Biodiversität in den Anden: Vom „Kartoffelmädchen“ zur Hüterin der Vielfalt

Anfangs waren Kartoffeln für Maria Mayer Forschungsobjekte. Doch seit vielen Jahren setzt sie sich für die Bauern ein, die in den Anden die Vielfalt der Pflanze bewahren.

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
9 Minuten
Weißhaarige Frau mit runzligem Gesicht und rotem langärmligen Pullover blickt in die Kamera, vor sich auf dem Tisch liegen mehrere Kartoffeln.

„Aha, eine Leontina, und das hier ist eine Runtus, und hier haben wir eine Huayro macho.“ In Maria Mayers Händen werden schrumpelige Knollen zu Kleinoden mit eigenem Namen. Fast so, als ob es sich bei den roten, violetten, braunen oder schwarzen Bollen um eigenständige Lebewesen handele und nicht um Speicherknollen der Kartoffelpflanze.

Mit geübtem Blick erkennt Maria Mayer sofort, aus welcher Gegend die Kartoffeln stammen, die vor ihr auf dem Tisch liegen, zu welcher Sorte sie gehören. Auf ihrem Balkon im achten Stock ihrer Wohnung in Lima, mit dem fischigen Geruch des Pazifik in der Nase, klassifiziert sie die Kartoffeln, die ihr „ihre“ Bauern aus den Anden geschickt haben.

Wenn das Coronavirus nicht dazwischen gekommen und das Reisen auch innerhalb von Peru schwierig gemacht hätte, dann wäre Maria Mayer selber hochgefahren in die Berge und hätte mit eigenen Händen die Kartoffeln aus der Erde gebuddelt. Dort oben, in der Nähe ihrer Geburtsstadt Huancayo, begann ihre Laufbahn als Kartoffelbewahrerin.

Eine glückliche Fügung

Dass Maria Mayer de Scurrah, heute 76 Jahre alt, Kartoffelforscherin werden sollte, war ihr nicht in die Wiege gelegt. Und noch viel weniger, dass sie ihr Leben heute dem Erhalt der alten Sorten widmet und den Bauern, die sie hoch oben in den Anden erhalten.

„Serendipity“, eine glückliche Fügung, sei es gewesen, dass die Kartoffel ihren Weg gekreuzt habe, sagt sie. Wenn auch auf Umwegen. Als Tochter deutscher Eltern wuchs sie in Huancayo auf, einem Andenstädtchen auf 3.300 Metern Höhe in den peruanischen Zentralanden. Der Vater hatte eine Eisenwarenhandlung, die drei Kinder besuchten eine methodistische Privatschule.

75-jährige Frau mit weißen Locken und runzligem Gesicht und rotem Wollpullover steht an einem Tisch und begutachtet Kartoffeln.
Die peruanische Kartoffelforscherin María Mayer begutachtet alte Sorten.
Schwarzweissfoto aus dem Jahre 1976. Gruppenbild von acht weissen Männern verschiedensten Alters. In der ersten Reihe eine junge, kleine, zierliche Frau.
1976 war die promovierte Pflanzenpathologin Maria Mayer die einzige weibliche Forscherin am Internationalen Kartoffelzentrum in Lima.
Nahaufnahme eines Kopfsteinpflasters, zwei der Pflastersteine sind golden eingefasst und mit je einem Namen samt Geburts- und Todesdatum versehen: Heinrich Mayer und Marie Mayer, verstorben 1942 in Theresienstadt resp. 1944 in Auschwitz.
In Hamburg erinnern zwei Stolpersteine an die Großeltern von Maria Mayer, die beide im KZ ermordet wurden.
Landschaftsbild, im Hintergrund ein Berg, im Vordergrund grüne Pflanzen mit lila Blüten, blühende Kartoffelpflanzen. Mitten drin ein Mann mit Hut und eine weisshaarige Frau mit Anorak und rotem Pulli.
Die Kartoffelforscherin und -aktivistin Maria Mayer mit einem „ihrer“ Bauern auf dem Feld.
Nahaufnahme von vielfältigen Kartoffeln, klein, groß, verschiedene Formen und Farben.
Die alten Kartoffelsorten wachsen ab 3.000 Metern Höhe und haben sehr viel mehr Nährstoffe als die gezüchteten Sorten.
Eingangsbereich eines modernen Hochhauses. Eine Frau mit beiger Cordhose und rotem Pulli, weissen Locken und Mundschutz, tippt etwas in einen Taschenrechner. Vor ihr auf dem Boden eine Kiste mit Kartoffeln.
Maria Mayer und Yanapai haben während der Corona-Pandemie einen Lieferdienst für alte Kartoffelsorten in Lima aufgezogen. Hier berechnet sie den Preis für die Abholung vor dem Eingang des Hochhauses, in dem sie wohnt.