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Mehr Transparenz bei Krankenhaus-Qualität: Was bringt Lauterbachs Entwurf?
Mehr Transparenz bei Krankenhäusern: Wie gut ist Lauterbachs Entwurf für den Klinik-Atlas?
Warum Institutionen im Gesundheitswesen das Vorhaben kritisieren und welche Probleme es nicht löst

Mehr Transparenz bei Leistungen und Qualität von Kliniken: Das verspricht das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg gebrachte Krankenhaus-Transparenzgesetz, das an diesem Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten wird. Es flankiert die angestrebte Krankenhaus-Reform, die die Klinik-Landschaft in Deutschland und deren Vergütung neu ordnen soll. Dazu haben Bund und Länder erste Eckpunkte vereinbart.
Der Inhalt des Transparenzgesetzes: Schon ab 1. April 2024 soll ein Online-Portal Bürger:innen darüber informieren, welches Krankenhaus welche Leistungen anbietet und wie gut es dabei abschneidet. Das soll Anreize für eine gute medizinische Qualität setzen – weil Patient*innen dann sehen können, wo es gut läuft und wo es besser werden muss. Die Idee: So sollen sie sich die besten Krankenhäuser für ihre Behandlung aussuchen können.
Was sich erst einmal nach einer begrüßenswerten Initiative anhört, hat in Wirklichkeit schon eine lange Geschichte. Und die aktuellen Entwicklungen deuten auch auf einen handfesten gesundheitspolitischen Machtkampf hin.
Was wir jetzt schon zur Qualität von Kliniken wissen
Karl Lauterbach ist nicht der Erste, den es nach mehr Transparenz bei der Qualität von Krankenhäusern verlangt. Bereits seit 2003 sind die Krankenhäuser verpflichtet, jährlich Qualitätsberichte zu veröffentlichen. Welche Daten die Berichte umfassen müssen und wie sie dargestellt werden, legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest. In diesem Gremium der Selbstverwaltung beraten und entscheiden die Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen unter anderem über die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, aber auch die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen.
Die Qualitätsberichte enthalten zum Beispiel Angaben zu Abteilungen und deren Erfahrung bei bestimmten medizinischen Verfahren, aber auch Informationen, wie gut sie in der vorgeschriebenen Qualitätssicherung dabei abschneiden. Seit vielen Jahren fließen die Daten aus den Qualitätsberichten in diverse Krankenhaus-Suchportale ein, etwa die Weiße Liste. Bislang gab es aber kein solches Portal in öffentlicher Hand. Der G-BA erhielt den Auftrag, bis Ende 2022 ein solches Qualitätsportal einzurichten und dabei auch Informationen zu Arztpraxen einzubeziehen – bis heute gibt es aber nur erste Konzepte.
Warum es bisher kein öffentliches Qualitätsportal gibt
Lauterbach drängt aber darauf, dass es bei der Transparenz vorangeht. Und macht den Institutionen in der Pressekonferenz zum Krankenhaus-Transparenzgesetz deutliche Vorwürfe: „Viele Partner der Selbstverwaltung wünschen diese Transparenz nicht. […] Die Widerstände in der Selbstverwaltung sind zum Teil aus meiner Sicht ethisch prekär. Wenn eine Transparenz, die den Bürgern unmittelbar helfen würde, die bessere Versorgung zu bekommen, blockiert wird, wie das in der Vergangenheit über mehr als zehn Jahre der Fall ist, dann ist das nicht richtig.“
Zum Teil ist diese Kritik sicherlich berechtigt. Richtig ist aber auch: Qualität umfassend, aussagekräftig, fair und nutzerfreundlich darzustellen, ist nicht trivial. Das zeigt das 800 Druckseiten starke Konzept, das das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) im Auftrag des G-BA erstellt und dazu auch Patient*innen nach ihren Informationsbedürfnissen befragt hat. Der G-BA sieht allerdings noch Überarbeitungsbedarf und hat inzwischen weitere Aufträge erhalten, die sich auf das Qualitätsportal auswirken. Das erhöht die Komplexität.
Es macht also den Eindruck, als ob es Lauterbach in dieser Angelegenheit nicht schnell genug geht. Und jetzt nimmt der Minister mit dem Krankenhaus-Transparenzgesetz dem G-BA das Heft aus der Hand. Dessen Kritik, genau gesagt das der unparteiischen Mitglieder des G-BA, folgte prompt und auch viele andere Organisationen weisen – bei grundsätzlicher Zustimmung zum Anliegen des Entwurfs – auf zahlreiche offene Fragen in Lauterbachs Konzept hin.
Welche Kritik es an Lauterbachs Konzept gibt
Die im Bundeskabinett Mitte September verabschiedete Formulierungshilfe für einen Gesetzesentwurf nennt explizit vier Gruppen von Informationen, die das Portal veröffentlichen soll:
- wie häufig ein Krankenhaus bestimmte Leistungen erbringt, getrennt nach Bereichen (Leistungsgruppen)
- welcher Versorgungsstufe (Level) das entspricht
- wie gut die personelle Ausstattung ist
- in welcher Qualität ausgewählte Leistungen erbracht werden
Lauterbachs Entwurf sieht vor, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) direkt das IQTiG mit der Zusammenstellung der Daten beauftragt und dass diese Aufträge Vorrang vor allen anderen haben sollen, auch denen des G-BA. Die Informationen zur Qualität soll das IQTiG den aktuellen Daten aus der Qualitätssicherung entnehmen. Einige Angaben, etwa zur personellen Ausstattung, sollen die Krankenhäuser zusätzlich übermitteln, andere, etwa die Fallzahlen in den Leistungsgruppen, das für die Krankenhausabrechnung zuständige Institut an das IQTiG weiterleiten.
Die unparteiischen Mitglieder des G-BA befürchten, dass der direkte Zugriff auf die Kapazitäten des IQTiG dessen Arbeit in allen anderen Bereichen gefährde. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) weist darauf hin, dass davon auch die Qualitätssicherung selbst betroffen sein könnte: Sie soll laufend weiterentwickelt und dabei bürokratische Hürden abgebaut werden.
Strittig ist auch, wer das Portal bezahlen soll: So sieht der Entwurf vor, dass letztlich die gesetzlichen Krankenkassen die Mehrkosten übernehmen sollen, die durch die Arbeit des IQTiG entsteht. Das lehnt aber etwa der AOK-Bundesverband ab: „Die Erfüllung einer Aufgabe des BMG hat auch aus dessen Haushaltsmitteln zu erfolgen.“
Welche Fragen offen bleiben
Während man einige dieser Kritikpunkte auch mit Machtgerangel zwischen Institutionen im Gesundheitswesen erklären kann, lassen sich andere dagegen nicht so leicht von der Hand weisen.
Der Verband der Ersatzkassen kritisiert, dass das geplante Portal zunächst nur einen kleinen Teil der Daten abbildet, die bereits heute durch die Qualitätssicherung öffentlich sind. Einige Details, die der Entwurf aufführt, sollen auch erst im Zuge der Krankenhausreform endgültig festgelegt werden. Wenn es im Transparenzgesetz schon vorab Festlegungen gäbe, die sich im weiteren Verlauf dann noch verändern, könne das Patient*innen irritieren, bemängelt der AOK-Bundesverband.
Dass das Portal bereits ab 1. April 2024 zur Verfügung stehen soll, halten viele Kommentatoren nicht nur für „überaus ambitioniert“, sondern plädieren auch dafür, die Fristen besser mit der Krankenhausreform zu synchronisieren.
Die unparteiischen Mitglieder des G-BA weisen darauf hin, dass Lauterbachs Entwurf die gesetzliche Grundlage für das geplante G-BA-Qualitätsportal kassiert – und damit die Möglichkeit, wie geplant auch die Qualität von Arztpraxen öffentlich darzustellen. Zwar könnte das Portal des BMG perspektivisch zumindest in der Theorie erweitert werden. Ob und wann das passiert, ist aktuell jedoch offen. Das befürchtet auch die Verbraucherzentrale: „Denn der Wegfall des Paragrafen würde die Planungen für die Qualitätsberichterstattung im ambulanten Bereich hintanstellen.“
Und eine noch größere Gefahr steht im Raum: So warnen die unabhängigen Mitglieder des G-BA davor, dass es für Krankenhäuser möglicherweise „erhebliche wirtschaftliche Folgen“ haben kann, wenn das Portal die Qualität verkürzt und damit unvollständig oder gar verzerrt abbildet. Vor diesem Hintergrund hält die Verbraucherzentrale die Trägerschaft des BMG für das Portal für problematisch und fordert, das Transparenzverzeichnis durch eine staatsferne, unabhängige Organisation erstellen zu lassen.
Diese Argumentation ist nachvollziehbar. Zur Erinnerung: Im Sommer hatte das Landgericht Bonn das Nationale Gesundheitsportal des Bundesgesundheitsministeriums als wettbewerbswidrig eingestuft. Die Sammlung von Gesundheitsinformationen überschreite die „Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns“. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, sollte aber ein Warnsignal für das BMG sein. Im schlechtesten Fall, wenn also Krankenhäuser klagen und erfolgreich sind, hätten Patient*innen weder Lauterbachs Portal noch das des G-BA.
Es bleibt zu hoffen, dass es gelingt, die offensichtlichen Lücken im Gesetzesentwurf zu stopfen – und dass Minister und die anderen Institutionen im Gesundheitswesen eine Lösung finden, die die Interessen berücksichtigt, um die es hier eigentlich gehen sollte: die der Patient*innen, die eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung suchen.