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Wer Kleidung reparieren lässt, wird belohnt: Wie der Kampf gegen Textilmüll gelingen kann
Wer Kleidung und Schuhe reparieren lässt, wird belohnt: Wie der Kampf gegen Textilmüll gelingen kann
In Deutschland landen tonnenweise Schuhe und Kleidung wegen kleinster Fehler im Müll. Wie ein Reparaturbonus das Problem lösen könnte und warum Frankreich ein Vorbild ist – eine Kolumne.

Vor einigen Wochen wollte ich einen neuen Reißverschluss in meine blaue Lieblingshose nähen lassen. Der Preis bei der Schneiderin: 18 Euro. Das ist die Hälfte von dem, was die Hose ursprünglich vor sieben Jahren gekostet hat. Ich habe bei dem Preis kurz gezögert, die Hose dann aber schlussendlich reparieren lassen.
Ob der beschädigte Reißverschluss, das Loch im Pullover oder die abgelaufene Schuhsohle – wir lassen unsere Kleidung und Schuhe viel zu selten von Schneider:innen und Schuster:innen reparieren. Oft, weil es meist günstiger ist, direkt neue Produkte zu kaufen. Die Konsequenz: Die ansonsten einwandfreien Teile landen im Müll.
Wegwerfmentalität wird durch Modeketten befeuert
Zugegeben: Unser Umgang mit Kleidung und Schuhen ist nicht nur, was die Reparatur angeht, höchst problematisch. Pro Kopf kaufen wir in Deutschland rund 60 Kleidungsstücke im Jahr. Befeuert wird unser Konsumrausch durch die großen Modeketten wie Primark, Zara und Co., die fast wöchentlich neue Kollektionen auf den Markt bringen. Billig, schnell, ein neuer Trend jagt den nächsten, Stichwort: Fast Fashion. Was heute noch in ist, wird morgen entsorgt. Ein Grundsatz, den wir in unserer Gesellschaft tief verinnerlicht haben. Deswegen landen bereits nach nur einem Jahr 60 Prozent aller Kleidungsstücke im Müll, weil sie out sind, weil sie uns nicht mehr gefallen, weil sie kaputt sind.
Jeder Mensch in Deutschland produziert im Jahr daher rund 4,7 Kilogramm Textilabfall. Davon werden nur 0,5 Prozent recycelt und 0,4 Kilogramm unbehandelt wiederverwendet. Die meiste weggeworfene Kleidung landet also auf Deponien oder wird verbrannt – und ist damit ein wahrer Klimakiller.
Die Überproduktion von Textilien verschlingt nicht nur Ressourcen, sondern verursacht zudem riesige Müllberge in den Ländern des globalen Südens, zerstört Umwelt und Lebensräume. Hinzu kommen die oft katastrophalen Arbeitsbedingungen der Näher:innen.
Kleidung wieder schätzen lernen
Wir müssen in Sachen Kleidung dringend etwas ändern. Dieses Umdenken beginnt bei uns im Kopf. Müssen wir jedem Trend hinterherrennen? Müssen wir dem Konsumrausch, der uns von der Fast-Fashion-Industrie eingetrichtert wird, unbedingt mitmachen? Brauchen wir wirklich 60 neue Kleidungsstücke im Jahr? Fakt ist: Wir müssen weg von der Wegwerfmentalität und vor allem: Kleidung wieder schätzen lernen. Dazu gehört, dass man weniger und dafür qualitativere Kleidung kauft und diese dann auch lange wie möglich trägt, in Stand hält. Anstatt also die Socken mit Löchern, die Hose mit defektem Reißverschluss oder die Schuhe mit den abgelaufenen Sohlen wegzuwerfen, kann man sie selbst reparieren oder eben reparieren lassen.
Ein Hindernis für diesen Schritt ist dabei allerdings oft der Preis. Der Gedanke: „Lohnt sich das?“, den ich bei der Reparatur meiner Hose hatte, begleitet sicherlich viele Menschen in derselben Situation. Aber was wäre, wenn es eine finanzielle Unterstützung geben würde? Dafür setzt sich unter anderem der Schuhmacher Andreas Baumbach aus Wiesbaden seit vergangenem Jahr mit einer Online-Petition für einen Reparaturbonus für Schuhe ein, der 50 Prozent der Reparaturkosten erstatten soll. Das hätte nicht nur positive Umweltauswirkungen, wie Abfallvermeidung, Ressourcen- und CO2-Einsparungen, sondern würde auch die Existenzen bestehender Schuhmacher:innen sichern, meint Baumbach.
Reparaturbonus in Frankreich
Frankreich geht in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel voran. Ab Oktober will unser Nachbarland die Reparatur von Kleidung und Schuhen subventionieren. Die finanzielle Unterstützung soll zwischen 6 und 25 Euro betragen, je nachdem, wie aufwändig die Reparatur ist. Der Rabatt wird dabei den Kunden direkt von der Rechnung abgezogen. Die Schuster:innen und Schneiderstuben, die sich für das Programm angemeldet haben, bekommen den Betrag innerhalb weniger Tage zurückerstattet.
Mehr reparieren, weniger neu kaufen: Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Frankreich bereits bei der Reparatur für eine große Anzahl an Elektrogeräten. Seit dem 1. Januar 2021 gibt es den sogenannten Reparatur-Index, der Verbraucher:innen anzeigt, wie gut oder schlecht sich ein Gerät reparieren lässt. Das Ziel ist es, nicht nur den Konsument:innen Transparenz zu verschaffen, sondern auch die Produkthersteller:innen zu animieren, qualitativ hochwertigere Produkte zu designen.
Geplantes „Recht auf Reparatur“ auf EU-Ebene
Auch die deutsche Bundesregierung will solch einen Reparatur-Index einführen. Idealerweise soll dafür ein entsprechendes europaweites Label geschaffen werden. Auf EU-Ebene soll es dann ein „Recht auf Reparatur“geben. Das bedeutet: Die Reparatur von ausgewählten Produkten soll einfacher und billiger werden, um einen Neukauf zu verhindern. Gerade bei Elektrogeräten sind entsorgte Produkte häufig noch gebrauchsfähige Waren, die repariert werden könnten. Dies verursacht jährlich 35 Millionen Tonnen Abfall.
Außerdem ist ein digitaler Produktpass geplant. Darin sollen Verbraucher:innen ablesen, wie ein Produkt hergestellt wurde, ob es repariert werden und kann und ob es wiederverwertbar ist. Das Ziel der EU-Kommission: In der EU sollen in Zukunft nur noch die nachhaltigsten Produkte angeboten werden. Auch Textilien und Produkte wie Möbel, Matratzen, Zement und Aluminium sollen in die geplante Regelung mit einbezogen werden.
Weg von der Wegwerfmentalität
Ein „Recht auf Reparatur“ wäre definitiv ein wichtiger Schritt, um gegen die Ressourcenverschwendung in der EU vorzugehen. Die Vorschläge der EU-Kommission werden derzeit noch verhandelt. Außerdem muss das Europäische Parlament die Regelung diskutieren und verabschieden.
Auch aus der Gesellschaft heraus kann sich viel bewegen. Je mehr wir Ressourcen, die in der Kleidung stecken, wieder schätzen lernen, je mehr wir Klamotten und Schuhe reparieren lassen, desto weniger Textilabfall entsteht. Das hilft nicht nur der Umwelt, sondern auch den Handwerksbetrieben. Und am Ende ist der Trend weg von der Wegwerfmentalität und hin zur Reparatur auch ein Signal an die Hersteller:innen: Produziert endlich langlebige Produkte.