Radtrips sind nachhaltig, machen weltoffen und verleihen Freiheit: 7 Tipps für gelungene Velo-Reisen

Radfahren hält gesund, Fahrräder sind herrliche Reisevehikel. Das formuliert ein Berliner Zweirad-Enthusiast bereits vor 125 Jahren. Nur ist heute die Bandbreite an Technik und Radmodellen so ausufernd, dass uns Planung und Ausrüstung manchmal mehr fesseln als befreien. Eine Anleitung zum „Loslassen“.

13 Minuten
Ein in wilder isländischer Landschaft einsamer Radfahrer quert einen breiten Wasserstrom, der ihm beim „Pedalieren“ nasse Füße bereitet.

Das leichte, flinke Fahrrad ist nicht nur ein treffliches Werkzeug, den Körper zu gesunden, sondern auch ein unschätzbares Mittel, den modernen Verkehrsansprüchen zu genügen.

Oskar Kilian: „Taschenbuch für Radfahrer nebst Touren-Verzeichnis für Deutschland und angrenzende Länder“, 1898.

Es klingt, als habe der Autor des „Taschenbuchs“ schon vor 125 Jahren ahnen können, dass Fahrradfahren mehr ist als Sport und als das heute so dringliche Bestreben, motorisiertem Verkehr und verstopften Straßen auszuweichen. Denn die von Kilian formulierten „Verkehrsansprüche“ bestehen im 21. Jahrhundert unbedingt auch darin, klimafreundlich und Ressourcen schonend unterwegs zu sein.

Warum also nicht noch öfter vom Pkw aufs Rad umsteigen oder einen Urlaub statt zum Beispiel mit einem kurzen Flug mit einer langatmigen – aber niemals langweiligen – Radreise beginnen? Begleiten Sie mich auf sieben Etappen durch eine Welt des Radfahrens, in der Minimalismus und Motivation mehr zählen als Moneten.

Dieser Beitrag war über drei Wochen hinweg (bis zum Weltfahrradtag am 3. Juni 2023) kostenfrei zugänglich.

Ein einsamer Sportradler ist auf einem von Sonnenstreifen gemusterten Waldweg unterwegs.
Endlich allein inmitten all des Chlorophylls! Querung eines Waldgebiets im westfälischen Tiefland.
Der Reporter steht in einem Bus und weist mit der Rechten auf sein Fahrrad, das an der rechten Buswand lehnt.
Für Alleinreisende ergeben sich in Bussen und Bahnen schnell Kontakte. Zum Beispiel wenn in den Pyrenäen ein Busfahrer den pannengeplagten Reporter (Foto) vom Straßenrand klaubt und fürs Vehikel den Rollstuhlplatz anweist.
Der in einem flachen Stein eingravierte römische Torbogen dient als Erkennungssymbol für die Pilgerroute.
„Auf Tuchfühlung gehen mit der Welt“ (Tipp 1): Pilgerrouten, wie hier die Vía de la Plata, die von Spaniens Süden bis Santiago führt, haben den Vorteil, dass Radreisende leicht Gleichgesinnte finden. Auf der anderen Seite kommen vielleicht Improvisation und Spontaneität zu kurz (Tipp 2).
Der Reporter neben dem mit glodenen „Europa-Sternchen“ verzierten, blauen Grenzschild, das die weiße Aufschrift „Belgique“ trägt.
Ende Oktober 2022: In Spanien aufgebrochen, entscheide ich am vierten Reisetag spontan, von Reims 230 Kilometer weiter bis tief hinein nach Wallonien zu fahren. Und erlebte den beglückendsten Reisemoment, als ich bei km 185 an der Maas (rechts schmal im Bild) die Grenze zu Belgien erreichte (FB-Post: tinyurl.com/RoosBE).

Spontan zu agieren, ist der große Trumpf des Zweirads: Selbst in der schmalsten Küstenserpentine bleibt noch Platz, um in Ruhe den Durst zu stillen und die Aussicht zu bestaunen.

RadelnderReporter

Der Reporter mit Daunenjacke und seinem Rennrad auf dem Alpenpass, dessen „Frankreich“-Landesschild den Beginn der Region „Nouvelle-Aquitaine“ anzeigt
Spontane Wetterflucht (Frankreich): Hinunter ins sonnig-warme Okzitanien – weil am Pyrenäen-Hauptkamm der Föhnsturm tobt.
Hinter dem von Kiefern bestandenen Steilküsten-Rand schäumt wild das Mittelmeer.
Spontane Meeresbrise (Spanien, Costa Brava): Tiefblick von einer kurvigen Steilküsten-Straße, auf der für Motorisierte ein Stopp unfallträchtig und untersagt ist.
Zwei Hinweisschilder für Radfahrende weisen in entgegengesetzte Richtungen: Das eine gen Mělník, das andere gen Prag.
Spontaner Richtungswechsel (Tschechien): Links ins ruhige Mělník mit der Moldaumündung in die (Elbe, tschechisch Labe) – um die chronisch überfüllte Touristenmetropole an der Moldau zu umfahren.
Der einsame Radfahrer schiebt sein Rad auf Holzplanken über den morgendlich erhellten Strand zum Meer.
Spontaner Badestopp am Golf von Alicante (Spanien, Costa Blanca).
Balkendiagramm mit den Einträgen „Mehr von Land und Leuten sehen“, „Im Urlaub aktiv sein“ sowie „Umweltfreundliche Art zu reisen“.
Erleben und Sport: Mit 80 bzw. 69 Prozent liegen laut aktueller ADFC-Radreise-Analyse diese beiden Beweggründe ganz oben auf der Motivationsskala.

Seit meiner ersten Vier-Länder-Reise vor zwanzig Jahren lautet mein Credo: Wenn schon auf grazilem Gerät unterwegs, dann mit Minimalgepäck!

RadelnderReporter

An einer Hilzwand lehnt ein vollbepacktes Fahrrad mit zwei gefüllten Wasserflaschen. Sowohl Lenker als auch Querstang und Sattelstütze tragen Packtaschen.
Entgegengesetzter Ansatz an modernen Gravelbikes: So viel wie möglich „ranpacken“…
Ein Gravelbike vor bukolischer Alpenlandschaft; das Rad hat als einziges Gepäckstück eine Satteltasche.
…oder so leichtgewichtig wie möglich unterwegs sein (was sich in alpinem Gelände – hier bei Brixen – besonders vorteilhaft auswirkt).
Vor dem gelben Rennradlenker zieht sich eine flussartige Wasserspur, in der weiter vorne ein rotes Auto quer steht.
Anfang einer kilometerlangen Wasserfahrt mit Pegeln über der Pedalachse: Diesen südfranzösischen Abschnitt der Eurovelo-Mittelmeerroute suchten im Frühjahr 2022 derartige Unwetter heim, dass sogar ein Pkw havarierte.
Durchnässt, aber glücklich lächelnd steht der Autor in roter Regenjacke mit seinem blauen Rennrad vor einem steinernen Brunnen, neben dem Touristen mit aufgespannten Regenschirmen flanieren.
Wirklich am Ende (der letzten, völlig verregneten Pilgeretappe): Der Autor in Santiago de Compostela vor dem Pferdebrunnen an der Plaza de Las Platerías.
Vor dem treppenumrankten Sockel des Fernsehturms radelt der Reporter im Wiegetritt vorbei.
2019: Nach knapp einem Monat Ankunft im 16. Bundesland – vor dem Berliner Fernsehturm.
Der Autor radelt vorbei am Schild einer einstigen Sowchose inmitten einer endlos scheinenden Feld- und Wiesenweite.
2004: Auf Spuren der Sowjetzeit östlich von Moskau – am Schild einer einstigen Sowchose im sogenannten Goldenen Ring.
Vor einem Straßenschild, das an der nächsten Kreuzung rechts das Ort namens Radewege ausweist.
1994: Erkundungen in Ostdeutschland – auf Radtour unterwegs durch Brandenburg.
Der jugendliche Autor im Regen zwischen einer nassen Landstraße und seinem bepackten Rad.
1983: Der Autor auf seiner ersten Radferntour, hier im Norden von Bayern – unweit des Orts, wo im selben Jahr die erste großangelegte Goretex-Produktion in Deutschland anlief. Die „LowTech“-Jacke des zukünftigen Reporters war damals nach fünf Minuten durchweicht.
Lithographie eines Lastfahrrads, auf dem vorne fünf Räder transportiert werden.
Angepriesen zu Beginn des Jahres 1898 in „Volldampf: Deutsche Monatsschrift für Handel & Industrie: “Der Preis dieses zweifellos praktischen Transportwagens beträgt 600 Mark" – auf heutige Zeiten grob umgerechnet etwa 6.000 Euro.

Dieser Beitrag entstand auf Basis der 2022 ausgelaufenen Förderung durch Neustart Kultur und läuft unter dem Buchstaben R als Eintrag „Reise-Vehikel Fahrrad: Trends und Tipps für Ferntouren" im exklusiven, laufend fortgesetzten Kultur-Kompendium zu Fahrrad und Radfahren, das auch Literatur zum Thema listet. Der nächste Kompendiumsbeitrag erscheint Anfang Juni 2023, Arbeitstitel: „Cruiszen ist das neue Radfahren – eine Glosse zum Weltfahrradtag".