Zwischen Erschöpfung und Wut: Warum die Proteste in Peru längst nicht vorbei sind

67 Tote und keine Lösung in Sicht: Jaime Borda vom Netzwerk Red Muqui erklärt, wie Polizei und Armee Muster aus dem Kampf gegen Bergbau-Gegnerïnnen wiederholen und wie Menschenrechtsorganisationen unter Druck geraten.

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Auf beiden Seiten einer breiten Straße, wahrscheinlich Autobahn, gehen Menschen auf die Kamera zu. Es sind hunderte, vielleicht tausende, bis zum Horizont. Sie haben dunkle Haut, tragen alle Hüte oder andere Kopfbedeckungen. Die meisten Frauen tragen Röcke, Schürzen und lange Zöpfe. Es sind ein paar Kinder zu sehen und jemand schiebt ein Fahrrad. Rechts und links sind niedrige Gebäude zu sehen, die unverputzt und nicht fertig gebaut sind. Es ist eine ärmere Gegend.

Seit Dezember gehen Menschen in Peru auf die Straßen – vor allem indigene Quechua und Aymara, also Bauern und Bäuerinnen in den ländlichen Regionen. Sie wollen die neue Präsidentin Dina Boluarte und das alte Parlament loswerden.

Der linke indigene Außenseiter Pedro Castillo, ein Grundschullehrer und Gewerkschaftsführer ohne politische Erfahrung, hatte sich bald nach seiner Wahl zum Präsidenten als unfähig entpuppt. Zugleich tat die rechte, korrupte Mehrheit im Kongress um die Diktatorentochter Keiko Fujimori alles, um ihn zu blockieren.

Als Castillo im Dezember ankündigte, dass er das Parlament absetzen und verfassungswidrig per Dekret regieren wolle, lieferte er dem Kongress eine Steilvorlage, um ihn loszuwerden. Seitdem sitzt Castillo in Untersuchungshaft – und Dina Boluarte übernahm.

Monatelang protestierten Menschen gegen die neue Präsidentin und den verhassten Kongress (→ Was ist los in Peru? Sechs Fragen und Antworten zur aktuellen Krise). Mittlerweile ist es ruhig geworden. Die Proteste finden vor allem noch in der Region Puno statt, wo die Leute einmal pro Woche für ein paar Stunden dafür die Arbeit niederlegen, und in der Stadt Sicuani (Region Cusco) mit Blockaden.

Doch es ist davon auszugehen, dass sie wieder aufflammen, erklärt Jaime Borda im Interview. Der Journalist und Experte für soziale Konflikte leitet das Netzwerk Red Muqui. Dieser Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen begleitet Gemeinden und Bevölkerungsgruppen, die unter dem Bergbau in Peru leiden – vor allem im Süden des Landes, wo die Proteste gegen die aktuelle Regierung begannen. Borda stammt aus Puno und gehört dem Volk der Quechua an.

Mann Mitte 30 sitzt hinter einem Schreibtisch. Er trägt ein hellblaues Polohemd mit kurzen Ärmeln. Auf dem Schreibtisch Computer, Papierstapel, Wasserglas, Schreibzeug, links ein Druck an der Wand und hinter ihm ein Buchregal, in dem noch Platz ist.
Jaime Borda ist Journalist und Experte für soziale Konflikte. Er leitet das Netzwerk Red Muqui.