Das war 2021 in Südamerika

Im Jahresrückblick der Südamerika-Reporterinnen geht es unter anderem um einen seliggesprochenen Armenarzt, um die Rechte für die Natur und die Frauen und um die beste Köchin der Welt.

12 Minuten
Ein geschmückter Tänzer mit einem perlen- und federbesetzten Kopfschmuck
Eine Frau hält ein Schild in die Höhe mit der Aufschrift: Lasst eure Rosenkränze weg von unseren Eierstöcken - legale, kostenlose, freie und sicher Abtreibung
Das Recht auf straffreie und sichere Abtreibung ist eine der Forderung der feministischen Bewegungen in Lateinamerika - die Argentinierinnen hatten Erfolg.

Januar: „Es Ley“ – Argentinien legalisiert Abtreibungen

Es ist ein historisches Ereignis für die feministische Bewegung in Südamerika: Am 14. Januar tritt in Argentinien das Gesetz in Kraft, das Schwangerschaftsabbrüche bis zur 14. Woche kostenlos in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen ermöglicht. Dafür hatten die Frauen in Argentinien jahrelang gekämpft.

Bisher ist Abtreibung nur in Uruguay, Kuba, Guayana, Französisch-Guayana, Mexiko-Stadt und dem mexikanischen Teilstaat Oaxaca legal. In Honduras, El Salvador, Nicaragua, der Dominikanischen Republik und Haiti sind Schwangerschaftsabbrüche vollständig verboten und stehen unter Gefängnisstrafe. In den meisten anderen Ländern sind sie unter bestimmten Umständen erlaubt – wie nach einer Vergewaltigung, bei Lebensgefahr für die Mutter oder den Fötus.

In den Ländern, in denen Abtreibung nicht legal ist, finden Abtreibungen trotzdem statt, aber im Geheimen ohne die entsprechende Gesundheitsversorgung. Das bedeutet ein hohes Verletzungsrisiko oder manchmal sogar den Tod für die betroffenen Frauen.

2021 gab es noch mehr gute Nachrichten in Sachen Gender-Gerechtigkeit in Südamerika: Argentinien führt für die trans- und nicht-binären Einwohnerïnnen geschlechtsneutrale Pässe ein und Chile legalisiert die gleichgeschlechtliche Ehe.

Februar: Diana Trujillo bringt Perseverance zum Mars

Sie ist die Frau mit dem Roboterarm. Als Diana Trujillo aus Kolumbien in die USA zog, war sie 17 Jahre alt, hatte 300 Dollar in der Tasche und sprach kein Wort Englisch. Am 18. Februar wird ihr Name in ganz Kolumbien schlagartig bekannt: Da landete die Mars-Mission „Mars 2020“ auf dem roten Planeten – und mit ihm der US-Rover „Perseverance“.

Die Luft- und Raumfahrtingenieurin Trujillo leitet das Team, das für den Roboterarm verantwortlich ist, der die Proben sammelt. Der etwa 2,5 Milliarden Dollar teure Rover soll auf dem Mars nach Spuren früheren mikrobiellen Lebens suchen, sowie das Klima und die Geologie des Planeten erforschen.

Jahrelang arbeitete Diana Trujillo als Putzfrau, um sich durch die Uni zu bringen. Ihre Wurzeln hat sie nie vergessen: Auf Twitter nennt sich die 40-Jährige @FromCaliToMars. Mit #JuntosPerseveramos („Gemeinsam stehen wir das durch“) schuf sie den ersten Livestream der NASA auf Spanisch und erreichte so ein weltweites Millionenpublikum.

März: Kuba entwickelt Lateinamerikas ersten Covid-Impfstoff

Im März 2021 läuft auf der Karibikinsel die Produktion des Impfstoffes Soberana 02 an und die Tests der Phase-III werden an die Weltgesundheitsorganisation übermittelt. Bei Erfolg verspricht das Land, auch Touristïnnen zu impfen.

Doch wird der Karibikstaat nicht nur von der Corona-Pandemie gebeutelt, sondern auch von einer bitteren Wirtschaftskrise und von heftigen Bürger:innenprotesten. Es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten, an Benzin für Krankenwagen. Außerdem fällt seit Beginn der Corona-Pandemie der Strom ständig aus. Im August erreichen die Proteste der Bevölkerung ihren Höhepunkt; ebenso die Corona-Infektionen.

Gleichzeitig erfolgt die Notfallzulassung für die Impfstoffe Soberana 02 und Abdala. Wie das staatliche Pharmaunternehmen Biocubafarma berichtet, schützt Abdala nach dreimaliger Impfung zu 92,28 Prozent und spielt damit in der gleichen Liga wie die Vakzine von Pfizer und Moderna. Soberana erreicht mit zwei Injektionen 62 Prozent der Immunisierung.

Die Karibikinsel exportiert seit August die eigenen Vakzine nach Venezuela, Vietnam, Iran und Nicaragua. Um auch andere Länder des Globalen Südens beliefern zu können, fehlt noch die Anerkennung der Weltgesundheitsorganisation.

Ein Bildchen eines Mannes in schwarzem Anzug, Hut und Schnurrbart, in einer eingeschweißten Folie, damit man das Bildchen immer bei sich tragen kann.
Viele Venezolanerïnnen tragen immer ein Bildchen des selig gesprochenen Armenarztes Jose Gregorio Hernandez bei sich.

April: Venezolanischer Armenarzt wird seliggesprochen

Es gibt kaum ein Krankenhaus in Venezuela, in dem nicht das Porträt eines unscheinbaren Mannes mit Schnurrbärtchen, einem altmodischen Anzug und Hut hängt. Die katholische Kirche hat den Armenarzt José Gregorio Hernández am 30. April 2021 seliggesprochen.

Der 1864 geborene Arzt und Wissenschaftler soll während der Spanischen Grippe seine Patientïnnen aufopferungsvoll versorgt haben. 1919 wurde er von einem der wenigen damals in Caracas zirkulierenden Autos überfahren. Bald darauf fingen die Menschen an, ihn zu verehren.

Dass die katholische Kirche dennoch fast 100 Jahre brauchte bis zur Seligsprechung, mag auch daran liegen, dass er vom beliebten María-Lionza-Kult vereinnahmt wird. Mitten auf der Stadtautobahn von Caracas steht eine steinerne Büste der Naturgöttin, die mit bloßem Oberkörper auf einem Tapir reitet.

Schließlich erkannte der Vatikan folgenden Vorfall als ein Wunder an: 2017 wurde die damals 10-jährige Yuxury Solorzano bei einem Raubüberfall in den Kopf geschossen. Die Ärzte hatten sie aufgegeben, die Mutter bat den Armenarzt um Hilfe. Eine Woche später war Yuxury gesund.

Ein weiteres Wunder hat Gregorio Hernández am 30. April bewirkt: Für einen Tag haben die politisch polarisierten Venezolanerïnnen ihre Differenzen beiseite gelegt und gemeinsam ihrem Doktor gehuldigt.

Eine Gruppe von Demonstrantinnen hält ein großes Banner fest mit der Aufschrift: “Feministinnen in den Verfassungskonvent”
“Feministinnen in den Verfassungskonvent”, fordern diese Demonstrantinnen - einige feministische Aktivistinnen haben es geschafft und werden Chiles neue Verfassung mitschreiben.

Mai: Frauen, Indigene und Aktivistïnnen schreiben Chiles neue Verfassung

Das hat es in der Geschichte Chiles noch nie gegeben: Eine demokratisch gewählte Versammlung wird eine neue Verfassung schreiben. Am 15. und 16. Mai geben die Chilenïnnen ihre Stimme ab, um die 155 Mitglieder des Verfassungskonvents zu wählen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte gehört keiner politischen Partei an; Feministinnen, Umweltaktivistïnnen und soziale Bewegungen sind dabei. Es ist außerdem die erste verfassungsgebende Versammlung der Welt mit Geschlechterparität, die also zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern besteht. 17 Sitze sind für Indigene reserviert.

Der verfassungsgebende Prozess ist eine Errungenschaft der Protestbewegung, die 2019 und 2020 das Land aufgerüttelt hatte. Die aktuell gültige Verfassung stammt noch aus der Pinochet-Diktatur und zementiert das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, das Unternehmen mehr Rechte einräumt als den Bürgerïnnen. Mehr soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Geschlechtergleichheit – das erhoffen sich viele Menschen von der neuen Verfassung und von dem neuen Präsidenten Gabriel Boric, der im März 2022 sein Amt antreten wird.

Gesicht ganz nah. Ein Mann mit gebräunter Haut, leichtem Bart, breiter Nase und schulterlangen schwarzen Haaren. Er trägt ein weißes Gewand, das typisch für die Indigenen der Sierra Nevada ist. Aus seinem halb geöffneten Mund ragt ein frisches Kokablatt.
Ein indigener Kogui kaut ein frisches Kokablatt. Kokapflücken ist Aufgabe der Frauen der Gemeinschaft und Teil der kulturellen Identität der Indigenen der Sierra Nevada de Santa Marta in Kolumbien, dem höchsten Küstengebirge der Welt. Die Pflanze ist seit Jahrhunderten Teil der andinen Kultur und gilt als heilig. Sie hilft Strapazen zu ertragen und ist sehr gesund. Doch mit vielen Chemikalien weiterverarbeitet wird sie zur Grundlage der Droge Kokain.

Juni: 50 Jahre „War On Drugs“ und nichts zu feiern

Am 17. Juni 1971 erklärte US-Präsident Richard Nixon den Drogenkonsum in den USA zum „Staatsfeind Nummer eins“ und der Welt den „War On Drugs“. Der Krieg kommt den amerikanischen Kontinent bis heute teuer zu stehen, wie zum 50. Geburtstag zum Beispiel die Washington Post schildert.

Die USA haben bis heute nach Schätzungen eine Billion Dollar ausgegeben und unterstützten damit auch Regierungen, die Menschenrechtsverletzungen begingen. In Kolumbien militarisierten die USA im Rahmen des „Plan Colombia“ seit Ende der 90er Jahre die Sicherheitskräfte und machten sie zu den am besten ausgerüsteten der Region.

Die US-Regierung schickte Ausbilder und Waffen; statt auf soziale und wirtschaftliche Lösungen setzte sie hauptsächlich auf militärische. Der Krieg gegen die Drogen weitete sich aus zum Krieg gegen den Terror, der die Farc- und ELN-Guerilla ausmerzen sollte. In der Praxis unterschieden die Luftangriffe oft nicht zwischen Rebellen, Drogenbossen und Zivilistïnnen.

Das Besprühen von Koka-Anbaugebieten und benachbarten Anbauflächen mit von den USA bereitgestelltem Glyphosat aus der Luft hatte schwerwiegende Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Bauernfamilien verarmten, weil sie in den entlegenen Gegenden ohne Straßen und Vermarktungswege keine anderen Einkommensmöglichkeiten haben.

In Kolumbien, wo die Polizei nach wie vor dem Verteidigungsministerium untersteht, nutzten die Sicherheitskräfte das Training und die Waffen bis heute, um bei Protesten auf die eigene Bevölkerung zu schießen und Journalistïnnen, Aktivistïnnen und andere vermeintliche „innere Feinde“ mit Militärtechnologie auszuspionieren.

Drogenbosse, die Menschenleben und Vertreibungen auf dem Gewissen haben, wurden reich. Wurden sie gefasst, entgingen sie oft dank Auslieferung wegen Drogendelikten an die USA in ihre Heimat schwereren Strafen, Opfer wurden um die Wahrheit gebracht und kriminelle Strukturen – auch zwischen Staat und Drogenhandel – blieben unangetastet. Die Koka-Anbaufläche ist nach wie vor auf hohem Niveau.

Der War On Drugs gilt heute als gescheitert. Er bedeutete für viele unschuldige Menschen in den Ländern Lateinamerikas mehr Gewalt und befeuert bis heute Migration und Massenflucht. Drogen sind wegen der Illegalität weiter ein Milliardengeschäft. Es sieht nicht danach aus, dass Präsident Joe Biden daran etwas ändern wird.

Gesicht eines freundlich blickenden Mannes.
Der „unbekannte“ Indigene Karapiru gehört zum Volk der Awá-Guajá, die im Bundesstaat Maranhão als Jäger und Sammler überleben. Es gibt noch etwa 300 Awá-Guajá.

Juli: Der Tod des Überlebenden

Karapiru Awá hatte ein Massaker von Viehzüchtern an seiner Gemeinschaft überlebt. Seine Frau und seine Kinder starben. Er selbst konnte fliehen mit einer Kugel im Rücken. Zehn Jahre lang durchquerte er den brasilianischen Regenwald und ernährte sich von Honig und kleinen Vögeln. Nachts schlief er in den Ästen der Copaiba-Bäume.

Im November 1988 griffen ihn Siedler 700 Kilometer von seinem Heimatdorf auf und brachten ihn in die Hauptstadt Brasilia. Die Indigenen-Schutzbehörde wollte herausfinden welcher Sprachgruppe Karapiru angehörte, und schickte einen jungen Mann namens Xiramukû, um mit dem unbekannten Indigenen zu sprechen. Es stellte sich heraus, dass dieser sein Vater war.

Karapiru Awá kehrte mit ihm in die Gemeinde der Awá im Nordosten Brasiliens zurück, wo er noch einmal eine Familie gründete. Weggefährtïnnen beschreiben ihn als einen außergewöhnlich freundlichen und liebevollen Menschen mit einem ungeheuren Wissensschatz über den Wald.

„Seine Geschichte steht beispielhaft dafür, was isolierte Gruppen durchgemacht haben und weiter durchmachen“, sagt Louis Forline, der sich als Anthropologe an der Universität von Nevada (USA) der Erforschung der Awá-Guajá gewidmet hat. Denn das Agro-Business brennt die Wälder nieder, vergiftet die Gewässer, pflanzt Monokulturen und zerstört damit die Lebensgrundlagen der Indigenen.

Obwohl Karapiru Awá zweimal geimpft war, ist er am 16. Juli dem Coronavirus erlegen. Er starb ohne den Beistand seiner Familie im Krankenhaus von Santa Inés, Maranhão.

Bis Jahresende 2021 sind in Brasilien fast 1.250 Indigene in ihren Gemeinden und in den Städten am Coronavirus gestorben.

Junge Frau mit losem Dutt in Holzfellerhemd vor unscharfer Berglandschaft.
Die Peruanerin Pía León wurde als beste Köchin 2021 ausgezeichnet.

August: Peruanerin ist beste Köchin der Welt

Die Küche ist in Peru meist Frauensache. Doch die „Chefs“, die bekannten Spitzenköche, sind fast ausschließlich Männer. Damit ist Peru nicht allein. Die britische Fachzeitschrift „Restaurant Magazine“ kürt deshalb jedes Jahr die beste weibliche Köchin – dieses Mal Pía León.

Die 35-jährige Peruanerin spielt in ihrem Restaurant Kjolle mit den vielen Zutaten, die die Natur Perus zu bieten hat: sei es der Tintenfisch aus dem Pazifik, die Arracacha-Knolle aus dem Hochland oder der Paiche-Fisch aus dem Amazonas-Tiefland. Mit ihrem Mann, dem Spitzenkoch Virgílio Martínez führt sie das Restaurant Central, das als zweitbestes weltweit gilt.

Peru hat in den vergangenen 20 Jahren den Ruf eines Gastronomie-Paradieses errungen. Die unterschiedlichen Klimazonen des Landes bieten frische Zutaten von 5.000 Metern bis ins Tiefland. Im Pazifischen Ozean schwimmen köstliche Fische. Die vielfältigen Kulturen, die sich in Peru verbinden – Indigene, Spanier, Afrikaner, Chinesen – beeinflussen auch die Küche. Nicht zuletzt waren schon den indigenen Vorfahrïnnen der heutigen Peruanerïnnen die Früchte der Erde und des Meeres heilig.

Ein Menü Pía Leóns Kjolle oder im Central kostet mindestens 100 Euro. Hervorragend essen kann man aber auch in „normalen“ Restaurants, den als Geheimtipps weitergegebenen huariques.

Silberne und goldene Münzen mit einem großen B und zwei senkrechten Balken (wie beim Dollar-Symbol) liegen auf US-Dollar-Scheinen kreuz und quer.
Kryptowährungen wie den Bitcoin kann man weder sehen noch anfassen. Das ist also ein Symbolbild.

September: El Salvador führt den Bitcoin ein

Eine Kryptowährung soll Wirtschaftswachstum bringen: Als erstes Land der Welt macht El Salvador den Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Alle Händlerïnnen, die technisch in der Lage sind, müssen ihn als Zahlungsmittel annehmen. Auch Steuern können in der Kryptowährung bezahlt werden.

Der Bitcoin gilt als umweltschädlichste Kryptowährung und unterliegt starken Kursschwankungen. Anders als beim US-Dollar, der seit 2001 in dem zentralamerikanischen Land offizielles Zahlungsmittel ist, kontrolliert keine Zentralbank die digitale Währung. Viele Salvadorianerïnnen sind auf Geldsendungen von Angehörigen in den USA angewiesen. Bitcoin soll ihnen Transfergebühren ersparen.

Doch in der Hauptstadt San Salvador gehen immer wieder Menschen auf die Straße. Sie befürchten, dass die Kryptowährung vor allem reichen Investoren aus dem Ausland und der Elite des Landes Nutzen bringt. Nur 45 Prozent der Gesamtbevölkerung hat Zugang zum Internet und mehr als 90 Prozent der Landbevölkerung keinen. Die Chivo-App, die für die Bezahlung mit Bitcoin entwickelt wurde, funktionierte anfangs nicht. Lateinamerika-Experte Christian Ambrosius sagt: Bitcoin macht das Land attraktiv für Geldwäsche. „Möglicherweise wird El Salvador nun das Panama der Kryptowährungen.“

Zwei Frauen aus Haiti schauen einem neugeborenen Baby in die Augen.
Viele Haitianer:innen suchen in den USA ein bessere Leben und nehmen dafür einen gefährlichen Fußmarsch in Kauf.

Oktober: Migrantïnnen-Rekord im gefährlichen Darién Gap

Bis Oktober 2021 haben bereits mehr als 90.000 Menschen den Darién Gap auf dem Weg in die USA durchquert. Ein Fünftel von ihnen sind Kinder, mehr als die Hälfte davon unter Fünfjährige – ein neuer Höchstwert. Der Urwald zwischen Kolumbien und Panama ist gefährlich: Die Migrantïnnen, insbesondere Frauen und Kinder, sind Gewalt, sexuellem Missbrauch und Menschenhandel ausgesetzt sowie Krankheiten und Unterernährung. Fünf Kinder wurden 2021 tot im Dschungel aufgefunden, 150 erreichten Panama ohne ihre Eltern.

Die meisten Migrantïnnen, die diese gefährliche Reise auf sich nehmen, wollen in die USA gelangen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Haitianer:inen, die vor Gewalt, Kriminalität und Armut fliehen. Viele von ihnen kommen aus Chile. Dort haben sie einst eine bessere Zukunft gesucht. Aber Rassismus, kaum Chancen auf Visa und Arbeit trieben sie von dort wieder weg. Die Migration in Lateinamerika hat während der Pandemie weiter zugenommen. Es gibt dabei zwei Hauptrouten: Eine führt in die USA, die andere findet innerhalb des südamerikanischen Kontinents statt. 2021 waren sie besonders geprägt von Venezolanerïnnen, Kolumbianerïnnen und Haitianerïnnen.

Wohnzimmer, im Hintergrund eine Bücherwand. Auf einem weissen Sofa sitzt eine Frau mit Brille, schwarzem halblangem Haar, blauem Oberteil.
Die peruanische Investigativ-Journalistin Paola Ugaz hat sexuelle Missbräuche innerhalb der katholischen Kirche aufgedeckt.

November: Journalistin ausgezeichnet für Aufdeckung von Missbrauchsfällen in Kirche

Die katholische Gruppierung „Sodalitium Vitae Christianae“ wendete jahrelang sektenähnliche Methoden an, um junge Menschen gefügig zu machen. Der Gründer und mehrere Priester der Gruppierung verübten sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung an ihren Zöglingen.

Dass dies ans Licht kam, ist der peruanischen Journalistin Paola Ugaz und ihrem Kollegen Pedro Salinas zu verdanken. Paola Ugaz sammelte jahrelang Zeugnisse von Missbrauchsopfern. 2015 veröffentlichten die beiden ihre Recherche in Peru unter dem Titel „Halbe Mönche, halbe Soldaten“.

Der Peruaner Luis Figari gründete „Sodalitium Vitae Christianae“ 1971. Er wollte damit der in seinen Augen marxistischen Befreiungstheologie eine konservative Bewegung entgegenstellen. Unter Papst Johannes Paul II. erlangte das „Sodalitium“ großen Einfluss im Vatikan.

Seit der Veröffentlichung der Recherche steht die „Sodalitium”-Gruppierung unter strenger Beobachtung. Der Gründer – nach eigenen Worten im „Exil“ in Rom – muss in Peru mit einem Strafverfahren rechnen. Während bisher kein Sodalitium-Führer in Peru vor Gericht steht, wurde Paola Ugaz mehrfach von Sodalitium-Mitgliedern wegen Verleumdung verklagt und mit hohen Geldstrafen bedroht.

Die Verfahren laufen noch. Doch Paola Ugaz veröffentlicht weiter über die finanziellen Geschäfte der mächtigen katholischen Sekte. Die International Women’s Media Foundation zeichnete sie dafür im November mit dem Courage-Preis aus.

Ein Klammeraffe sitzt auf einem Baum im Jaime Duque Park Zoo, Cundinamarca, Kolumbien.
“Los Cedros” ist ein Hotspot der Biodiversität. In dem mehr als 6.000 Hektar großen Bergregenwaldgebiet leben viele bedrohte Arten, wie der Brillenbär, Braunkopf- und der Klammeraffe und viele endemische Amphibien.

Dezember: Ecuadors Gericht schützt die Rechte der Natur

Der bedrohte Nebelwald „Los Cedros“ in der biogeografischen Region Chocó (Kolumbien, Ecuador und Peru) wird vom Bergbau verschont bleiben. Zwei Drittel dieses Hotspots für Biodiversität waren bereits zur Ausbeutung an die staatliche Nationale Bergbaugesellschaft aus Ecuador (Enami) und seinen kanadischen Partner Cornerstone Capital Resources vergeben worden. Sie suchen dort Gold, Kupfer und andere Mineralien. Der 4.800 Hektar große tropisch-subtropische Wald ist die Heimat von mehr als 200 stark bedrohten Arten, darunter dem andinen Brillenbär und dem Braunkopfklammeraffe.

Das Verfassungsgericht hat auf Antrag mehrerer Nichtregierungsorganisationen die außerordentliche Biodiversität von „Los Cedros“ wissenschaftlich überprüft und bestätigt. Dabei beruft es sich ausdrücklich auf die Rechte der Natur, die Ecuador 2008 als erstes Land der Welt in seiner Verfassung verankert hatte. Bei der Vergabe von Bergbaulizenzen sei das Vorsorgeprinzip, also das Recht auf Wasser und eine gesunde Umwelt, nicht beachtet worden.

Am 1. Dezember entscheidet das Gericht zugunsten des Ökosystems. Es habe ein verfassungsmäßiges Recht auf das Weiterleben von Tier- und Pflanzenarten und seine biologischen Zyklen müssen geschützt werden. Die Bergbaugesellschaften hingegen konnten nicht nachweisen, dass der Abbau von Bodenschätzen dem Wald keine schweren irreversiblen Schäden zufügen würde. Das Gerichtsurteil für Los Cedros kann in Ecuador zum Präzedenzfall werden, mit dem das Recht der Natur weiter etabliert wird.

Das war 2021. Wir wünschen Ihnen ein glückliches und gesundes 2022!

Ihre Südamerika-Reporterinnen Ulrike Prinz, Sophia Boddenberg, Hildegard Willer und Katharina Wojczenko

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