sichere Aussage, dass sie „äußerst wahrscheinlich“ zutrifft.

Werden die Wissenschaftler:innen für ihre Arbeit an den Berichten bezahlt?

Alle Wissenschaftler:innen arbeiten ehrenamtlich und bekommen höchstens ihre Reisekosten zu den Redaktionssitzungen erstattet. Dafür werden sie normalerweise von ihren Forschungsinstituten freigestellt, also von ihrer Stelle weiter bezahlt und arbeiten am Sachstandbericht mit.

Bestimmt der Weltklimarat, was die Politik zu tun hat?

Die Berichte sind „relevant für Politik, empfehlen aber keine bestimmte Politik“, betont der IPCC. Das bedeutet, dass die Berichte entscheidungsrelevante Fakten vermitteln, aber keine bestimmten Handlungen vorgeben.

Wie unabhängig ist der Weltklimarat von der Politik?

Unter dem Vorstand und dem Exekutivkomitee befinden sich drei Arbeitsgruppen sowie eine Projektgruppe zu nationalen Treibhausgasinventaren. In diesen Gremien sitzen Fachexpert:innen und keine Vertreter:innen von Regierungen. Die Regierungen sprechen nur bei der sogenannten „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“ (Summary for Policymakers, kurz: SPM) mit, aber auch hier haben die Fachexpert:innen das letzte Wort.

Wer bestimmt darüber, was der Weltklimarat in seiner „Zusammenfassung für die Politik“ hervorhebt?

Nach einem aufwändigen Schreib- und Prüfprozess werden zu jedem Teilband Zusammenfassungen erstellt: Eine „Technische Zusammenfassung“ (TS) und eine „Zusammenfassung für die Politik“ (SPM). Nur bei der SPM können Regierungen direkt Einfluss nehmen. Der Entwurf für das SPM wird in einer Plenarsitzung verabschiedet, in der die hauptverantwortlichen Wissenschaftler:innen mit den Delegierten der Mitgliedstaaten zusammensitzen. Die Regierungen können Änderungsvorschläge unterbreiten, doch die wissenschaftlichen Inhalte dürfen nicht verändert werden. Hier wird zäh um jede Formulierung gerungen, doch das letzte Wort haben die Leitautor:innen. Die Regierungen verabschieden den Bericht.

Lesetipp: Der IPCC – ein Kurzportrait, Teil 1 und Teil 2, klimafakten.de

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