Bundesregierung ernennt Potsdamer Forscher zum ersten Meeresschutzbeauftragten

Sebastian Unger vom Nachhaltigkeitsinstitut IASS soll künftig den Schutz des Ozeans forcieren. Der schlechte ökologische Zustand von Nord- und Ostsee und internationale Verhandlungen stellen ihn vor große Herausforderungen

vom Recherche-Kollektiv Ozean & Meere:
3 Minuten
Wellen im Sturm.

Die Bundesregierung hat sich nach Informationen von RiffReporter auf die Besetzung des neu geschaffenen Amtes eines Meeresschutzbeauftragten verständigt. Diese Position soll in Kürze der Meeresexperte des Potsdamer Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), Sebastian Unger, übernehmen. Unger wird gleichzeitig neuer Leiter der Unterabteilung „Schutz der Meere“ im Bundesumweltministerium, erfuhr RiffReporter von mehreren mit dem Vorgang vertrauten Personen.

Unger leitet gegenwärtig als Forschungsgruppenleiter den Bereich „Ocean Governance"am IASS. Der Biologie gilt als einer der besten Kenner der Probleme im internationalen Meeresschutz und in der Meerespolitik. Am IASS arbeitet er seit 2011, zuerst als wissenschaftlicher Koordinator von IASS-Gründungsdirektor Klaus Töpfer, seit 2016 als Leiter des Bereichs Ocean Governance. Zuvor war er unter anderem stellvertretender Leiter der OSPAR-Kommission zum Schutz des Nordost-Atlantiks. In dieser Funktion war er nach Angaben des IASS an der Ausweisung des weltweit ersten Schutzgebietsnetzwerks auf der Hohen See und an zwischenstaatlichen Verhandlungen zu Meeresbiodiversität und der Offshore-Öl- und Gasförderung beteiligt.

Umweltministerin Lemke will Fokus auf Meeresschutz legen

Bundesumweltministerin Steffi Lemke will einen besseren Schutz von Nord- und Ostsee zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen. Vor Unger liegt eine Mammutaufgabe. Nord- und Ostsee geht es schlecht und die Konflikte zwischen Naturschutz und ökonomischen Interessen prallen dort noch ungebremster aufeinander als in vielen Land-Ökosystemen. Die Ziele der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, die europäischen Meere bis zum Jahr 2020 in einen guten Erhaltungszustand zu versetzen, wurden verfehlt.

Sebastian Unger trägt eine Brille und ein Sakko, er lächelt.
Sebastian Unger, der erste Meeresschutzbeauftragte der Bundesregierung

Bisher gibt es in der Bundesregierung das Amt einer Koordinatorin für Maritime Wirtschaft und Tourismus, das beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist. Es wird seit Januar von der Grünen-Politikerin Claudia Müller ausgeübt. Ungers Stelle wird nun am Bundesumweltministerium neu geschaffen.

Naturschützer sehen es als eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Meeresschutzbeauftragten an, aus den bislang weitgehend nur auf dem Papier existierenden geschützten Gebieten echte Schutzgebiete zu machen. Bislang findet dort beinahe flächendeckend Fischerei und andere Ausbeutung – etwa Kiesabbau – statt. Die Küsten sind stark munitionsbelastet, vor allem die Ostsee mit einem Übermaß an Nährstoffen belastet. Die Ampel-Koalition plant zudem einen massiven Ausbau der Windenergie-Nutzung auf dem Meer.

Der Ozean ist größter Lebensraum und Klimazentrale der Erde

Auch weltweit steht der Meeresschutz vor großen Herausforderungen. Der Ozean macht nicht nur rund 70 Prozent der Erdoberfläche aus, er stellt auch weit über 90 Prozent des belebten Raums und ist für das Weltklima von zentraler Bedeutung. Ein erheblicher Teil der zusätzlichen Wärme, die durch Treibhausgase entsteht, hat bisher das Meer aufgenommen und zudem auch einen erheblichen Teil des Kohlendioxids, was zu einer Versauerung und Gefahren vor allem für Korallenriffe führt.

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES warnt vor einem Verschwinden der meisten Korallenriffe in diesem Jahrhundert, kommt es zu keinem grundlegenden Kurswechsel. Ein weiteres großes Problem ist die Überfischung, in deren Bekämpfung sich auch die Welthandelsorganisation eingeschaltet hat.

Landkarte, die deutsche Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee zeigt.
Um die deutschen Meeresschutzgebiete ist es schlecht bestellt.

Der Meeresschutz spielt auch eine zentrale Rolle beim UN-Naturschutzgipfel, der Anfang Dezember im kanadischen Montreal stattfinden wird. Dabei geht es um verbindliche Ziele des Staatengemeinschaft bis zum Jahr 2030, vergleichbar dem Pariser Klimavertrag. Zu den Zielen für den Ozean soll unter anderem zählen, bis 2030 die Ausdehnung der geschützten Fläche von heute acht Prozent auf 30 Prozent zu erweitern und zudem die Überfischung zu beenden.

Lemke hat eine Offensive für den Meeresschutz angekündigt. Im Koalitionsvertrag werden ökologisch intakte Meere als Schlüssel für Klima- und Biodiversitätsschutz benannt. „Schutz, Sicherheit und nachhaltige Nutzung der Ozeane wollen wir miteinander in Einklang bringen“, heißt es dort. Zehn Prozent der deutschen Außenwirtschaftszone (AWZ) sollen, wie in der EU-Biodiversitätsstrategie vorgesehen, unter strengen Schutz gestellt werden. Von Brisanz ist die Festlegung im Koalitionsvertrag, dass die Ampelkoalition „keine neuen Genehmigungen für Öl- und Gasbohrungen jenseits der erteilten Rahmenbetriebserlaubnisse für die deutsche Nord- und Ostsee erteilen“ will.

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