Vogeljagd auf Malta: Raubzug gegen die Natur auf Kosten ganz Europas

Während die EU Millionensummen in den Schutz bedrohter Vogelarten steckt, werden viele der Tiere während ihres Zuges auf Malta abgeschossen. Naturschützer werfen der Regierung des kleinsten EU-Landes vor, den Raubzug gegen die Artenvielfalt aus politischem Kalkül zu unterstützen.

von , Sean Montebello
26 Minuten
Ein Polizist hält den Vogel in der Hand

Diese Recherche ist das Ergebnis einer internationalen Kooperation zwischen RiffReporter und dem maltesischen Online-Magazin „The Shift“. Sie wurde von IJ4EU (Investigative Journalism for Europe) gefördert und ist Teil einer Serie von grenzüberschreitendem investigativem Journalismus.

Die EU investiert dreistellige Millionensummen, und Zehntausende Menschen überall in Europa opfern Jahr für Jahr ihre Freizeit dafür: Der Schutz gefährdeter Vogelarten gehört zu den wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen Artensterben und Biodiversitätskrise. Doch der illegale Abschuss von Vögeln auf ihrem Zugweg ausgerechnet im kleinsten EU-Mitgliedsstaat Malta untergräbt den Erfolg des europäischen Artenschutzes. Die maltesische Regierung sieht tatenlos zu. Naturschützer werfen ihr vor, der Jägerlobby im Buhlen um ihre Stimmen einen Freibrief auszustellen.

Ein Jungvogel der Wiesenweihe im Flug – erkenntlich an der roten Farbe
Auch die Wiesenweihe soll von einem bundesweiten Programm profitieren.
Blick über die felsige Küstenlandschaft Maltas
Trügerische Idylle: Weite Teile der maltesischen Küste verwandeln sich zur Jagdzeit in „Killing Fields“

Die Halbinsel Delimara an der Südostspitze Maltas ist eine der idyllischsten Gegenden auf der kleinen Mittelmeerinsel.

Sanft geschwungene Hügel, die einen weiten Blick über die Bucht von Marsaxlokk erlauben, zwischen Felsen versteckte Strände und ein Kloster samt Kathedrale machen den Ort zu einem Magneten für Besucherinnen und Besucher aus ganz Europa. Doch kaum haben die letzten Touristen mit der anbrechenden Dunkelheit das Gelände rund um die „Kathedrale unserer Lieben Jungfrau des Schnees“ verlassen, tauchen gänzlich unheilige Gestalten auf und verwandeln die Oase der Stille und des Gebets in einen Ort des Schreckens: Mit Gewehren bewaffnete Vogeljäger durchstreifen truppweise das Plateau auf der Suche nach Zugvögeln, die hier nach einem langen und anstrengenden Flug über das offene Meer erschöpft niedergehen, um einen Schlafplatz für die Nacht zu finden.

Im Visier haben die Schützen häufig nicht nur legal jagdbare Arten wie Wachteln und Tauben. Oft haben sie es auf überall in Europa streng geschützte und in ihren Beständen stark bedrohte Vogelarten abgesehen – allen voran auf Greifvögel wie Rohr- und Wiesenweihen.

Alexander Heyd vom Komitee gegen den Vogelmord mit einer geschossenen Rohrweihe auf Malta. Er hält den Vogel an den Flügeln
Alexander Heyd vom Komitee gegen den Vogelmord mit einer geschossenen Rohrweihe auf Malta.
Porträtfoto einer männlichen Rohrweihe
Rohrweihen stehen ebenso wie Wiesenweihen unter besonders großem Druck durch illegale Verfolgung auf Malta.
Getreidefeld mit feuchten Ähren im Morgenlicht
Idyllisch, aber nicht eben naturnah. Vor allem in Agrarökosystemen muss sich Vieles ändern.
Ein rot-weißes Flatterband ragt aus einem Getreidefeld
Weihen-Nester werden markiert, damit Mähdrescher nicht versehentlich die Gelege zerstören.
Marvin fehn, ein 28-jähriger Mann mit leichtem Vollbart steht in einem Getreidefeld
Naturschützer wie Marvin Fehn investieren viel Zeit in den Schutz von Vögeln. Sie sorgen sich um das weitere Schicksal der Tiere auf ihrem Zugweg.
Drohnenfoto eines Rohrweihennests mit einem Jungvogel darin
Gut geschützt im Getreidefeld: Eine junge Rohrweihe
Rohrweihen-Weibchen mit Jungvögeln im Nest
Rohrweihen brüten inzwischen etwa hälftig in Getreidefeldern und in Wiesen
Ein Mähdrescher mäht ein Getreidefeld
Biodiversität – vom Insekt bis zum bodenbrütenden Greifvogel – hat es schwer, in der intensiv genutzten Agrarlandschaft zu überleben.
Ein Mann hält einen Karton mit vier jungen Vögeln darin vor sich, er sitzt auf dem Boden eines Feldes, im Hintergrund ein Mähdrescher
Gerettet: Ein Vogelschützer bringt junge Wiesenweihen vor der Mahd in Sicherheit. Anschließend werden die Vögel wieder in das Nest gesetzt.
Zwei noch fast nackte Jungvögel in ihrem Bodennest
Schon in wenigen Wochen werden diese jungen Wiesenweihen sich auf den Weg in den Süden machen.
Hirschfeld schiebt das Getreide beiseite und blickt auf das Nest
Projekte zum Schutz der Wiesenweihe und des Schreiadlers sollen im kommenden Jahr anlaufen.
Ein durch Starkregen zerstörtes Nest einer Rohrweihe in der Zülpicher Börde
Ein durch Starkregen zerstörtes Nest einer Rohrweihe
Ein junger Schreiadler im Flug
Gerade erst ausgeflogen, steht dem jungen Schreiadler eine viele tausende Kilometer lange Reise in das südliche Afrika bevor.
Viele Fotografen um den Adler herum, der von einem Tierarzt in einem weißen Kittel gehalten wird.
Unter großem Medieninteresse wurde Adler Sigmar zurück nach Berlin gebracht. Genützt hat ihm die Behandlung nichts. Er starb, nicht einmal sechs Monate alt.
Porträt Schäffer vor einem Naturschutzschild
Fordert ein schärferes Vorgehen gegen illegale verfolgung von Vögeln: Der Vorsitzende des Naturschutzverbandes LBV, Norbert Schäffer.
Grafik, die die Abnahme der eingesetzten Beamten zeigt.
Langsam aber beständig nimmt die Zahl der Polizisten auf Malta ab, die sich mit Wilderei beschäftigen
Eine Gruppe rosafarbener Flamingos im seichten Wasser
Selbst Rosaflamingos wurden in diesem Herbst bereits über Malta abgeschossen
Ein Wespenbussard vor der Silhouette eines Berges
Satellitensender beweisen den Abschuss von Wespenbussarden auf Malta
Eine Rohrweihe im Flug
Rohrweihen gehören zu den am häufigsten illegal auf Malta getöteten Greifvögeln.
Ein Schmutzgeier im Flug
Selbst die weltweit stark bedrohten Schmutzgeier werden auf Malta alljährlich geschossen.
Karte mit eingezeichneter GPS-Route eines Schwarzmilans
Abruptes Ende des Vogelzugs von der Tschechischen Republik nach Nordafrika: Die tödlichen Kugeln trafen Schwarzmilan OT-093 bei seiner Ankunft in Malta.
Porträtfoto hinter Mikro
EU-Umwelt- und Fischereikommissar Virgenius Sinkevicius kritisiert Malta wegen seiner Verstöße gegen EU-Recht.
Porträt Tumbrinck in weißem Hemd
Der Sonderbeauftragte für Artenhilfsprogramme des Bundesumweltministeriums, Josef Tumbrinck.