Fischbisse, Sonnencreme, heilende Algen: Meeres-Profis beantworten Ihre Fragen Teil II

Bei Wunden ins Meer oder nicht? Taugt korallenfreundliche Sonnencreme? Und welche Tiere außer Quallen können uns in heimischen Meeren gefährlich werden? Lesen Sie sich schlau über Sea, Skin & Sun, der nächste Urlaub kommt bestimmt!

vom Recherche-Kollektiv Ozean & Meere:
5 Minuten
Foto zeigt einen Petersfisch, der sich im Sand des Meeresbodens tarnt

Sollte ich mit einer Wunde aufs Meerbad verzichten, oder ist es sogar heilsam, im Salzwasser zu baden?

Antwort von: Andreas Montag, Hautarzt in Hamburg und Autor des Fachbuchs „Gifttiere und Haut“ (erscheint 2023 im Springer-Wissenschaftsverlag)

„Mit kleineren Kratzern oder Verletzungen, die nicht mehr bluten, empfehle ich durchaus, ins Meer zu gehen – es sei denn, man ist Risikopatient:in und badet bei höherer Vibrionenbelastung in der Ostsee. Für alle anderen hat die Kombination aus Meersalz, Algen und einer milden Sonnenstrahlung eine wunderbar heilungsfördernde Wirkung. Nicht umsonst nützen wir in der Medizin Alginate – das sind Extrakte aus Braunalgen, die als Wundauflagen, Kompressen oder Tamponaden verwendet werden, um chronische Wunden zu versorgen.“

Was kann man tun?

Das Portrait zeigt den Hamburger Hautarzt Andreas Montag am Strand,
Hautarzt Andreas Montag, Experte für Gifttiere, weiß aus eigener Erfahrung, wie sich ein Muränenbiss anfühlt; sehr schmerzhaft.

"Gereizte Haut wie etwa bei Neurodermitis oder Schuppenflechte reagiert auch ganz vorzüglich auf Meerwasser + UV-Strahlung. Daher liegen viele renommierte Hautkliniken an der Küste, wie etwa auf Sylt oder Borkum. Auch für angegriffene Schleimhäute – bei Menschen mit Asthma oder Allergien – wirkt Meerluft Dank der feinen Salzwasseraerosole positiv auf die Entzündungen der Bronchien. Das wussten bereits die alten Griechen und Römer und schickten Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen ans Meer.

Doch Achtung: Wenn eine Wunde beim Baden brennt, ist das ein Signal des Körpers, besser nicht ins Meer zu gehen, bis die Reizung abgeklungen ist. Bei größeren und/oder noch blutenden Wunder rate ich von einem Bad klar ab. Da ist die Gefahr einer Verunreinigung zu groß. "

Gibt es in Europa außer giftigen Quallen andere Meereswesen, die uns beim Planschen gefährlich werden können?

"Im Mittelmeer kann ein Kontakt mit Seeanemonen ähnliche Schmerzen auslösen wie die Begegnung mit einer Feuerquallen (siehe dazu Teil I). Die giftigen Borsten des Feuer-Borstenwurms können auch schmerzhaft pieksen. Bei beiden gilt – wie bei Korallen – das eigentlich Selbstverständliche: einfach nicht anfassen.

Richtig Pech hat, wer aus Versehen auf ein Petermännchen tritt – der gut getarnte Stachelflosser, auch Petersfisch genannt, ist im Atlantik wie in Nord- und Ostsee beheimatet und liegt gern flach auf dem Sandboden herum. Das Gift in seinen Stacheln ist neurotoxisch und tut wahnsinnig weh, kann auch Taubheitsgefühle, Übelkeit oder Schwindel auslösen. "

Was tun?

"Hitze hilft gegen die Schmerzen, weil sie das Gift selbst oder die durch das Gift in der Haut gebildeten entzündlichen Stoffe zerstört; ich empfehle da ein heißes Fußbad oder einen erhitzten Messerrücken aufzudrücken – aber nicht verbrennen dabei!

Ich habe einmal beim Tauchen eine Muräne überrascht, die sich von mir bedroht fühlte und zubiss. Zum Glück war sie nur daumengroß! Ausgewachsene Muränen können tiefe Bisswunden verursachen, und weil die Aasfresser, ähnlich wie Katzen oder Affen, viele fiese Bakterien im Maul haben, kann das zu fürchterlichen Entzündungen führen. Selbst bei kleinen Wunden gilt daher: unbedingt gut desinfizieren. Besser wäre es noch, die Wunde durch einen Arzt ansehen und sorgfältig reinigen zu lassen.

Zuletzt: Die Stacheln von Seeigeln aus Nord- und Ostsee und Mittelmeer sind nicht gefährlich, nur unangenehm und schwierig zu entfernen. Salicyl-Pflaster (vom Arzt verschreiben lassen) weicht die betroffene Haut so auf, daß oberflächliche Stacheln mühelos entfernt werden können. Tiefer eingespießte Stacheln müssen ggf. chirurgisch entfernt werden."

Welchen Schaden richtet Sonnencreme im Meer an?

Antwort von: Jürgen Gandraß, Küstenforscher am Institut für Umweltchemie des Küstenraumes, Helmholtz-Zentrum Hereon:

"Sonnencremes schützen uns Menschen vor Sonnenbrand und Hautkrebs, indem sie UV-Strahlung (kurzwelliges, energiereiches Licht) reflektieren bzw. absorbieren und in Wärme umwandeln. Moderne Sonnenschutzcremes enthalten eine Kombination verschiedener UV-Filter, um den gesamten Bereich der schädlichen Strahlung möglichst gut abzudecken. Die EU-Kosmetikverordnung regelt, welche UV-Filter zugelassen sind – sie kümmert sich allerdings nur um eine gesundheitliche Unbedenklichkeit, nicht um Umweltaspekte.

Das Foto zeigt den Meeresküsten-Experten Jürgen Gandrass an Bord eines Hereon-Forschungsschsschiffs – bei überschaubarer UV-Strahlung
Meeresküsten-Experte Jürgen Gandraß im Einsatz auf einem Hereon-Forschungsschiff – bei überschaubarer UV-Strahlung

Seit 2008 wissen wir aus Laborversuchen, dass bestimmte UV-Filter in höheren Konzentrationen die sogenannte Korallenbleiche auslösen können.Sie attackieren nicht die Korallen selbst, sondern die einzelligen Algen, die mit ihnen in einer symbiotischer Gemeinschaft leben und sie mit Zucker und anderen Nährstoffen versorgen. Sterben diese Algen ab, bleichen die Korallen erst aus und verenden dann womöglich ebenfalls. Zu den für Korallen schädlichen UV-Filtern zählen insbesondere Benzophenon-3 (BP-3) und Octinoxat (EMC).

Wo viele Touristen baden, können durchaus bedeutende Mengen dieser Stoffe ins Meer gelangen. Gibt es dort Korallenriffe, die durch die zunehmende Versauerung und Erwärmung des Meeres ohnehin schon unter Stress stehen, ist die Chemie dann ein zusätzlicher Stressfaktor. Im schlimmsten Fall führt er zum Absterben der Algen. "

Das Foto zeigt in fest verankertes Touri-Floß am Great Barrier Reef, von dem aus täglich Hunderte Menschen zum Schnorcheln oder Tauchen ins Meer springen,
Ein fest verankertes Tauchfloß am Great Barrier Reef: Täglich springen hier Hunderte Tourist:innen ins Wasser, die allermeisten zum Schutz von Riff und Mensch mit Ganzkörper-Anzügen

Was tun?

"Hawaii hat daher am 1. Januar 2021 als erster US-Bundesstaat die Verwendung von Sonnenschutzmitteln verboten, die BP-3 oder EMC enthalten. Palau, eine Inselgruppe im westlichen Pazifik, hatte die Verwendung von Sonnenschutzcremes mit diesen beiden UV-Filtern bereits 2020 untersagt. Auch in thailändischen und mexikanischen Nationalparks sowie den Karibikinseln Bonaire und Aruba sind sie nicht mehr erlaubt.

Ob diese oder andere UV-Filter auch negativ auf Riffe und andere Meeresorganismen in heimischen Meeren wirken (Nordsee/Ostsee/Mittelmeer) ist bislang nicht genügend untersucht. Unter Verdacht steht, dass einige von ihnen unter anderem bei Fischen hormonelle Veränderungen auslösen. Die Europäischen Chemikalienagentur lässt derzeit in ihrem Aktionsplan beobachten, inwiefern sie in Gewässern und auf deren Bewohner wirken.

Man erkennt es mit einem Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe: Sind Nanopartikel enthalten, steht „(Nano)“ in Klammern dahinter.

Jürgen Gandraß, Hereon/Helmholtz

Schützen Sie sich am und im Meer am besten mit Sonnenhut, Sonnenbrille und geeigneter Kleidung. Wählen Sie ein “wasserfestes” Sonnenschutzmittel, bestenfalls mit dem Zusatz „Konform mit dem Hawaiianischen Riffgesetz“. Und ohne Nanopartikel (Titandioxid) oder Mikroplastik, da diese unter Verdacht stehen, zu Umweltschäden beizutragen – man erkennt sie mit einem Blick auf die Liste der Inhaltsstoffe: Sind Nanopartikel enthalten, steht „(Nano)“ in Klammern dahinter. Aktuelle Verbrauchertests und Informationen etwa von der Stiftung Meeresschutz können bei der Auswahl helfen. Wenn sie dann noch ein wenig warten, bis die Sonnencreme nach dem Einschmieren in die Haut eingezogen ist, bevor Sie ins Wasser gehen, wirkt sie am besten und gibt am wenigsten Substanzen ins Meer ab.Grundsätzlich gilt: Meiden Sie wenn möglich die Sonne während der Mittagszeit, da dann die UV-Strahlung am intensivsten ist. Und nutzen sie Sonnencremes, die Octocrylen enthalten, nicht erst Jahre nach dem Kauf, da sich in ihnen über längere Zeit das vermutlich krebserzeugende Abbauprodukt Benzophenon bilden kann."

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