Warnung der UN: Ohne stärkeren Naturschutz kein Erfolg im Klimaschutz

Klimawandel, Artensterben, Bodenkrise: Im Gespräch mit RiffReporter fordert die UN-Beauftragte für den Schutz der Natur die Staatengemeinschaft zum Schulterschluss im Kampf gegen die planetaren Umweltkrisen auf.

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
5 Minuten
Mrema in afrikanischer Kleidung an einem Konferenztisch sitzend

Wenn der Schutz der Biodiversität nicht Teil der Lösung ist, werden wir auch im Klimaschutz nicht vorankommen

CBD-Exekutivsekretärin Elizabeth Maruma Mrema

Die führende UN-Vertreterin für den Schutz der Biodiversität hat die Staatengemeinschaft aufgefordert, von der Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen Scharm el-Scheich ein starkes Signal für mehr globalen Naturschutz auszusenden. Klima- und Naturschutz müssten als gleichberechtigte Prioritäten anerkannt werden, wenn der Kampf gegen den Klimawandel und die Artensterbe-Krise erfolgreich sein solle, sagte die Exekutivsekretärin der UN-Biodiversitätskonvention (CBD), Elizabeth Maruma Mrema, im RiffReporter-Interview. „Wenn der Schutz der Biodiversität nicht Teil der Lösung ist, werden wir auch im Klimaschutz nicht vorankommen“, betonte sie.

Klimawandel, Naturzerstörung und die Degradierung der Böden mit der Folge zunehmenden Hungers seien eng miteinander verbundene multiple Umweltkrisen, die isoliert voneinander nicht wirksam bekämpft werden könnten, argumentierte die tansanische UN-Diplomatin. „Für die Minderung der Klimafolgen und die Anpassung an den Klimawandel ist der bessere Schutz der Natur die Basis“, sagte Mrema.

Klimagipfel muss enge Verbindung von Klimawandel und Biodiversitätskrise anerkennen

Viele natürliche Ökosysteme sind in der Lage, Treibhausgase wie Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu filtern und zu speichen. Wälder, gleich ob europäische Laubwälder, Mangroven oder tropische Regenwälder, Seegraswiesen und Moore gehören dazu. Diese natürlichen CO2-Speicher, die zudem Refugien der Artenvielfalt sind, werden aber weiter weltweit zerstört. Dabei wird Kohlendioxid in großen Mengen freigesetzt.

Der „natürliche Klimaschutz“, auch als „Nature-based Solutions bezeichnet, setzt darauf, durch den Schutz der Ökosysteme CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre fernzuhalten und gleichzeitig einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu leisten.

Luftbild des Amazonas
Der Amazonas-Regenwald ist ist von herausragender ökologischer Bedeutung für den gesamten Planeten.

Die Schlüsselbotschaft aus Scharm el-Scheich muss sein, dass wir Klima- und Naturkrise nur zusammen lösen können.

Mrema sagte, sie hoffe, dass der Klimagipfel in Ägypten die von der Wissenschaft belegte enge wechselseitige Verbindung zwischen den Menschheitsherausforderungen Klimawandel und Biodiversitätskrise bekräftige und akzeptiere.

Die Klimakrise sei ihrerseits eine riesige Gefahr für die Natur, warnte die UN-Vertreterin. Klimawandel ist einer der wichtigsten Treiber des Artensterbens und des Verlustes intakter Ökosysteme. Deshalb können wir den Biodiversitätsverlust nicht aufhalten, ohne radikal gegen den Klimwandel anzugehen. Und die Erderwärmung wiederum kann nicht ohne die Natur gestoppt werden“, sagte die CBD-Chefin. „Die Schlüsselbotschaft aus Scharm el-Scheich muss sein, dass wir beide Probleme nur zusammen lösen können.“

Ein tropischer Regenwald auf der Insel La Reunion im Indischen Ozean.
Der Schutz der verbliebenen tropischen Regenwälder kann einen wichtigen Beitrag sowohl zum Klimaschutz wie zum Erhalt der Artenvielfalt leisten.

Vor 30 Jahren in Rio haben wir als Welt noch nicht die enge Verbindung zwischen den Krisen verstanden

Mrema ist die Chefin der UN-Biodiversitätskonvention CBD, die parallel zur Klimarahmenkonvention und der Konvention gegen Wüstenbildung beim „Erdgipfel“ 1992 in Rio de Janeiro auf den Weg gebracht wurde. Kurz nach dem gerade in Ägypten laufenden Weltklimagipfel COP27 findet in wenigen Wochen in Kanada der Weltnaturgipfel COP15 statt. Dort soll ein globales Naturschutzabkommen verabschiedet werden, dem für den Kampf gegen das Artensterben und die Vernichtung von Ökosystemen eine ähnliche Bedeutung zukommt wie dem Pariser Klimaabkommen für den Kampf gegen die Erderwärmung.

„Vor 30 Jahren in Rio haben wir als Welt noch nicht die enge Verbindung zwischen den Krisen verstanden“, sagte Mrema. „Deshalb wurden drei Konventionen aufgesetzt, und die einzelnen Probleme werden seitdem separat verhandelt.“

Die von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen geprägten Realitäten der vergangenen Jahre hätten aber allen vor Augen geführt, wie eng Klimawandel, Naturzerstörung und Ernährungskrise miteinander verknüpft seien. „Heute erkennen wir das an, was wir vor 30 Jahren noch nicht anerkannt haben“, sagte die Diplomatin.

Eine Drohnenaufnahme eines feuchten Bruchwaldes im Baltikum von oben.
Artenreiche Bruchwälder sind wertvolle Lebensräume und Kohlenstoffspeicher in einem. Das Konzept der Nature-based Solutions verbindet über ihren Schutz den Kampf gegen den Klimawandel und gegen das Artensterben.

Auch Weltklimarat hebt Bedeutung des Naturschutzes hervor

Die entscheidende Rolle intakter Ökosysteme für einen erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel wird auch von den wissenschaftlichen Gremien aller drei UN-Konventionen seit einiger Zeit anerkannt.

So hat der Weltklimarat IPCC in seinem aktuellen Sachstandsbericht dem Naturschutz eine zentrale Bedeutung im Kampf gegen die Erderwärmung zugebilligt und sich so ausführlich wie kein IPCC-Bericht zuvor mit der Wechselwirkung von Klimawandel und Artensterben beschäftigt. Auch die IPCC-Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass sich der Klimawandel nur dann erfolgreich bekämpfen lasse, wenn gleichzeitig auch die Ökosysteme geschützt und die biologische Vielfalt erhalten werde.

Klimarat unterstützt 30%-Ziel

Wo Wälder gerodet, Moore entwässert und viele weitere Ökosysteme entwertet würden, verliere die Natur auch ihre Fähigkeit, Treibhausgase zu speichern, warnen die Forscher. Schon heute stießen beispielsweise einige Regionen des Amazonas unter dem Strich mehr Treibhausgase aus als sie binden könnten, weil sie durch Temperaturextreme, Dürre und Holzeinschlag in ihrer ökologischen Fähigkeit geschwächt seien. Die volle Klimaschutz-Wirkung könnten aber nur intakte Ökosysteme leisten. Der IPCC spricht sich deshalb dafür aus, 30 bis 50 Prozent der Erdoberfläche für die Natur zu reservieren. Damit stützt er eine Kernforderung zahlreicher Staaten für die bevorstehende Weltbiodiversitätskonferenz in Montreal.

Klima und Biodiversität sind beide gleich entscheidend für das Überleben der Menschheit und gegenseitig voneinander abhängig

Klimaforscher Hans-Otto Pörtner

Trotz dieser Erkenntnisse wird dem Biodiversitätsschutz international aber deutlich weniger Aufmerksamkeit zuteil als dem Klimaschutz. Während beispielsweise beim Klimagipfel in Ägypten mehr als 100 Staats- und Regierungschefs das Wort ergriffen, sollen zum Weltnaturgipfel in Kanada keine der Spitzenpolitiker eingeladen werden.

„Klima und Biodiversität sind beide gleich entscheidend für das Überleben der Menschheit und gegenseitig voneinander abhängig“, sagte vor kurzem auch der führende IPCC-Vertreter Hans-Otto Pörtner im RiffReporter-Interview. „Diese Wechselbeziehung anzuerkennen, falle vielen noch schwer, sei aber eine wichtige Voraussetzung, um gegen beide Krisen erfolgreich zu sein. „Diese Erkenntnis weiter zu verankern und gemeinsame Lösungswege anzustreben, wünsche ich mir als Kernbotschaft von der Klimakonferenz in Ägypten auf dem Weg zur Naturkonferenz“ sagte Mrema.

Im Projekt „Countdown Natur“ berichten wir mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden von der Hering Stiftung Natur und Mensch gefördert. Sie können weitere Recherchen mit einem Abonnement unterstützen.

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