Vor dem Klimagipfel COP26 machen Bürgerräte aus aller Welt mobil

Vor der Weltklimakonferenz COP26 tagt der weltweit erste internationale Klima-Bürgerrat. 100 Bürgerïnnen aus der ganzen Weltberaten über gerechte Lösungen der Klimakrise

von Daniela Becker
3 Minuten
Ein barfüßige Solaringenieurin im Solarstromdorf Tinginapu in Indien steht auf dem Dach eines Hauses und hält ein Solarmodul in der Hand.

Seit Anfang Oktober tagt der weltweit erste internationale Klima-Bürgerrat. Ziel des Projekts ist es, vor der Weltklimakonferenz COP26, die im November in Glasgow stattfindet, Klimaschutz-Empfehlungen für die Staats- und Regierungschefs der Welt erarbeiten. 

Die sogenannte „Global Assembly“ wurde von einer Koalition aus mehr als 150 Organisationen und NGOs ins Leben gerufen und wird finanziell unter anderem von der schottischen Regierung, der Europäischen Klimastiftung (ECF), von den Vereinten Nationen und Großbritannien gefördert.

Für die Versammlung wurden Bürgerïnnen aus aller Welt in einem mehrstufigen Losverfahren ausgewählt.

Die Standorte der Teilnehmerïinnen wurden dabei durch einen Algorithmus auf Grundlage von Bevölkerungsdichte und geografischer Verteilung ermittelt.

Dieses Auswahlverfahren soll sicherstellen, dass die Versammlung das demografische Profil der Weltbevölkerung widerspiegelt: 60 Prozent der Teilnehmer stammen aus Asien und 17 Prozent aus Afrika; die Hälfte der Teilnehmerïnnen sind Frauen, 70 Prozent verdienen höchstens 10 Dollar pro Tag. Die Teilnahme ermöglichen die NGOs, die das Projekt organisieren, über eine Aufwandsentschädigung.

Die Meetings finden über sechs Wochen online statt. Die Mitglieder der Versammlung werden im Rahmen des Formats von einem internationalen Team aus Wissenschaftlerïnnen und „Bewahrern indigenen Wissens“ (indigenous wisdom keepers) über das Thema Klimawandel informiert.

Demokratieforscher halten Bürgerräte für ein Instrument, das bei polarisierenden Themen eine umfassende Gemeinwohlorientierung im Diskurs schaffen kann.

Ergebnisse von Bürgerräten stoßen in der Politik auf unterschiedliche Resonanz

Ein ähnliches Format fand diesen Sommer in Deutschland statt: Vor einigen Wochen veröffentlichte der „Bürgerrat Klima“ ein über 100 Seiten langes Bürgergutachten, das zwischen April und Juni von 160 zufällig ausgewählten Menschen aus ganz Deutschland erarbeitet wurde.

Ob und in welchem Maße die Vorschläge von der neuen Bundesregierung angenommen oder überhaupt diskutiert werden, ist noch unklar. Im Sondierungspapier von SPD, FDP und Grüne finden sich bislang nur wenige der Vorschläge wieder, darunter ein vorgezogene Kohleausstieg und ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren.

Die Teilnehmerïnnen des Bürgerrats Klima hatten aber noch erheblich ambitionierte Vorschläge unterbreitet, darunter ein schnelles Verbot des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen, eine Reduktion des Nutztierbestandes, Renaturierungsmaßnahmen von Mooren über natürliche CO2-Speicher wie Moore und Bäume. Im Bereich Mobilität legte der Rat auf den schnellen Ausbau des Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) besonders Wert.

Auch in Finnland, Großbritannien und Frankreich wurden nationale Klima-Bürgerräte ins Leben gerufen. Die französische Regierung übernahm für das neue Klimagesetz unter anderem das Verbot einiger Inlandsflüge, verwarf aber auch viele der besonders ambitionierten Vorschläge.

Lokalen Bürgerrat starten

Die 100-Personen-Kerngruppe der Global Assembly stellt nur einen Teil des Projekts dar. Um die Beteiligung möglichst offen und zugänglich zu gestalten, fordern die Organisatoren dazu auf lokale Bürgerräte, sogenannte Gemeinschaftsbürgerräte, ins Leben rufen.

Mitmachen kann jeder über 16 Jahren, die Versammlungen können in Nachbarschaften, Schulen, Kirchengemeinden oder jeder anderen Gruppe stattfinden. Interessierte müssen sich auf der Website der Global Assembly registrieren, um dort weitere Hilfestellungen zu erhalten. Die Vorschläge der Gemeinschaftsbürgerräte sollen dann in die Kerngruppe des internationalen Klimarats getragen werden.

Die Vorlage des Abschlussberichts des internationalen Klima-Bürgerrats ist für den März kommenden Jahres geplant. Der Bericht soll dann auf internationalen Treffen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos eingebracht werden.