Aluminium, das neue Palmöl? Warum der Amazonas-Regenwald stark gefährdet ist

Exklusiv: Auch Rohstoffe der Automobilindustrie haben im Amazonas-Regenwald ihren Ursprung. Die Vorwürfe, die den Abbau von Bauxit und die Aluminium-Produktion in Brasilien begleiten, wiegen schwer: Anwohner klagen über Umweltverschmutzung, Landaneignung, gesundheitliche Probleme. Eine Recherche zur Aluminium-Lieferkette vom Amazonas bis nach Deutschland.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
8 Minuten
In dem Foto ist aus der Vogelperspektive Regenwald im brasilianischen Bundesstaat Para zu sehen. In der einen Hälfte des Bildes steht intakter Regenwald, in der anderen Hälfte ist nur noch verbranntes Gebiet sichtbar.

Für viele Produkte, die wir konsumieren, vernichten Unternehmen wertvollen Regenwald in Brasilien. Die gravierende Umweltzerstörung durch Palmöl-Plantagen und Soja-Anbau ist längst kein Geheimnis mehr. Doch auch Rohstoffe der Automobilindustrie haben im Amazonas-Regenwald ihren Ursprung. So wird etwa Bauxit im Amazonas abgebaut und landet als Aluminium über lange Lieferketten bei mindestens einem deutschen Hersteller, wie Brancheninsider exklusiv gegenüber RiffReporter bestätigen. Die Vorwürfe wiegen schwer: Der größten Bauxit-Mine Brasiliens wird Umweltverschmutzung und Landaneignung nachgesagt; eine Raffinerie, die das Erz verarbeitet, soll Tausende von Menschen krank gemacht haben. Lesen Sie die komplette Recherche zur Aluminium-Lieferkette vom Amazonas bis zu deutschen Autobauern hier.

Bergbau mitten im Amazonas-Gebiet

Knapp 9000 Kilometer entfernt von Deutschland tragen Bulldozer bereits seit Jahren wertvolle Lehmschichten ab. Riesige Flächen Urwald verwandeln sich in eine rötliche, staubige Wüste. Mehrere Abbau-Plateaus der Mine befinden sich im brasilianischen Nationalpark Saracá-Taquera National Forest, mitten im Amazonas.

18 Millionen Tonnen Bauxit holt die Bergbaugesellschaft Mineração Rio do Norte (MRN) hier jährlich aus dem Boden. MRN ist Brasiliens größter Bauxitproduzent und -exporteur mit Sitz in der Region Porto Trombetas im Westen von Pará. MRN erklärte gegenüber RiffReporter, dass es für den Bergbau „jedes Jahr zwischen 300 und 400 Hektar“ Wald abholzt. Dies sei von den staatlichen Umweltbehörden „genehmigt“.

Später wird der Regenwald renaturiert, also in einen möglichst naturnahen Zustand zurückgeführt. MRN berichtet von 7.398 Hektar wiederhergestellten Wald. Der ursprüngliche Regenwald aber ist weg.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem nächsten Bearbeitungsschritt: Vor dem Weitertransport wird das Bauxit gewaschen und getrocknet. Dabei fallen riesige Mengen an Schlamm an. Früher entsorgte MRN die Rückstände im nahe gelegenen Batata-See, für die dort lebenden Quilombolas, Nachfahren geflohener Sklavinnen und Sklaven, wurde die Nutzung des Wassers und ihre Lebensgrundlagen vor Ort stark erschwert. 1989 baute MRN auf öffentlichen Druck hin das erste Auffangbecken für den giftigen Abfall. 2020 gab es bereits 26 solcher Becken.

Vertreter der Quilombolas bemängeln die Situation in der Nähe des Bauxit-Abbaugebiets wiederholt. Zwischenzeitlich sei das Wasser nicht trinkbar gewesen, lautete ein Vorwurf, über den Reporterinnen des Naturschutz-MagazinsMongabay im Jahr 2020 berichteten.

An einer Straße ist ein großes Reklameschild von MRN errichtet. Es befindet sich in der Nähe zum Eingang von Porto Trombetas. 18 Millionen Tonnen Bauxit holt die Bergbaugesellschaft hier jährlich aus dem Boden.
Ein Reklameschild von MRN bei Porto Trombetas. 18 Millionen Tonnen Bauxit holt die Bergbaugesellschaft hier jährlich aus dem Boden. Foto: Patrícia Monteiro /Amazônia Real
Zwei Mädchen halten bei der Ernte den Maniok fest in ihren Händen. Für die Quilombolas ist eine intakte Natur besonders wichtig.
Sie leben vom Fischen, aber auch vom Anbau von Maniok (hier im Bild), Bananen und Gemüse: Für die Quilombolas ist eine intakte Natur besonders wichtig. Foto: Patrícia Monteiro/ Amazônia Real

Deutschlands Klima soll auch in Brasilien gerettet werden

Der Abbau von Rohstoffen wie Bauxit verursacht im Regenwald große Schäden. Ist eine Bergbau-Konzession erteilt, dringen viele Menschen in bisher weitgehend unberührte Territorien vor – Straßen, Schienen, Flug-Landeplätze, Dämme und Stromleitungen werden gebaut. Arbeiter lassen sich vor Ort nieder, häufig mit ihren Familien, sie bauen Häuser und betreiben Landwirtschaft. Der Amazonas, der größte zusammenhängende Regenwald der Welt und Heimat einer riesigen Vielfalt von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen, ist in Gefahr.

Wissenschaftler:innen warnen vor einem drohenden „Kollaps” dieses einzigartigen Ökosystems. Die Erderwärmung macht sich bemerkbar: Der Regenwald trocknet aus, was nicht nur die Menschen vor Ort betrifft, sondern auch uns, hier in Deutschland. Stirbt der Amazonas weiter ab, könnten Überschwemmungen und Dürren weltweit zunehmen. Der Raubbau für den Soja-Anbau, für Palmöl-Plantagen und die Aluminiumproduktion beschleunigt die fatale Entwicklung.

Eine Landkarte mit einem Ausschnitt des Amazonas-Gebietes. Verortet ist die Bauxit-Mine sowie die Aluminium-Raffinerie. Pfeile weisen in die USA sowie nach Europa / Deutschland.
Die Aluminium-Lieferkette beginnt im Amazonas-Regenwald.
Eine Totale zeigt ein Wasserbecken mit rostrotem Wasser auf dem Alunorte-Gelände. Im Vordergrund sieht man eine schwarze Begrenzung, vermutlich aus Plastikplanen.
Die Alunorte-Raffinerie ist gesetzlich verpflichtet, jegliches Abwasser zu reinigen. Doch das sei im Februar 2018 nicht geschehen, lautet einer der Vorwürfe.
Ein Mitarbeiter von Hydro übergibt einem Anwohner eine große Galone mit Trinkwasser.
Februar 2018: Hydro versorgt betroffene Anwohner mit Trinkwasser.
Mehrere Mitarbeiter – mit Warnwesten, Schutzbrillen – begutachten im Februar 2018 die Rückstände auf dem Geländer Alunorte-Raffinerie.
Mehrere Mitarbeiter begutachten im Februar 2018 die Situation auf dem Gelände der Alunorte-Raffinerie.
Eine Grafik zeigt in einem Tortendiagramm die Branchenanteile zum Aluminium-Verbrauch in Deutschland: Aluminium wird in Deutschland vor allem im Verkehrssektor verarbeitet (46 Prozent), größter Abnehmer ist dabei laut Branchenverband Aluminium Deutschland die Automobilindustrie. 26 Prozent der Aluminiumerzeugnisse fließen in Bauwirtschaft und Verpackungen. Auf die Industriebranchen (Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Eisen- und Stahlindustrie) entfällt ein Anteil von 19 Prozent. Die restlichen Anwendungsbereiche kommen gemeinsam auf 9 Prozent. Gegenüber 2021 ist die Bedeutung des Verkehrssektors um 2 Prozentpunkte gestiegen, der Anteil von Bauwirtschaft und Verpackung hingegen um 2 Prozentpunkte gefallen. (Zahlen von 2022, Quelle: Aluminium Deutschland e.V.)
Aluminium-Verarbeitung in Deutschland: Gegenüber 2021 ist die Bedeutung des Verkehrssektors um 2 Prozentpunkte gestiegen, der Anteil von Bauwirtschaft und Verpackung hingegen um 2 Prozentpunkte gefallen.
Bunte Autos parken in einer Reihe. Sie sind unscharf, kein Logo ist erkennbar.
Primäraluminium geht mit 46 Prozent in den Verkehrssektor. Die Nachfrage nach immer größeren Fahrzeugen heizt den Aluminium-Bedarf zusätzlich an.
Eine totale Landschaftsaufnahme: Abendstimmung mit rotem Sonnenuntergang und vier Windrädern in Deutschland.
Für Windräder wird auch Aluminium benötigt – das ist allerdings ein Klacks gegen das, was die Autoindustrie an Bedarf einplant.
Riesige Flächen Amazonas-Regenwald sind gerodet, um das Erz Bauxit abzubauen. Daraus wird später Aluminium gewonnen.
Bergbau im Amazonas-Regenwald: Das Unternehmen Mineração Rio do Norte baut großflächig Bauxit ab. Im nächsten Verarbeitungsschritt wird daraus Aluminium gewonnen.