Nicaragua: Präsident Ortega zerschlägt die Zivilgesellschaft

Die autokratische Regierung hat den Nichtregierungsorganisationen den Kampf angesagt. Die Methoden sind perfide und das Leid tragen die Verwundbarsten im eigenen Land

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
7 Minuten
MANAGUA, Jan. 11, 2022 Vereidigungszeremonie des Nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega mit Sportkappe und einem blau-weiß-blauen Banner über der Schulter grüßt, die rechte Hand erhoben, während seine Frau, die Vizepräsidentin Rosario Murillo klatscht.

Vor 30 Jahren stand Nicaragua für den revolutionären Aufbruch. Heute regiert der ehemalige Revolutionär mit eiserner Hand und zählt Vladimir Putin zu seinen Freunden. Mit Mitteln wie aus dem Diktatur-Lehrbuch bringt das Autokraten-Ehepaar Daniel Ortega und Rosario Murillo kritische Stimmen zum Schweigen, schikaniert Basis-Organisationen und verbreitet Angst – mit Erfolg: Die Mitarbeiterïnnen mussten größtenteils anonym mit Riffreporter reden.

Es ist der bisher größte Schlag gegen Nichtregierungsorganisationen: Mitte März hat das von Ehepaar Ortega-Murillo kontrollierte Parlament weiteren 25 NGOs die Rechtspersönlichkeit entzogen. Damit steigt die Zahl der faktisch verbotenen Organisationen im Land auf über 130.

Gegen Geldwäsche, Terror und Massenvernichtungswaffen – und NGOs

In der Begründung des nicaraguanischen Innenministeriums heißt es, diese 25 Organisationen hätten es versäumt, ihre detaillierten Aufschlüsselungen der Einnahmen, Ausgaben und Spenden einzureichen. Damit hätten sie gegen das Gesetz 977 verstoßen, das „Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen” regeln soll. Es wurde im Juli 2018 verabschiedet und mehrfach angepasst. „Dieses Gesetz wurde nach der blutigen Niederschlagung der Proteste im Jahr 2018 bewusst so vage formuliert, dass es der Regierung ermöglicht, die Arbeit regimekritischer Organisationen durch den Entzug der Rechtspersönlichkeit zu verbieten”, erklärt Isabell Nordhausen vom entwicklungspolitischen Inkota-netzwerk, das in Nicaragua Kleinbauernfamilien und zivilgesellschaftliche Akteure unterstützt.

Unter den jüngst verbotenen 25 NGOs sind nicaraguanische Organisationen wie die Journalistenvereinigung Nicaraguas und das Zentrum für Gerechtigkeit und Menschenrechte der Atlantikküste Nicaraguas (CEJUDHCAN), deren Gründerin Lottie Cunningham 2020 für ihren Einsatz für den Schutz indigener Territorien und Gemeinschaften vor Ausbeutung und Plünderung mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt worden war. Auch das von verschiedenen deutschen und internationalen Geldgebern finanzierte Centro Humboldt ist betroffen. Es engagierte sich vor allem für Umweltfragen. Außerdem hat die Schließungswelle mindestens sechs Frauenorganisationen getroffen, die sich seit vielen Jahren für die Rechte von Frauen, Mädchen und Jugendlichen einsetzen.

Eine Straßenverkäuferin in Bilwi, Puerto Cabezas, der Hauptstadt der nördlichen Karibikküste zieht eine zerschlissene Plastikplane über ihre Waren.
Eine Straßenverkäuferin in Bilwi, Puerto Cabezas, der Hauptstadt der nördlichen Karibikküste.
Im Schatten eines Baumes und hinter einem großen Schild, das Maßnahmen zur Ernährungssicherheit der Bewohner von Wawabar ankündigt, sitzen zwei Frauen die Palmblätter zum Decken eines Daches vorbereiten.
Verschiedene nationale und internationale NGOs unterstützen Projekte zur Selbsthilfe in den abgelegenen Regionen der Karibik-Küste. Der Hurrikan Eta machte das Dorf Wawa Bar im November 2020 dem Erdboden gleich.
Im Foyer des Museums sind Schwarz-Weiß-Fotos der im Aufstand vom April 2018 Ermordeten Personen zwischen Decke und Boden aufgespannt. Sie schaukeln sachte mit jedem Windzug.
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Eine junge Miskito Mutter mit ihren zwei Kindern am Fenster ihres hellgrün gestrichenen Wohnhauses in Wawa bar
In den abgelegenen Miskito-Gemeinden an der nördlichen Karibikküste ist das Leben der Frauen und Kinder von Armut und oft auch von Gewalt geprägt.