Wunderbar wandelbar: Wie Wasserflöhe fleischfressende Pflanzen austricksen

Wasserflöhe haben mehr Gene als Menschen. Sie beherrschen sogar Verwandlungen, mit denen sie sich gegen Fressfeinde wie Mückenlarven oder Pflanzen schützen. Das macht sie zu Modellorganismen für eine gesunde Anpassung an Umweltverschmutzung und Klimawandel.

vom Recherche-Kollektiv Tierreporter:
7 Minuten
Vor schwarzem Hintergrund leuchtet hell ein Wasserfloh. Man kann gut seine seitlichen Ruderorgane sowie den langen Stachel am Hinterende erkennen. Elektronenmikroskopische Aufnahme.

Fressen und gefressen werden: Es ist der stete Kampf ums Überleben, der Organismen zu den sonderlichsten Verwandlungen treibt. Fliegenpilze wurden im Lauf der Evolution auffällig gefärbt und giftig, Rosen bekamen Dornen. Und Wasserflöhe? Die kleinen Krebse verändern sich so rasch und gut wie kaum ein anderes Lebewesen. Das macht sie zum idealen Modellorganismus für die Erforschung von Umweltanpassungen. Forschende entdeckten unlängst sogar, dass sich die Nachkommen der Kleinkrebse äußerlich wandeln, damit Pflanzen sie weniger gut fressen können.

Bei den Pflanzen handelt es sich um eher bizarre Vertreter ihres Reichs. Der Wasserschlauch, Utricularia, hat keine Wurzeln, sondern schwebt in stehenden Gewässern. Aus langen dünnen Stengeln wächst ein Sprossengeflecht mit zahlreichen blasenartigen Auswüchsen. Und die haben es in sich: Spüren sie eine winzige Berührung oder plötzliche Wasserströmung, öffnen sie sich blitzartig.

Weil in den Blasen Unterdruck herrscht, saugen sie das Wasser aus der nächsten Umgebung mit einer Geschwindigkeit von vier Metern pro Sekunde auf. Wimpertierchen, Fadenwürmer, kleine Schnecken oder Wasserflöhe werden gleich mit verschlungen und liefern der fleischfressenden Pflanze dringend benötigte Nährstoffe.

Verkehrte Welt: Tier schützt sich vor gefräßiger Pflanze

„Mit seinen ultraschnellen Saugfallen kann der Wasserschlauch seine Beute innerhalb von ungefähr fünf Millisekunden fangen und lässt ihr kaum eine Chance zur Flucht“, schreiben Sebastian Kruppert von der Ruhr Universität Bochum und Kollegïnnen in einem Beitrag für das International Journal of Molecular Sciences. Darin schildern sie vermutlich als Erste überhaupt, dass sich nicht nur Pflanzen auf verschiedenste Weise dagegen wappnen, von Tieren gefressen zu werden, sondern umgekehrt auch Tiere sich verwandeln, damit Pflanzen sie weniger gut verschlingen können.

Starke Vergrößerung der grünen blasenartigen Struktur zum Einsaugen von Wassertieren, die die fleischfressende Pflanze Wasserschlauch ausbildet..
Die Fallen des Wasserschlauchs, Utricularia, sind blasenförmige Auswüchse, in denen Unterdruck herrscht. Öffnen sie sich, saugen sie kleine Tiere ein, die sie anschließend verdauen.
Zwei Wasserflöhe unter dem Elektronenmikrsokop. Sie leuchten hell vor schwarzem Hintergrund.
Wenn ihnen viele Mückenlarven auflauern, bekommen Wasserflöhe wehrhafte „Dornen“, die rechts im Frühstadium zu sehen sind. Außerdem verlängert sich der Auswuchs am Hinterende. Links ein gewöhnlicher Wasserfloh.
Links ein etwas größerer Wasserfloh unter dem Lichtmikroskop. Rechts ein etwas kleineres Exemplar.
Wasserflöhe, die in Anwesenheit der fleischfressenden Wasserpflanze Utricularia aufwachsen (B), sind etwas kleiner und haben längere seitliche Fortsätze am Panzer als solche, die ohne die Pflanze aufwachsen (A). In der mikroskopischen Vergrößerung sind die Fortsätze zwar kaum zu sehen, aber dem Wasserfloh im Alltag sehr nützlich. Der Maßstab entspricht einem Millimeter.
Detaillierte schwarz-weiße Strichzeichnung eines Wasserflohs, Die Kiemen und die Ruderorgane sind gut zu erkennen.
Ein Wasserfloh aus der Familie der Daphnien, Daphnia sp., wie er im Jahr 1874 für das „Magasin Pittoresque“ gezeichnet wurde.