Etwas Licht und viel Schatten: Die neue Rote Liste der Brutvögel Deutschlands

Zwei weitere Vogelarten sind nun ausgestorben, andere schaffen den Weg aus der Krise

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
11 Minuten
Ein Steinwälzer im Prachtkleid sitzt etwas versteckt in einer Buhne

Vielen Vogelarten in Deutschland geht es schlecht. Mehr als die Hälfte aller rund 260 Brutvogelarten ist in ihren Beständen gefährdet oder steht auf einer sogenannten Vorwarnliste, in die Wissenschaftlerïnnen Vögel mit einem starken Abwärtstrend eintragen.

Einige Arten werden in Deutschland in den nächsten Jahren so gut wie sicher aussterben, wenn es keine grundlegenden Veränderungen vor allem an der gegenwärtigen Form der Landnutzung gibt. Auf der anderen Seite gibt es ein Comeback aus dem Reich der ausgestorbenen Arten und eine neue Brutvogelart für Deutschland zu vermelden. Das sind Ergebnisse der neuen Roten Liste der Brutvogelarten Deutschlands. Die Rote Liste wird alle sechs Jahre unter Federführung des Deutschen Rats für Vogelschutz von einem eigenen Gremium erstellt und dieser Tage veröffentlicht.

Trotz vereinzelter Lichtblicke schlagen die Wissenschaftlerïnnen, die die neue Rote Liste verfasst haben, Alarm:

„Wenn keine Trendumkehr eintritt (….) verlieren wir in Deutschland Brutvogelarten in bislang nicht gekanntem Ausmaß“.
Ein Steinwälzer auf einer grünen Wiese
Trauriges Schicksal: Der Steinwälzer ist nun offiziell als Brutvogel in Deutschland ausgestorben. Die Gilde der Meeresvögel gehört zu den Vogelgruppen mit den stärksten Bestandseinbußen in der neuen Roten Liste.
Eine Beutelmeise mit Nistmaterial im Schnabel in einem Schilfbestand.
„Shooting Star“ im negativen Sinn: Die Beutelmeise ist diejenige Vogelart mit dem größten „Sprung“ in der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands. Enorme Bestandseinbrüche katapultieren die schilfbewohnende Vogelart von bislang „ungefährdet“ auf „Vom Aussterben bedroht“. Diese Entwicklung steht im Gegensatz zu anderen Arten des gleichen Lebensraums „binnenländische Gewässer“. Möglicherweise gibt es für den Rückgang dieser eher östlich verbreiteten Art Gründe jenseits der Lebensraumzerstörung.
Eine Trauerseeschwalbe füttert seinen Jungvogel, der auf einem Seerosenblatt steht.
Die Oderaue ist auch Brutgebiet der Trauerseeschwalbe. Die Vögel ernähren sich ausschließlich von Kleinfischen
Ein Rotmilan läuft mit ausgebreiteten Flügeln durch eine grüne Wiese.
Eine Herabstufung, die für Diskussionen sorgen wird. Der Rotmilan gilt nach der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als nicht mehr gefährdet. Bisher war er auf der Vorwarnliste geführt worden. Die Bestandserholung ist fragil. Denn der zunehmende Ausbau der Windenergie hat massive Auswirkungen auf die Bestände. Herabgestuft wurde er, weil deutliche Bestandszuwächse in Süddeutschland die Verluste in den traditionellen Brutgebieten in Nordostdeutschland derzeit überkompensierten.
Ein Würgfalke mit ausgebreiteten Schwingen beim Abflug von unten fotografiert.
Der Würgfalke ist als Brutvogel in Deutschland nun ausgestorben. Vor allem der Fang der wendigen Jäger in den Überwinterungsgebieten und die Hybridisierung mit Falken aus der Falknerei setzen der Art zu.
Eine Zwergseeschwalbe im Flug
Kein Land in Sicht: Der fortschreitende Klimawandel bedroht auf lange Sicht auch die Brutplätze der Zwergseeschwalbe an der Küste.
Ein Amsel-Männchen auf einem Steinboden
Unsere häufigste Vogelart: Mehr als acht Millionen Amsel-Brutpaare gibt es in Deutschland.
Eine männliche Zwergdommel im Schilf.
Die Zwergdommel, hier ein Männchen, hat sich seit den 1990er Jahren langsam aus dem Bestandstief herausgearbeitet. Lange war sie in der höchsten Bedrohungskategorie „Vom Aussterben bedroht“ der Roten Liste aufgeführt. Inzwischen gilt sie „nur“ noch als „gefährdet“. Gleichwohl bleibt sie in Deutschland ein seltener Vogel mit weniger als 300 Revieren.
Ein Wiedehopf kommt mit einer Grille im Schnabel zu seiner Höhle in einem Apfelbaum, aus der ein fast flügger Jungvogel mit aufgerichteter Haube schaut.
Der Wiedehopf bleibt in der Roten Liste als „gefährdet“ eingestuft, hat aber in den vergangenen Jahren Boden gut gemacht.
Ein Singschwan fliegt über einen zugefrorenen See, im Hintergrund ein Schilfgürtel.
Eine Reihe von Vogelarten, die bislang nur sehr selten und regional stark beschränkt in Deutschland brüteten, konnten in der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als inzwischen ungefährdet eingestuft werden. Dazu zählt der Singschwan, der aus Nordeuropa als Brutvogel eingewandert ist.
Ein Triel kauert auf am Boden eines Kiesstrandes.
Rückkehr eines Verschollenen: Der Triel galt lange als in Deutschland „ausgestorben oder verschollen“. Seit einigen Jahren brütet er erfolgreich in Baden-Württemberg. Deshalb wurde er in der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands in die Kategorie „Vom Aussterben bedroht“ eingestuft.
Ein Knäkenten-Paar steht in einem Schilfgürtel und schaut aufmerksam.
Der Abwärtstrend der Knäkente setzt sich rapide fort. Die Art wird in der neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands nun erstmals in die höchste Kategorie vor dem Aussterben „Vom Aussterben bedroht“ geführt. Lebensraumzerstörung, illegale Verfolgung auf den Zugwegen und der unbeabsichtigte Abschuss durch viel zu wenig kompetente Wasservogeljäger hierzulande setzen der Art zu.
Eine Gruppe aus rund einem Dutzend Silberreihern stehen im flachen Wasser eines Teichs.
Nachdem er viele Jahre lang in großer Zahl in Deutschland überwinterte und übersommerte, konnte der Silberreiher in den vergangenen Jahren auch als Brutvogel nachgewiesen werden. Er ist der einzige Neuzugang in der neuen Roten Liste.
Ein Wachtelkönig blickt aus einer Wiese.
Nachbarn und Schicksalsgenossen der Schreiadler: Der heimliche Wachtelkönig ist nun in der höchsten Bedrohungskategorie vor dem Aussterben – vom Aussterben bedroht – eingestuft. Er teilt dieses Schicksal mit dem Rebhuhn und anderen Arten des landwirtschaftlich genutzten Offenlandes.
Ein Schreiadler sitzt halb verdeckt durch frisches grünes Laub in einer Eiche
Dem „Adlerauge“ entgeht keine Bewegung. Doch auch der Geruchssinn ist für Vögel überlebenswichtig.
Eine Raubseeschwalbe im Flug
Die Raubseeschwalbe steht kurz vor dem Aussterben als Brutvogel in Deutschland. Sie gehört zur Gruppe der besonders stark gefährdeten Küstenvögel.
Ein männlicher Steinrötel
Der Steinrötel steht stellvertretend für die am stärksten bedrohten Alpenvogelarten.
Ein Goldregenpfeifer-Weibchen mit einem Küken am Nest in der Tundra
Ein Bild, das es in Deutschland seit langem nicht mehr gibt. Goldregenpfeifer brüten seit einigen Jahren nicht mehr hierzulande. Sollte sich das nicht ändern, wird die Art innerhalb der nächsten Jahre in die Rubrik „Ausgestorben oder Verschollen“ überführt.