Die Klimakämpfer

Was Menschen weltweit gegen die Klimakrise tun.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
4 Minuten
Zu sehen sind Radfahrer auf einer Brücke über ein Gewässer, in sattem Sonnenlicht.

Der Permafrost taut, der Amazonas brennt, die Ahr wird zum reißenden Strom: Längst ist die Klimakrise überall auf der Welt Realität geworden, in Russland und Brasilien ebenso wie in Deutschland oder Mosambik. Die Klimakrise ist nicht mehr zu leugnen, sie hat den Alltag von Menschen weltweit bereits verändert. Ende Oktober bis Mitte November findet in Glasgow die UN-Klimakonferenz (COP26) statt. Zu genau diesem Zeitpunkt erscheint auch unser neues Weltreporter-Buch, das „Klimakämpfer“ aus der ganzen Welt vorstellt. Darin porträtieren wir nicht die großen, bekannten Umweltschützer, sondern Menschen, die meist unbemerkt von den Medien ihr Leben der Bewahrung dieses Planeten widmen. Weitere Texte und Links zum Thema finden Sie in unserem Weltreporter-Newsletter.

Die dänische Stadtarchitektin Stadtarchitektin Camilla Richter-Friis van Deurs hat den „grünen“ Lebensstil ihrer Heimatstadt Kopenhagen jahrelang in die Welt exportiert, indem sie beispielsweise Fahrrad-Programme für Sydney und New York entworfen hatte. Jetzt will sie Kopenhagen dabei helfen, ein ehrgeiziges Ziel zu erreichen: die Metropole soll bis 2025 die erste klimaneutrale Hauptstadt der Welt werden. Wie Dänemark-Reporterin Julia Wäschenbach berichtet, führt der Weg dorthin nach Vorstellung der Architektin über eine neue „Revolution des Verkehrs“. Dazu gehören autofreie Wohnviertel, noch mehr Fahrradbrücken übers Wasser und immer weniger Benziner in der Stadt. Für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren werden in den kommenden Jahren weitere Parkplätze am Stadtrand entstehen.

Isabella Dalla Ragione vor Körben mit unterschiedlichen Äpfeln.
Isabella Dalla Ragione erhält – und verkauft – alte Obstsorten.

Ganz anders die Italienerin Isabella Dalla Ragione: Sie setzt beim Kampf gegen die Klimakrise nicht in der Stadt an, sondern auf dem Land. Vor gut 20 Jahren berichtete Christiane Büld-Campetti zum ersten Mal begeistert über Dalla Ragiones „Garten der verlorenen Früchte“ bei dem umbrischen Städtchen Città di Castello. Die Initiative zum Erhalt alter regionaler Obstsorten hatte bereits ihr Vater ins Leben gerufen. Als sich in den 1960er-Jahren das Agrarland Italien in eine Industrienation verwandelte, wollte der Anthropologe seinen Töchtern Isabella und Laura eine Art Anschauungsunterricht in Sachen „die Welt der Bauern“ ermöglichen. In seiner Nachbarschaft suchte er nach lokalen Obstsorten, um seine Geschichten mit Geschmack und Geruch anzureichern. Ihre Ableger pflanzte er auf die Wiese hinter seinem Haus, wo heute 150 unterschiedliche Varietäten stehen. Um den Garten kümmert sich heute Isabella Dalla Ragione mit der gleichen Leidenschaft und Konsequenz wie ihr Vater.

Lebensmittel vor der Haustür

Gärten sind auch das Lebensthema der US-Amerikanerin Florence Nishida, die Weltreporterin Kerstin Zilm in ihrem Lehrgarten in South Los Angeles traf. Die 83-Jährige pflanzt Essbares direkt vor der Haustür und sieht darin gelebten Klimaschutz: „Das Essen muss nicht quer durch die ganze Welt transportiert werden. Es schmeckt gut und man kommt mit tollen Leuten ins Gespräch.“ Nur wer verstehe, dass alle Menschen miteinander verbunden sind, könne auch erkennen, wie wichtig der Planet Erde ist, so Nishida. Vor harter Arbeit scheut sie dafür nicht zurück: Steinharte Böden bearbeitet sie wenn nötig mit einer Spitzhacke, um anschließend Bohnensamen aussäen zu können.

Pablo López in einer Geste lebhafter Diskussion vor einer Bücherwand.
Der Mexikaner und Waldschützer Pablo López sitzt wegen seines Engagements gegen Abholzung seit Jahren in Haft.

Noch höher ist der Preis, den Pablo López für seinen Einsatz gegen die Klimakrise zahlt: Der Mitfünfziger kämpfte dagegen, dass der Wald rund um sein Dorf San Isidro Aloapam im Süden Mexikos weiter abgeholzt wird. Doch eines Morgens überfielen ihn seine Widersacher und brachten ihn zur Polizei. Seit elf Jahren sitzt Pablo López bereits im Gefängnis, weil er angeblich einen Mord begangen hat. Juristisch haltbar sind die Vorwürfe nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen nicht. Aber wie so oft in Mexiko arbeiten Beamte, Kriminelle und lokale Machthaber eng zusammen, denn sie profitieren auf unterschiedlichen Wegen vom Verkauf des Holzes, berichtet Wolf-Dieter Vogel. Gemeinsam mit Yolanda Pérez und Menschenrechtsorganisationen kämpft López für seine Freilassung.

Kampf für den Lebensraum

Gegen Abholzung kämpfen auch die Dayak Ngaju von Tumbang Mantuhe in Indonesien. Auf der Insel Borneo verschwindet der Regenwald seit Jahrzehnten im Rekordtempo. Riesige Flächen werden für den Anbau von Ölpalmen abgeholzt. Die indigenen Dayak werden aufgrund fehlender Besitzurkunden kaum entschädigt und verlieren oft ihre Lebensgrundlage. Doch die Einwohner des Bezirks Manuhing Raya in Zentralkalimantan wehren sich gegen den Ausverkauf ihrer Heimat. Nachdem sie mit Demonstrationen und gerichtlichen Klagen keinen Erfolg hatten, probieren sie es nun mit einer anderen Strategie, berichtet Tina Schott aus Indonesien: der Rückbesinnung auf ihre Traditionen. Indem sie ihre Dörfer unter den kulturellen Schutz der Regierung stellen lassen, wollen sie die Zerstörung ihrer Umwelt stoppen. Nicht alle sind mit einer Rückkehr zur Vergangenheit einverstanden – aber eine Mehrheit der Bewohner sieht dies als einzige Chance, die Zukunft der nächsten Generation zu sichern.

Neuer Wald in Mosambik

Einen Wald gepflanzt hat Allan Schwarz in Mosambik. Die Bäume stehen inmitten einer Region, in der Wälder in großem Stil abgeholzt wurden, wo Brandrodungen verbreitet sind und wo Tropenstürme, wie Zyklon Idai 2019, Existenzen und Landstriche zerstören. Im Norden der mosambikanischen Hafenstadt Beira hat Schwarz das Mezimbite Forest Center aufgebaut. Sein Konzept ist im besten Sinne nachhaltig, wie Leonie March beschreibt: Der Wald wird nicht nur geschützt und wächst weiter, er bietet vielen Familien auch neue Perspektiven und eine Lebensgrundlage – vor allem in Krisenzeiten.

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