Peru: „Ich wusste nicht, dass sie genauso leiden wie wir“

Der Bericht der Wahrheitskommission deckte vor 20 Jahren die Gräueltaten des peruanischen Bürgerkrieges auf. Doch um Rassismus und Kolonialismus zu durchbrechen, braucht es mehr als ein neues Geschichtsbuch.

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Schwarz-weiss-Foto. Ayacucho 1983.

Fotos: Vera Lentz

„Es war der 12. Juli 1983. Die Soldaten mit Masken vor dem Gesicht kamen in mein Haus, fragten nach meinem Sohn Arquimedes. Der war ein braver Sohn, spielte Gitarre, wollte Polizist werden. Wir mussten uns in unseren Schlafanzügen in einer Reihe aufstellen. `Wir wollen ihn nur zum Verhör mitnehmen, Du kannst ihn in der Kaserne wieder abholen´, sagten sie mir. Ich hängte mich an meinen Sohn, die Soldaten schlugen mich. Ich sah, wie sie Arquimedes in ihr Auto zerrten. Ich war verrückt vor Schmerz.“

Es war das letzte Mal, dass Angelica Mendoza ihren Sohn sah. Obwohl sie alle Polizei- und Militärstationen abklapperte, stundenlang an die Türen von Staatsanwälten und Richtern klopfte und mit ihrem wenigen Geld einen Anwalt beauftragte: Arquimedes blieb verschwunden.

Im April 2002, 19 Jahre nach dem Verschwinden ihres Sohnes, erzählte Angelica Mendoza erstmals öffentlich, was ihr widerfahren war. Die Frau mit den tiefen Furchen einer Bäuerin, dem traditionellen Strohhut und der Tracht aus ihrer Heimat Ayacucho gab ihr Zeugnis vor den Vertretern der neu eingesetzten Wahrheits- und Versöhnungskommission (CVR).

Schwarz – weiss-Foto. Ein Sarg, dessen Ende von einem Mann mit Hut umklammert wird. Man sieht nur den Hut von oben. Daneben eine Menschenmenge.
Ayacucho 1983/1984. Ein Vater betrauert den Tod seines Sohnes, eines Polizisten.
Schwarz-weiss-Bild. Vor dem Deck eines kleinen Lastwagens tragen zwei Männer die Leiche einer jungen Frau mit Jeans und über die Brust geschobenem T-Shirt.
Ayacucho 1983. Die Leiche einer jungen Frau wird aus einem Massengrab in die Gerichtsmedizin gebracht. Wahrscheinlich wurde sie von der Polizei ermordet.
Ayacucho 2003: links sieht man eine indigene, zerfurchte Frau mit Hut. Sie hält das gerahmte Foto eines  jungen Mannes in die Höhe. Darüber steht handgeschrieben: „desaparecidos“
Ayacucho 2003: Während der Bericht der Wahrheitskommission vorgestellt wird, hält eine indigene Frau das Foto ihres verschwundenen Sohnes in die Höhe.
Ayacucho 1985. Obere Bildhälfte ist ein Gemälde eines Würdenträgers Perus. Darunter handgeschriebene Steckbriefe junger Männer mit Foto. Davor geht schemenhaft eine indigene Frau mit Hut und einem Stoffbündel auf dem  Rücken vorbei.
Ayacucho, 1985. Im Rathaus werden die Steckbriefe verschwundener Männer gezeigt.