Erdöl in Namibia: Fossiler Fluch oder Entwicklungschance?

Trotz bereits spürbarer Auswirkungen der Klimakrise und Potenzialen für erneuerbare Energien setzt die namibische Regierung große Hoffnungen in die Öl- und Gas-Exploration. Die Förderung fossiler Energien soll die sozioökonomische Entwicklung des Landes vorantreiben. Aber in der jungen Generation wächst der Widerstand. Die Sorge gilt Umwelt und Menschen. Die Debatte zwischen Fluch und Chance spaltet das Land.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
13 Minuten
Häuser sind bis auf den Strand gebaut, ein Schiff vor der Küste

Wenn Rinaani Musutua von ihrem Büro nach Hause fährt, ist sie wachsamer als früher. Sie schaut, ob ihr jemand folgt, zuhause angekommen schließt sie zuerst die Vorhänge. Der Grund für diese Vorsichtsmaßnahmen ist der schwelende Konflikt um die Gas- und Öl-Exploration im Nordosten ihrer Heimat Namibia. Erst kürzlich sei dort ein befreundeter Umwelt-Aktivist festgenommen, verhört und eingeschüchtert worden, sagt Musutua. Sie arbeitet für den „Economic and Social Justice Trust“, eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit einsetzt.

Jetzt sitze allen die Angst im Nacken, selbst in der rund siebenhundert Kilometer weit entfernten Hauptstadt Windhoek. Dort sitzen die Regierung und das kanadische Unternehmen ReconAfrica, das die Öl-Exploration durchführt, dort konzentriert sich auch der Protest. Aktivist*innen fragten sich, ob sie bespitzelt würden, ob sie jemand verfolge, ihnen schaden oder sie einschüchtern wolle, damit sie die Kampagne gegen die Öl- und Gas-Exploration einstellen, sagt Musutua.

Einschüchterungen wie zu Zeiten der Apartheid

„Es ist erschütternd, dass so etwas hier in Namibia passiert. Wir kennen diese Art der Einschüchterung aus der Zeit der Apartheid und des Unabhängigkeitskampfes.“ Sie sei sehr enttäuscht, dass sich Namibier dies nun gegenseitig antäten. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen werfen ihrer Regierung vor, das umstrittene Projekt unter dem Deckmantel des Covid-Lockdowns vorangetrieben zu haben und nun gegen alle Widerstände durchzuboxen.

Im Kavango-Becken finden seit rund einem Jahr Probebohrungen statt – dort wo der Okavango ins Nachbarland Botswana fließt und flussabwärts ins Okavango-Delta mündet. Das Weltnaturerbe ist ein Touristen-Mekka und für sein Tierreichtum berühmt. Auf beiden Seiten der Grenze hat sich der kanadische Konzern ReconAfrica Explorationsrechte gesichert und nach eigenen Angaben reiche Öl- und Gas-Vorkommen entdeckt. Während die Probebohrungen in Botswana noch nicht begonnen haben, wird die Exploration im namibischen Teil des Kavango-Beckens bereits ausgeweitet, mit weiteren Probebohrungen und seismischen Untersuchungen.

Außerdem haben die Konzerne Shell und Total zu Jahresbeginn Öl- und Gasfelder vor der Südküste ausgemacht – sie sollen riesig sein. Von einem Jackpot ist die Rede. Auf solche Funde habe Namibia jahrzehntelang gewartet, sagt Kondjeni Ntinda. Der Jurist ist auf Energierecht spezialisiert und hat bis 2021 das Öl- und Gas-Zentrum am namibischen Energie-Institut geleitet. Wenn man sich die durch den Ukrainekrieg weiter gestiegenen Öl-Preise ansehe, wisse man, dass die Ressource Erdöl noch längere Zeit eine Rolle spielen werde, sagt er. „Das sind gute Nachrichten für ein kleines Land wie Namibia. Mit den Einnahmen aus der Öl- und Gas-Förderung und hoffentlich auch einer gewissen Wertschöpfung können wir unsere Wirtschaft ankurbeln, Jobs und neue Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und die soziale Entwicklung vorantreiben. Wir sind also alle ganz aus dem Häuschen. Jeder im Land ist begeistert.”

Die Debatte um die Öl-Exploration spaltet Namibia

Das ist natürlich etwas übertrieben, denn natürlich sind nicht alle davon begeistert, dass Namibia in die Förderung fossiler Energien einsteigen will. Aber diese Überspitzung ist charakteristisch für die öffentliche Debatte im Land, die sich zwischen den Extremen „Jeder ist begeistert“ und „Alle haben Angst“ bewegt. Neben etablierten zivilgesellschaftlichen Gruppen sind es vor allem junge Aktivisten und Aktivistinnen, die gegen die Öl-Förderpläne ihrer Regierung mobil machen. Mit Kampagnen und Petitionen, Protestaktionen und Demonstrationen.

Der junge Mann lächelt in die Kamera, er sitzt in Winterjacke vor einem Bambuszaun
Umweltaktivist Reinhold Mangundu in Windhoek
Eine Sanddüne in der Nachmittagssonne vor blauem Himmel
Düne in Ausläufern der Namib Wüste in Namibia
Kleine Häuschen stehen in einer trostlosen Wüstenlandschaft an der Küste
Siedlung am-Stadtrand der Küstenstadt Swakopmund in Namibia
Der Politikwissenschaftler schaut von seinem Schreibtisch direkt in die Kamera, er hat eine Glatze und einen weißen Bart
Ndumba Kamwanyah, lehrt an der Universität von Namibia
Im Fluss spiegeln sich die Wolken des sonst blauen Himmels, die Ufer sind mit Schilf bewachsen
Okavango Flusslandschaft nahe der Grenze zwischen Namibia und Botswana
Sie steht mit verschränkten Armen vor dem Logo ihrer Organisation, sie trägt einen Pullover, Schal und Sonnenbrille in den Haaren
Rinaani Musutua vor ihrem Büro in Windhoek