Pille, Spirale und Kondome: Wer hilft, wenn das Geld für Verhütung nicht reicht?

Verhütungsmittel können ganz schön teuer sein. Das ist besonders für Menschen mit wenig Geld ein Problem. Was die Lage zusätzlich erschwert: Ob und wo es finanzielle Unterstützung gibt, ist ziemlich unübersichtlich.

vom Recherche-Kollektiv Plan G:
5 Minuten
In einer geöffneten Geldbörse sind ein Geldschein, ein Kondom und eine Packung der Pille zu sehen.

Neulich im sozialen Netzwerk Mastodon: „Pro Familia übernimmt die Kosten für meine Kupferspirale, über 200 Euro!“, postete eine Nutzerin. „Das ist echt ein guter Tipp!“ „Dass es diese Leistung gibt, war mir bis jetzt vollkommen unklar“, lauteten einige der überraschten Antworten.

Dass Verhütungsmittel ganz schön ins Geld gehen können, wissen viele. Ob und wo es bei Bedarf Unterstützung gibt, ist oft aber nicht bekannt – und meistens ist es auch gar nicht so einfach, das herauszufinden.

Verhütung ist nicht billig

Die Kosten für verschiedene Verhütungsmittel unterscheiden sich zum Teil ganz erheblich. Besonders für langfristige Verhütungsmethoden fallen hohe Summen an, die noch dazu auf einen Schlag aufgebracht werden müssen. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) können etwa die Kosten für eine Hormonspirale bei bis zu 400 € liegen.

Das ist viel Geld, besonders für Menschen, die Sozialleistungen erhalten oder nur ein geringes Einkommen haben. Zum Vergleich: Im Regelsatz des Bürgergelds ist für Gesundheitspflege 19,16 € pro Monat vorgesehen. Davon müssen diejenigen, die Bürgergeld beziehen, aber auch noch andere Gesundheitsprodukte bezahlen, etwa Kopfschmerztabletten, Medikamente gegen Allergien oder Tampons.

In einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hatte 2016 rund jede vierte Frau, die Sozialleistungen erhielt, angegeben, mindestens einmal aus Kostengründen auf Verhütungsmittel verzichtet zu haben. Das erhöht das Risiko für ungewollte Schwangerschaften.

Was viele nicht wissen: Oft gibt es auch bei sehr ähnlichen Verhütungsmitteln Unterschiede beim Preis. Das betrifft etwa verschiedene Modelle von Spiralen. Bei der Pille sind Packungen für sechs Monate günstiger als die für drei Monate. Es lohnt sich auch, Arzt oder Ärztin gezielt zu bitten, ein günstigeres Präparat zu verordnen. Bei Pillen kann die Apotheke auf Wunsch ein günstigeres wirkstoffgleiches Präparat oder einen Re-Import abgeben. Re-Importe wurden in Deutschland für einen ausländischen Markt hergestellt, dorthin exportiert und dann wieder zurück nach Deutschland gebracht. Weil die Preise für Arzneimittel im Ausland meist niedriger sind als in Deutschland, sind Re-Importe oft günstiger.

Was die Krankenkassen zahlen

In der Umfrage der BZgA wussten viele nicht, dass die gesetzlichen Krankenkassen für Frauen bis zum 22. Geburtstag bestimmte Verhütungsmittel bezahlen. Das gilt in der Regel aber nur für verschreibungspflichtige Mittel, etwa die Pille. Ausnahme: Seit einigen Jahren ist die „Pille danach“ auch ohne Rezept in Apotheken erhältlich. Verschreiben sie Arzt oder Ärztin, übernehmen die Krankenkassen aber auch hier die Kosten.

Als Kassenleistung müssen Ärzt:innen in der Regel die preisgünstigste Variante verordnen, eine Spirale wird deshalb nicht immer übernommen. Ab dem 18. Geburtstag fällt außerdem die Zuzahlung zu Rezepten an. Ärztliche Beratung zur Verhütung wird von den Kassen dagegen vollständig übernommen.

Nicht verschreibungspflichtige Verhütungsmittel, etwa Kondome oder ein Diaphragma, übernehmen die Krankenkassen dagegen nicht. Gleiches gilt auch für Verhütungsmittel bei Frauen über 22 Jahre – es sei denn, Arzt oder Ärztin empfehlen die Pille oder Spirale aus einem medizinischen Grund, etwa wenn eine Frau sehr starke Regelblutungen hat und das Produkt dafür zugelassen ist.

Im europaweiten Vergleich des European Contraception Policy Atlas liegt Deutschland im oberen Viertel des Rankings, was den Zugang zu Verhütungsmitteln angeht. Allerdings werden in einigen anderen europäischen Ländern mehr Kosten für Verhütungsmittel übernommen: Im englischen Gesundheitsdienst NHS gehört ein breites Spektrum verschiedener Verhütungsmittel standardmäßig zur kostenfreien Gesundheitsversorgung. In Frankreich sind nicht nur hormonelle Verhütungsmittel bis 25 Jahren kostenfrei, sondern seit Anfang 2023 können junge Männer und Frauen in Apotheken auch kostenlos Kondome erhalten.

Warum sich die Kostenübernahme regional unterscheidet

Für Deutschland enthält der European Contraception Policy Atlas eine kleine Fußnote: „Die Umstände können sich regional unterscheiden.“ Das überrascht in Deutschland nicht wirklich und so ist es auch beim Zugang zu Verhütungsmitteln.

Bis 2004 gab es eine bundeseinheitliche Regelung, dass die Behörden die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel zumindest für Frauen, die Sozialhilfe erhielten, übernehmen. Durch eine Gesetzesänderung entfiel diese Möglichkeit jedoch.

Seitdem zahlen einige Städte und Landkreise Menschen mit geringem Einkommen die Kosten für bestimmte Verhütungsmittel. Verteilt werden die Gelder dafür oft über Beratungsstellen, zu denen Pro Familia, aber auch einige andere gehören. Manchmal sind auch Sozialbehörden dafür zuständig. Eine Untersuchung von Pro Familia aus dem Jahr 2015 zeigt, wie stark die Angebote in den verschiedenen Regionen variieren: Zum damaligen Zeitpunkt gab es in Berlin oder Bremen flächendeckend Hilfsangebote zur Kostenübernahme. In Nordrhein-Westfalen war das nur bei rund 50 Prozent der Kommunen der Fall, in den östlichen Bundesländern existierten gar keine entsprechenden staatlichen Hilfen. Auch unterscheiden sich die Angebote gravierend darin, wer anspruchsberechtigt ist und welche Verhütungsmittel finanziert werden. Außerdem besteht kein Rechtsanspruch: Wenn das Budget des Geldgebers aufgebraucht ist, werden die Kosten nicht mehr übernommen.

Auch der Zugang zu den Unterstützungsleistungen ist nicht überall gleich geregelt. Wenn es solche regionalen Hilfen gibt, ist in der Regel ein Rezept über das Verhütungsmittel und ein Nachweis über das Einkommen oder Sozialleistungen nötig. Das genaue Prozedere kann aber sehr unterschiedlich sein, etwa ob man die Kostenübernahme vorher beantragen muss oder auch eine Erstattung im Nachhinein möglich ist. Weil sich die genauen Regularien von Ort zu Ort unterscheiden können, ist es sinnvoll, sich bereits vor dem Kauf von Verhütungsmitteln zu informieren.

Was sich ändern müsste

Die Situation ist also ziemlich unübersichtlich. Wie es besser und einfacher gehen könnte, haben inzwischen verschiedene Modellprojekte erprobt, etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder das Projekt biko an bundesweit sieben verschiedenen Standorten. Eine Schlussfolgerung: Für verhütungswillige Personen mit wenig Geld sollte es eine bundeseinheitliche Lösung geben, die die Auswahl der Verhütungsmittel nicht einschränkt und für alle Geschlechter offen ist. Auch sollte die Lösung berücksichtigen, dass es für die Betroffenen aufwändig und oft auch mit Kosten verbunden ist, erst in die Arztpraxis, dann in die Beratungsstelle und – etwa bei der Spirale – dann wieder in die Arztpraxis gehen zu müssen. Das bedeutet eine zusätzliche Hürde.

Nach einer Forderung von Pro Familia wäre die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung eine unbürokratischere Lösung, die Menschen mit niedrigem Einkommen nicht stigmatisiert. Eine entsprechende Gesetzesinitiative ist 2018 allerdings im Bundestag gescheitert.

UN-Ausschuss mahnt Deutschland

Einen niedrigschwelligen Zugang zu Verhütungsmitteln fordert auch die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW). Der CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen hatte im Mai 2023 festgestellt, dass in Deutschland „Frauen über 22 Jahre, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, keinen angemessenen Zugang zu kostenlosen oder zumindest erschwinglichen Verhütungsmitteln haben“. Das solle die Bundesregierung sicherstellen, empfahl der Ausschuss.

Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien 2021 vereinbart: „Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen.“ Auf Anfrage teilte ein Sprecher des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit, aktuell finde „ein Austausch zwischen den betroffenen Ressorts über gesetzliche Möglichkeiten zu dieser komplexen Thematik statt“. Im Klartext: Bis zu einer möglichen Gesetzesänderung wird vermutlich noch einige Zeit vergehen.

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