Comeback des Knochenbrechers: Die Wiederansiedlung des Bartgeiers kommt gut voran

Es ist das ambitionierteste Artenschutzprojekt Deutschlands: Zum fünften Mal werden in diesen Tagen junge Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert. Die beiden Organisatoren des Projekts ziehen im Interview eine Halbzeitbilanz.

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Bartgeier im Flug herabblickend

Halbzeit beim ehrgeizigsten Artenschutzprojekt Deutschlands: Mit einem Zehnjahresprogramm will der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) den ausgerotteten Bartgeier wieder in Deutschland heimisch machen. Ende Mai werden dazu im fünften Jahr hintereinander in Zuchtstationen erbrütete und aufgezogene Bartgeier in den Berchtesgadener Alpen ausgewildert. Das ist Teil eines internationalen Projekts mit dem Ziel, der von Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas ausgerotteten Vogelart die Wiederbesiedlung ihres ursprünglichen Lebensraums zu ermöglichen. Der größte europäische Greifvogel wäre nach Wolf und Luchs die dritte der vor mehr als 100 Jahren in den Alpen ausgerottete Großtierart, für die Naturschützer ein Comeback feiern könnten. Zur Halbzeit des Projekts ziehen die beiden Organisatoren des Projekts, Norbert Schäffer und Toni Wegscheider, eine Zwischenbilanz.

Wenn alles so gut läuft wie in den vergangenen Jahren, werden im Herbst insgesamt bereits zehn Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden in ein Leben in der Wildnis entlassen worden sein. Wo kommen so viele Tiere für die Auswilderungen her?

Schäffer: In Österreich und Spanien gibt es eigene Zuchtzentren, die sich ganz auf die Nachzucht für das Projekt spezialisiert haben. Dort brüten beispielsweise Vögel, die sich in Freiheit verletzt haben und dort nicht überleben könnten. Diese Zentren sind das Rückgrat der europaweiten Programme. Zusätzlich gibt es ein Netzwerk, an dem sich Dutzende Zoos in ganz Europa beteiligen.

Gibt es genügend Nachwuchs für die Auswilderungen?

Wegscheider: Dieses Jahr ist ein sehr schwieriges Jahr. Es gab in den Zuchtstationen überraschende Ausfällen, viele Eier waren unbefruchtet und einige sonst sehr zuverlässige Zuchtpaare haben nicht gebrütet. Trotzdem gibt es für alle laufenden Projekte in den Alpen ausreichend Tiere.

Die Bartgeier-Wiederansiedlung ist ein europaweites Projekt. In welchen Ländern gibt es derzeit Auswilderungen junger Vögel?

Wegscheider: Aktuell gibt vier Auswilderungsländer – Spanien, Frankreich, Deutschland und erstmals Bulgarien. In der Schweiz wird in diesem Jahr erstmals seit mehr als 20 Jahren keine Auswilderung stattfinden, und das ist eine gute Nachricht. Denn dort trägt das Langzeit-Projekt Früchte und es hat sich bereits ein stabiler Bestand mit vielen Vögeln aufgebaut. Alpenweit fliegen heute wieder rund 350 Bartgeier in Freiheit.

Bartgeier fliegend im schneebedeckten Gebirge.
Bald soll der Anblick des imposanten Bartgeiers auch in den deutschen Alpen zu einem gewohnten Anblick werden.
Toni Wegscheider mit blauem LBV-Thomas-Shirt und Helm vor der Auswilderungsnische mit einem Bartgeier in der Hand.
Toni Wegscheider (46) hat das Bartgeier-Wiederansiedlungsprogramm mit einer Machbarkeitsstudie vorbereitet und ist seit dessen Beginn 2021 Projektleiter. Der Biologe aus Berchtesgaden ist Experte für Alpenvögel.
Schäffer vor einer Silhouette des Bartgeiers in Lebensgröße
Der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer demonstriert die Größe eines Bartgeiers.
Ein Bartgeier-Graffiti an einer Hauswand, über mehrere Stockwerke
Europas größter Greifvogel inspiriert auch Künstler immer wieder.
Ein Bartgeierküken und ein männlicher Altvogel in einem künstlichen Nest in der Zuchtstation
Pflege-Papa und künftiger Neubürger in den bayerischen Alpen. Dieses Bartgeierküken wird im Juni im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert.
Eine Trauerseeschwalbe füttert seinen Jungvogel, der auf einem Seerosenblatt steht.
Trauerseeschwalbe: Möglicher nächster Kandidat für eine Wiederansiedlung in Bayern?
Ein Schreiadler steht auf einer Wiese, im Hintergrund leuchtet ein Rapsfeld gelb
Auch Schreiadler wurden in Bayern ausgerottet. Ein Wiederansiedlungsprojekt könnte den seltenen Greifvogel zurückbringen.
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