Glyphosat-Verlängerung in der EU: Wie es in Deutschland jetzt weitergeht
Die EU-Kommission hat eine Neuzulassung von Glyphosat für weitere zehn Jahre angekündigt. SPD, Grüne und FDP hatten jedoch in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ Ganz so einfach ist es aber nicht. Wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Warum hat sich Deutschland auf EU-Ebene enthalten?
Die EU-Kommission hat im September vorgeschlagen, die Zulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre zu verlängern. Am 13. Oktober stimmten die Mitgliedsstaaten darüber im zuständigen Ausschuss SCoPaffab. Es gab keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen einen Antrag der EU-Kommission. Deutschland hatte sich in dieser Abstimmung und auch im Berufungsausschuss am 16. November enthalten.
Die Ampel-Koalition ist sich in der Glyphosat-Frage nicht einig. Zwar positionierte sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gegen Glyphosat. Die FDP dagegen wollte eine Verlängerung des Pestizids durchsetzen. Wenn sich die Bundesregierung nicht einigen kann, muss sie sich auf Basis ihrer Geschäftsordnung enthalten. Das hat Özdemir also getan – anders als der damalige Minister Christian Schmidt (CSU). Schmidt stimmte 2017 gegen den Willen seines Koalitionspartners SPD für eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat um weitere fünf Jahre. Ohne das deutsche Ja hätte es 2017 nicht die notwendige Mehrheit gegeben, der Wirkstoff wäre also in der EU längst nicht mehr zugelassen.
Koalitionsversprechen: Besteht in Deutschland ab 2024 Glyphosat-Verbot?
Nachdem keine qualifizierte Mehrheit unter den EU-Mitgliedstaaten für oder gegen eine erneute Zulassung des umstrittenen Herbizids zustande kam, oblag die Entscheidung der EU-Kommission. Sie verkündete umgehend ihre Entscheidung, den Wirkstoff Glyphosat für weitere zehn Jahre zu genehmigen. Das bedeutet, dass Deutschland Glyphosat nicht im Alleingang auf nationaler Ebene verbieten kann.
Grundsätzlich ist die Zulassung von Pestiziden ein zweistufiges Verfahren: Die Wirkstoffe werden von der EU-Kommission zugelassen. Die Produkte mit den genehmigten Wirkstoffen benötigen im nächsten Schritt noch eine nationale Zulassung. In Deutschland ist die Zulassungsstelle das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrer Koalitionsvereinbarung versprochen: „Wir nehmen Glyphosat bis 2023 vom Markt.“ Ganz so einfach ist es aber nicht.
Schief ging etwa der Plan von Luxemburg: das Großherzogtum hatte die Verwendung von Glyphosat ab Januar 2021 trotz der geltenden EU-weiten Zulassung verboten. Diese Entscheidung wurde jedoch im März 2023 gerichtlich gekippt.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sagte, er wolle nun genau prüfen, welche „nationalen Handlungsmöglichkeiten wir haben, um den Koalitionsvertrag so weit wie möglich umzusetzen.“
Das Agrarministerium kritisierte überdies, dass auf EU-Ebene keine anerkannte wissenschaftliche Methode zur Bewertung des Risikos für die Artenvielfalt zur Verfügung stehe. Deutschland forderte von der EU-Kommission daher, „der EFSA ein Mandat zur Verwendung der von Deutschland bereits vorgestellten Interimsmethode zur Bewertung der Biodiversität“ zu erteilen, so ein Sprecher des BMEL. Damit können die aus deutscher Sicht vorhandenen „Datenlücken schnell und zuverlässig geschlossen werden“.
Für Deutschland besteht dann nun die Möglichkeit, außerhalb von EU-Recht Schutzmaßnahmen für Glyphosat festzulegen. „Sollte die Kommission Glyphosat erneut genehmigen, werden wir darüber beraten, was zu tun ist, um Artenvielfalt, Gewässer und Böden angemessen auf nationaler Ebene zu schützen und die Ziele des Koalitionsvertrages in dem nun vorgegebenen unionsrechtlichen Rahmen weiter verfolgen zu können. So ist es unter anderem möglich, dass wir bestehende Bestimmungen weiterführen und weitere Einschränkungen zur Anwendung von Glyphosat auf den Weg bringen“, hatte ein Sprecher des BMEL vor der Entscheidung mitgeteilt.
Sogenannte Risikominderungsmaßnahmen sind beispielsweise Beschränkungen von Anwendungen oder der Ausschluss bestimmter Anwendergruppen. Denkbar wäre, dass bestehende Einschränkungen für Spielplätze und Wasserschutzgebiete verlängert und ausgeweitet werden.
Welche Auflagen sind mit der Glyphosat-Entscheidung verbunden?
Glyphosathaltige Herbizide werden in Deutschland meist im Ackerbau verwendet, um Felder unkrautfrei zu machen. Im Obst- und Weinbau halten sie den Boden rund um die Stämme unkrautfrei. Beides bleibt weiterhin erlaubt. Anders dagegen die Behandlung von Pflanzen unmittelbar vor der Ernte, um sie schneller reifen zu lassen. Diese sogenannte Sikkation soll gänzlich untersagt werden.
Glyphosat wird also erneut für ganz konkrete Anwendungen zugelassen – die nach dem Willen der EU reglementiert sein sollen. Einige Beispiele: Die Mitgliedstaaten sollen einen besonderen Fokus auf unerwünschte Wirkungen der Beimischungen des Pflanzenschutzmittels legen. Sie müssen außerdem klären, wie hoch die mögliche Belastung für Verbraucher:innen durch Glyphosat-Rückstände sein könnte, die auch in Folgekulturen zu finden sein könnten. Auch sollen Landwirte mindestens fünf Meter breite, nicht besprühte Pufferstreifen am Feldrand einhalten. Doch diese Vorgaben seitens der EU für mehr Schutz sind mit Ausnahme der Sikkation rechtlich unverbindlich.