Der Hüter der Wälder

Ein Besuch im 'Mezimbite Forest Center' in Mosambik

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
8 Minuten
Allan Schwarz, Gründer des Mezimbite Forest Centre, steht vor einem seiner Bäume

Die Zerstörung der Wälder ist für Allan Schwarz nicht erst seit der Debatte um die Waldbrände in Brasilien ein Thema. Vor 25 Jahren hat der Architekt und Umweltaktivist in Mosambik das ‚Mezimbite Forest Center‘ gegründet. Es ist eine der größten Baumschulen des Landes, eine Ausbildungsstätte und ein Modell für nachhaltige Waldwirtschaft. Leonie March hat ihn besucht und mit ihm über sein Engagement und den Zustand der Wälder in Mosambik gesprochen. Ein Land, das auch auf den Satellitenbildern zu sehen ist, die Brände im Südlichen Afrika zeigen. Und eines, das im Frühjahr gleich von zwei verheerenden Zyklonen heimgesucht wurde, Symptome des Klimawandels.

Allan Schwarz und ich sind von der Hafenstadt Beira unterwegs zum ‚Mezimbite Forest Center‘. „Überall hier waren früher einmal Wälder“, erzählt er. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Wir fahren durch flaches, weites, weitgehend baumloses Land mit kleinen Siedlungen und Feldern.

Am Straßenrand verkaufen Händler riesige Säcke Holzkohle. LKW kommen uns entgegen, die teilweise dicke Baumstämme geladen haben. Die Straße, die Beira mit dem Inland verbindet, ist von Sägewerken und Holzlagern gesäumt. „Die meisten gehören chinesischen Holzhändlern“, erklärt Schwarz. Aber mir fällt auf, dass viele dieser Gelände verlassen wirken. Trügt dieser Eindruck?

„Nein. Die Wahrheit ist, dass die Ressource fast ausgeschöpft ist. Es ist kaum mehr möglich einen Profit zu machen. Game Over. Vor dieser Situation habe ich schon gewarnt, als ich das ‚Mezimbite Forest Center“ 1994 gegründet habe. Aber der unkontrollierte Raubbau und die illegalen Holzexporte sind weitergegangen.

Gleichzeitig ist die Studienlage mangelhaft: Nur die Wachstumsraten zweier Baumarten wurden untersucht, für alle anderen gibt es nur grobe Schätzungen. Dabei gibt es hier über 900 verschiedene Nutzhölzer! Statt jedoch Vorsicht walten zu lassen, ging es den Verantwortlichen offensichtlich nur darum, Geld zu machen, schnell und dumm.

Allein in dieser Provinz sind vier Baumarten mittlerweile kommerziell ausgestorben, das heißt dass kein einziger Baum in einer kommerziell nutzbaren Größe übrig ist. Das erklärt, warum die chinesischen Händler weitergezogen sind. Aber man darf nicht nur in ihnen die Schuldigen sehen.

Mosambik hat zwar recht gute Gesetze zum Schutz der Wälder, die ich teils mitformuliert habe, aber sie werden nicht umgesetzt. Holzexporte waren in Mosambik schon immer illegal – und trotzdem waren sie jahrzehntelang an der Tagesordnung. Auch weil jeder chinesische Holzhändler hier von einem hochrangigen politischen Partner protegiert wird.“

Korruption ist ja bekanntlich ein großes Problem in Mosambik – Leidtragende sind in diesem Fall die Wälder. Ich habe gelesen, dass seit den 80er Jahren Wälder auf einer Fläche zerstört worden sind, die größer ist als die Deutschlands. Stimmt diese Größenordnung?

„Die letzte belastbare Studie stammt aus dem Jahr 1963. Damals waren noch 75% von Mosambik von Wäldern bedeckt. Heute können wir uns glücklich schätzen, wenn diese Prozentzahl noch im zweistelligen Bereich liegt. Das ist also ein enormer Verlust.“

Wälder seien viel mehr als nur die „Lunge“ der Erde, betont Allan Schwarz. Sie haben einen Einfluss auf Niederschläge, Temperaturen, Winde, also das gesamte Klima, sowohl regional als auch global. Wir biegen in die unscheinbare Einfahrt des ‚Mezimbite Forest Center‘ ein. Direkt gegenüber verkaufen Händler Holzkohle, so wie überall im südlichen Afrika.

„Etwa 90% der Mosambikanerïnnen haben keine andere Energiequelle zum Kochen. Laut Studien verbraucht jeder Einwohner zwei Tonnen Holz im Jahr. Bei 30 Millionen Einwohnern sind das also enorm viele Bäume, die sich in Rauch auflösen und nicht ersetzt werden. Auch das ist also ein großes Problem.“

Gegenüber der Einfahrt von Mezimbite stehen Säcke mit Holzkohle, die Händler verkaufen.
Holzkohle Verkauf gegenüber von Mezimbite

Allan Schwarz folgt dem schmalen Pfad durch den Wald, den er und sein Team in den letzten 25 Jahren selbst gepflanzt haben. Denn als Mezimbite gegründet wurde, lag das Land brach. Kleinbauern hatten die Felder verlassen, weil die Böden nicht mehr fruchtbar waren. Der Grund dafür ist eine im gesamten südlichen Afrika verbreitete Anbaumethode.

„Zunächst werden natürliche Landschaften, also auch Wälder, zerstört, um Platz für landwirtschaftliche Flächen zu machen. Sowohl von kommerziellen Farmern als auch von Subsistenz-Bauern. Jedes Jahr gegen Ende der Trockenzeit brennen sie ihre Felder ab, unter anderem weil damit Unkraut vernichtet wird und die Asche als Dünger gilt.

Wenn die Böden ausgelaugt sind, ziehen sie weiter. Diese als ‚Slash and Burn‘ bekannte Methode ist sehr destruktiv. Das hat vielleicht vor 10.000 Jahren funktioniert, als die Bevölkerung noch kleiner war und sich die Natur wieder schnell erholen konnte. Aber heutzutage ist das eine Katastrophe.

In Afrika südlich der Sahara werden in jeder Trockenzeit 60% der gesamten Fläche auf diese Weise abgebrannt. Die Böden werden nicht mit Mulch vor den Elementen geschützt. Die Humusschicht und die Bodenorganismen leiden.

Der Kohlenstoff aus der organischen Substanz, der eigentlich in den Böden gespeichert werden sollte, geht ungenutzt in die Atmosphäre. Das verstärkt den Treibhaus- und den Albedo-Effekt (Anm: Anteil an (Sonnen-) Strahlung, die von einer Oberfläche reflektiert wird). Diese Praxis trägt also in großem Maß zu Erderwärmung und Klimawandel bei.“

Vor diesem Hintergrund ärgert sich Allan Schwarz über die Lesart, dass das arme Entwicklungsland Mosambik ein reines Opfer des von Industriestaaten produzierten Klimawandels sei.

„Wir tragen alle auf unsere Weise zu dieser globalen Krise bei. Mosambik beliefert den Rest der Welt mit großen Mengen fossiler Brennstoffe. Wir verbrennen sie zwar nicht selbst, aber sie kommen aus unserer Erde. Gerade sind hier neue große Kohlevorkommen entdeckt worden – 500 Millionen Tonnen sollen jedes Jahr gefördert werden.

Dazu kommen die Gas-Felder im Rovuma-Becken im Norden des Landes, die zu den größten der Welt gehören sollen. Das sind Emissionen, für die wir Mitverantwortung tragen. Ebenso wie für die unkontrollierte Abholzung unserer Wälder, den massiven Holzkohle-Verbrauch und die destruktiven landwirtschaftlichen Methoden.

Es macht mich also wirklich wütend, wenn jemand wie der UN-Generalsekretär uns als arme Opfer darstellt. Das ist nicht nur falsch, sondern auch entmächtigend, bedeutet also, dass wir nur hilflos zuschauen, aber nichts dagegen unternehmen können. Wir sind keine Opfer. Wir tragen zu dem Problem bei. Und wir können ein Teil der Lösung sein.“

Mehrere Bilder aus Mezimbite – zwei Frauen, die einen Weg durch den Wald gehen und Eindrücke aus der Baumschule.
Eindrücke aus Mezimbite

Wie diese Lösung aussehen könnte, erklärt Allan Schwarz auf einem langen Spaziergang durch Mezimbite. Vorbei an seiner Baumschule und der Schreinerei. Wie viele Mosambikanerïnnen er hier schon ausgebildet hat, kann Schwarz nicht beziffern. Es sind viele. Heute bilden sie selbst Lehrlinge aus und stellen unter anderem Möbel und Rohlinge für Musikinstrumente her. Wie passt das zum Waldschutz?

„In den letzten sechs Jahren haben wir kein Holz geschlagen, sondern nur das genutzt, was die Holzhändler hier als Verschnitte zurückgelassen haben. Für sie hat höchstens die Hälfte eines Baums einen Wert, der Rest ist Abfall. Wir sprechen hier von teils vom Aussterben bedrohten Arten wie Palisander. Wir nutzen jeden kleinen Rest, zum Beispiel für Intarsien.

Außerdem unterrichten wir Einheimische in nachhaltiger Waldwirtschaft. Wir haben in den Wäldern der Communities, mit denen wir zusammenarbeiten, erstmal Inventur gemacht. Wir wissen also nicht nur ungefähr, sondern ganz genau, wie viele Bäume es dort gibt, welche Arten, in welchem Alter und in welcher Größe.

Nehmen wir African Blackwood: Dieser Baum braucht 200 bis 300 Jahre, damit das Holz die Qualität hat, die man für die Herstellung von Musikinstrumenten braucht. Einige dieser Bäume stehen an Stellen, die ökologische oder kulturelle Bedeutung haben und daher auch dort bleiben sollten. Eine gewisse Anzahl braucht man für den Erhalt der genetischen Vielfalt und eine großzügige Reserve, um den Verlust von Bäumen, etwa durch Insektenbefall, auszugleichen.

Diese Bäume zieht man von der Gesamtzahl ab und teilt den Rest dann durch 300, also das Alter des Blackwood. Heraus kommt die Anzahl der Bäume, die man nutzen kann. Außerdem wissen wir dann, wie viele neu gepflanzt werden müssen, um einen einzigen gefällten Baum zu ersetzen und dafür zu sorgen, dass die Art nicht nur überlebt, sondern der historische Schaden behoben wird.“

Mehrere Fotos aus Mezimbite – die Schreinerwerkstatt und Möbel, die in Mezimbite aus nachhaltiger Waldwirtschaft gefertigt wurden.
Möbel aus Mezimbite

Die Schreinerei ist nur ein Teil des ganzheitlichen Konzepts – in Mezimbite werden Niem-, Teebaumöl und diverse andere Produkte hergestellt. Der Markt ist international, dank Schwarz‘ Bekanntheit als Dozent u.a. beim Massachusetts Institute of Technology oder der Harvard Universität. Davon profitieren die Einheimischen, rund 150 Angestellte, viele Zulieferer und natürlich die Wälder.

„Ich bin davon überzeugt, dass sich der Schutz der Wälder für die Einheimischen lohnen muss. Vor allem in einem Land wie Mosambik. Ich glaube nicht an Armutsbekämpfung, sondern daran, Wohlstand zu schaffen. Wir müssen also echte Alternativen zur Abholzung der Wälder und den destruktiven landwirtschaftlichen Praktiken schaffen.

Das beginnt beispielsweise schon damit, die Leute als Imker auszubilden. Bienen hassen bekanntlich Feuer und wenn die Menschen mit dem Honig gutes Geld verdienen, werden sie keine Brände mehr legen. Es gibt auch Medizin- und Nutzpflanzen, die im Wald geerntet, verarbeitet und verkauft werden können.

Der Wald bekommt also einen ganz realen Wert, der insgesamt höher ist, als wenn man nur das Holz verkaufen würde. Hier in der Gegend sprechen sich außerdem die Vorteile unserer ökologischen Landwirtschaft herum.“

Mehrere Fotos aus Mezimbite – Allan Schwarz inmitten eines seiner Gemüsefelder und weitere Fotos des nachhaltigen Anbaus.
Gemüseanbau nach Zyklon Idai

Allan Schwarz steht mitten in seinen Gemüsefeldern. Zwischen Bohnen, Spinat, Grünkohl, Salat und vielen anderen Sorten wachsen kleine Bäume, die den Boden mit Stickstoff versorgen und Schatten spenden. Die Beete sind mit dickem Mulch bedeckt. Die Ernte ernährt sowohl seine Angestellten als neuerdings auch seine Nachbarn und rund 3.000 Schulkinder. Denn seit Zyklon Idai im Frühjahr in der Region gewütet hat, ist die Ernährungslage noch kritischer als sonst.

„Die gesamte Nachbarschaft hat ihre jährliche Ernte verloren: Reis, Mais, alles zerstört. Da wir nicht wussten, ob und wann jemand zur Hilfe kommen würde, sind wir selbst aktiv geworden. Wir haben unseren Anbau massiv erweitert. Das Interessante daran war die Reaktion unserer Nachbarn.

Sie sind zu uns gekommen und haben gesagt: ‚Wow, Euch hat es auch hart getroffen, aber während wir alles verloren haben, seid ihr schnell wieder auf die Beine gekommen und füttert jetzt sogar unsere Kinder durch. Wir möchten lernen, wie ihr das macht.

Wir wollen nicht auf Politiker oder Hilfsorganisationen warten, sondern unser Leben aus eigener Kraft verbessern.‘ Das gibt mir Hoffnung: Die einfachen Leute, die ihr Verhältnis zur Umwelt verbessern und sie dadurch verändern.“

Allan Schwarz und ich reden noch bis in den Abend weiter. Mehrmals sagt er, dass er mir seinen Wald gerne vor dem Zyklon gezeigt hätte. Denn viele der älteren Bäume sind Idai zum Opfer gefallen, Gebäude wurden zerstört, noch läuft der Wiederaufbau. Aber der Geist des ‚Mezimbite Forest Center‘ ist ungebrochen.

Quellen der Karten/Abbildungen:

  1. Abbildung „Forest Cover Loss“: Direcção Nacional de Terras e Florestas (DNTF) in Mosambik
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