Oberstes Gericht stoppt Macrons Pläne zur Vogeljagd

Feldlerchen, Kiebitze, Drosseln und Goldregenpfeifer dürfen auch in diesem Jahr in Frankreich nicht mit Netzen, Schlingen oder Fallen gejagt werden.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
5 Minuten
Eine Feldlerche sitzt auf einem Holzpfahl

Der französische Präsident Emmanuel Macron ist mit dem Versuch gescheitert, offensichtlich illegale Praktiken der Vogeljagd per Erlass zu genehmigen. Der Oberste Gerichtshof des Landes hob in einer Eilentscheidung in dieser Woche alle vier Dekrete mit sofortiger Wirkung auf, mit denen Macrons Regierung ein halbes Jahr vor der nächsten Präsidentenwahl unter anderem die Jagd mit Schlingen, Netzen und Fangkäfigen in verschiedenen Landesteilen erlauben wollte, obwohl das Gericht sie zuletzt vor wenigen Wochen für illegal erklärt hatte. 

Oberstes Gericht stoppt Jagd mit Fallen, Netzen und Schlingen

Geklagt hatten, wie bereits in früheren Fällen, der Vogelschutzverband LPO und die Tierrechtsorganisation One Voice. Sie hatten argumentiert, dass die von der grünen Umweltministerin Barbara Pompili gezeichneten Erlasse einen krassen Verstoß gleich gegen zwei Bestimmungen der für alle EU-Mitglieder verbindlichen Vogelschutzrichtlinie darstellten.

Darin ist festgelegt, dass die massenhafte und wahllose Verfolgung illegal ist, wie sie mit Schlingen, Leimruten, Netzen und anderen Mitteln praktiziert wird. Zudem darf die legale Verfolgung von Vogelarten die Schutzbemühungen für diese in anderen Ländern der EU nicht zunichte machen. Diese Regelung soll vor allem die in ihren Beständen gefährdeten Arten schützen. 

Dem folgte der Gerichtshof nun. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erlasse, begründete der Richter die Eilanordnung zur Aussetzung der Jagd. Bis zu einer endgültigen Entscheidung können noch Monate vergehen. 

Ein Trupp Goldregenpfeifer fliegt niedrig über Wasser
Auch Goldregenpfeifer sollten in Frankreich gejagt werden.

Die von Macron und seiner grünen Umweltministerin per Dekret erlaubte „nicht-selektive“ Jagd mit sogenannten „traditionellen Methoden“ hätte offiziell unter anderem für mehr als 100.000 Feldlerchen, 1200 Kiebitze und 30 Goldregenpfeifer gegolten. Weil es in Frankreich praktisch keine Kontrollen des Geschehens bei der Jagd gibt, fallen der Fallen- und Netzjagd in der Realität weitaus mehr Vögel zum Opfer als in den Dekreten vorgegeben.

Betroffen von der nun gestoppten Regelung wären auch Arten, die stark in ihren Beständen abgenommen haben und in den Roten Listen vieler Länder Europas weit oben stehen. Der Goldregenpfeifer beispielsweise rangiert in Deutschland sogar auf der höchsten Gefährdungsstufe als „vom Aussterben bedroht“. Der Kiebitz ist in der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands in der zweithöchsten Kategorie „stark gefährdet“ gelistet. 

Grüne stellt Gefahr durch Jagd für gefährdete Arten infrage

Mit Bestandsabnahmen von fast 90 Prozent über das letzte Vierteljahrhundert hat die Art in vielen Ländern der EU so starke Populationsverluste hinnehmen müssen wie kaum eine andere Vogelart. Jeder weitere Druck dürfte sie dem Aussterben näherbringen. Genau das jedoch stellte Umweltministerin Pompili in einem Interview des Senders France Inter infrage.

Darin verteidigte die Grünen-Politikerin den abermaligen Vorstoß zugunsten der Vogeljagd mit dem Hinweis darauf, dass es eine Debatte darüber gebe, ob die „traditionelle Jagd“ die biologische Vielfalt gefährde oder nicht. „In der Frage der Jagd ist mein Kompass die Erhaltung der Artenvielfalt“, beteuerte Pompili. Deshalb verhindere sie die Jagd bei Arten, die durch sie unmittelbar bedroht seien. Bei gefährdeten Arten aber werde debattiert, ob die Jagd sie bedrohe oder nicht.

In der Anhörung vor dem Staatsrat hatte ihr Ministerium für die ökologische Transformation nach Angaben von Teilnehmern die Position vertreten, dass die Jagd etwa mit Schlingen für die betroffenen Vögel weniger brutal sei als der Abschuss, weil ihnen dabei das Genick gebrochen werde und sie nicht leiden müssten.

Ein Trupp Kiebitze im Flug
Frankreichs grüne Umweltministerin stellt in Frage, ob die Jagd bedrohte Arten wie den Kiebitz weiter unter Druck setzt.

Niederlage Macrons mit Ansage, aber nicht ohne Kalkül

Die Niederlage Macrons vor dem Obersten Gericht, dem Staatsrat ist keine Überraschung. Denn der Europäische Gerichtshof hatte schon im März die Rechtswidrigkeit der Leimjagd – einer weiteren Form der „traditionellen Methoden“ – bestätigt. Der Staatsrat folgte dem in seiner Entscheidung im August. Darauf verwies das Gericht auch in seiner aktuellen Entscheidung: „Da die neuen Genehmigungen auf der Grundlage derselben Verordnung erteilt wurden, bestehen ernsthafte Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit, weshalb sie ausgesetzt werden“, erklärte das Gericht. 

Dass er in eine Niederlage mit Ansage lief, könnte nach Einschätzung von Beobachtern für Macron gleichwohl Sinn machen: Zum Einen ermöglichte er mit dem am 15. Oktober veröffentlichten Dekret die Vogeljagd wenigstens für etwa zwei Wochen. In dieser Zeit dürften viele Tausend Vögel der illegalen Jagdpraxis zum Opfer gefallen ein. Zudem kann er der in Frankreich starken Jägerlobby nun belegen, dass er versucht hat, ihre Interessen durchzusetzen. Jagdverbände hatten offen mit Störungen der öffentlichen Ordnung gedroht, sollte ihnen die Fallen-, Schlingen- und Netzjagd verboten werden. 

Ein Küken eines Goldregenpfeifers im Fäll.
Auf dem Weg in eine bessere Zukunft? Vorerst dürfen Goldregenpfeifer in Frankreich nicht mit sogenannten „traditionellen Methoden“ gejagt werden.