Kenia: Wo sind die kulturellen und historischen Objekte?

„Invisible Inventories“ 2021: Ausstellungen in Nairobi, Köln und Frankfurt am Main.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
8 Minuten
Im Mittelgrund hängt ein Foto an einer Art Mobile, darauf sind traditionell gekleidete Kenianerinnen und Kenianer zu sehen, die auffällige Schmuckstücke tragen. Im Hintergrund und verschwommen weitere Fotos.

Mehr als 32.501 kulturelle Objekte wurden der kenianischen Gesellschaft gestohlen. Das ist ein Zwischenergebnis des „International Inventories Programme“ (IIP), das die verlorenen kenianischen Kulturgüter in einer digitalen Datenbank erfasst. Die fehlenden Objekte befinden sich in den Beständen von Museen des „Globalen Nordens“: rituelle Schilde, Musikinstrumente, Schmuck, Alltagsgegenstände wie Kämme oder Pfeifen.

Zwei Frauen sind hinten zu sehen, sie betrachten in einer Ausstellung die großflächigen Abbildungen von offensichtlich afrikanischen Objekten.
In der Ausstellung „Invisible Inventories“ im kenianischen Nationalmuseum in Nairobi.

Wie können sie auch in Kenia zugänglich gemacht werden? Mit diesem Anliegen beschäftigt sich das IIP, das zunächst die historischen kenianischen kulturellen Objekten identifizierte und sie dann in einer Datenbank inventarisierte. Für das Projekt haben sich die kenianischen Künsterïnnenkollektive The Nest und SHIFT mit dem Nationalmuseum in Nairobi, dem Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, dem Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main und dem Goethe-Institut zusammengetan.

Daraus sind viele Debatten, weitere Recherchen und die Ausstellungsserie „Invisible Inventories“ hervorgegangen, die in variierenden Ausführungen an drei Ausstellungsorten gezeigt wird. Zwischen März und Mai war sie im kenianischen Nationalmuseum in Nairobi zu sehen, noch bis zum 29. August wird sie im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln gezeigt und ab dem 6. Oktober im Weltkulturen Museum in Frankfurt a.M..

Ein Porträt von Jim Chuchu, einem relativ jungen Mann mit markantem Gesicht.
Der kenianische Künstler und Filmemacher Jim Chuchu.

Der kenianische Künstler und Filmemacher Jim Chuchu ist Gründungsmitglied des Kollektivs The Nestund beteiligt sich am sich am „International Inventories Program“. Ein Gespräch über Identität, historische Deutungshoheit, Männlichkeitsbilder und den fehlenden Respekt vor der Natur.

Sie beschäftigen sich seit 2018 mit der Suche nach kenianischen Kulturgütern in den Museen der Welt. Das ist eine lange Zeit, die Suche ist nicht einfach. Warum sind Ihnen die Rückgabe von kenianischen Kulturgütern und die Debatte darüber so wichtig?

Jim Chuchu: Die Frage der Identität hat in meiner gesamten künstlerischen Praxis der letzten zehn Jahre eine wichtige Rolle gespielt. Ihre Identität ist natürlich für viele Menschen ein Thema, aber ich denke, dass diese Frage hier in Kenia und in den meisten postkolonialen afrikanischen Ländern sehr, sehr sensibel ist, weil Identitäten für uns geschaffen wurden. Wir haben die Grenzen unserer Länder nicht selbst gezogen, nicht wir haben ihnen die Namen gegeben. Nicht viele Menschen denken darüber nach, was das bedeutet. Die kulturellen Objekte repräsentieren in gewisser Weise unsere Identität. Sie sind Teil dessen was wir waren, bevor unsere Geschichte von den Kolonialmächten unterbrochen wurde. Die Objekte halten die Werte der Menschen fest, sowohl ihre materiellen Werte, als auch ihre geistigen Bestrebungen – all diese Dinge, die für die Herausbildung einer Identität sehr wichtig sind. Wenn eine Gesellschaft diese Objekte nicht hat, dann fehlen ihr auch diese Elemente, die ich gerade erwähnt habe.

Im Mittelgrund sind die beiden Löwen von Tsavo zu sehen, und eine Besucherin im Anschnitt.
Von den ausgestopften „menschenfressenden Löwen von Tsavo“ ist in Kenia nur eine Schautafel zu sehen.