Das Mädchen, das den Steinadler knuddelt

Der Film „The Eagle Huntress“ über eine junge Nomadin ist sehenswert – trotz gravierenden Fehlern.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
5 Minuten
ein Mann, der einen Vogel hält, mit einem schneebedeckten Berg im Hintergrund [AI]

Die Geschichte des preisgekrönten Dokumentarfilms „The Eagle Huntress“ (2016) ist einfach und daher rasch erzählt. Aisholpan, ein 13-jähriges Mädchen aus der Mongolei, möchte dem Weg ihrer männlichen Vorfahren folgen und Adlerjäger werden. Eines Tages reitet sie deshalb mit ihrem Vater ins Altai-Gebirge, um nach einer gefährlichen Kletterpartie ein junges, noch nicht flugfähiges Steinadler-Weibchen aus einem Nest zu holen. Die kasachischen Nomaden richten die Steinadler vor allem für die Jagd auf Füchse und Hasen ab.

Aisholpan zeigt nicht nur keinerlei Furcht vor dem mit Klauen und Schnabel bewehrten Greifvogel, sie verfügt auch über grosses Talent im Umgang mit dem wilden Tier. Bald beherrscht sie die Techniken der Beizjagd so gut, dass sie an einem Wettkampf teilnehmen kann und dort gegen erfahrene männliche Adlerjäger gewinnt. In einer Disziplin stellt sie gar einen neuen Rekord auf. Trotz abschätziger Bemerkungen einiger Adlerjäger wagt sie es, im strengen Winter auf die Jagd zu gehen. Nach einigen missglückten Versuchen gelingt es ihr, mithilfe ihres Steinadlers einen Fuchs zu erlegen. Nun ist Aisholpan eine richtige Adlerjägerin geworden.

Der Regisseur Otto Bell preist den knapp 90-minütigen Dokumentarfilm als eine Geschichte der Emanzipation an: Ein Mädchen setzt sich in einer nomadischen Tradition gegen eine männliche Übermacht durch. Das tönt zwar gut, stimmt aber nicht.

Aisholpan ist beileibe nicht die erste Adlerjägerin. Zwar sind die meisten Adlerjäger Männer, doch bei den Nomaden war den Frauen die Beizjagd nie verwehrt, wie die Historikerin Adrienne Mayor der Universität Standford in einem Essay schreibt. Archäologische Funde zeigen, dass Frauen bereits vor über 2000 Jahren dieselben Jagdpraktiken betrieben wie die Männer. Das harte nomadische Leben erforderte es, dass sich beide Geschlechter auf der Jagd behaupten konnten. Es gab berühmte Vorgängerinnen von Aisholpan. Zum Beispiel Prinzessin Nirgidma, deren Ruf als stolze Adlerjägerin im vergangenen Jahrhundert bis nach Europa reichte. Die 1983 verstorbene Nomadin sah sich als eine emanzipierte Mongolin. Und erst vor wenigen Jahren gingen Bilder von Makpal Abdrazakova durch die Medien, einer Jägerin, die ebenfalls Wettkämpfe mit ihrem Steinadler in Kasachstan bestritt.