Queere Menschen in Kenia: Laut Verfassung gleichberechtigt, im Alltag werden sie verfolgt

Für die LGBTIQ+ – Community ist Kenia ein Land voller Widersprüche: Homosexuelle Handlungen zwischen Männern sind illegal, doch queere Flüchtlinge haben Recht auf Asyl.

vom Recherche-Kollektiv Weltreporter:
6 Minuten
Die Seite eins einer kenianischen Tageszeitung zeigt ein Zitat von Präsident Ruto: So lange ich an der Macht bin, wird es für Schwule und Lesben keinen Platz geben."

Freddie war von Anfang an skeptisch, obwohl viele aus der LGBTIQ+ – Community einen Grund zum Feiern sahen: Am 24. Februar urteilte Kenias Oberster Gerichtshof, dass die Nationale Kommission für die Rechte von Schwulen und Lesben (National Gay and Lesbian Human Rights Commission, NGLHRC) offiziell als Nichtregierungsorganisation (NGO) registriert werden darf. Die kenianische Verfassung garantiere jedem Menschen Gleichberechtigung und Versammlungsfreiheit, so das Gericht und betonte: „Wir sind der Überzeugung, dass dieses Recht jedem Menschen zusteht, unabhängig davon, ob die Ansichten, für die er wirbt, populär sind oder nicht.“ Damit endete ein zehn Jahre dauernder Rechtsstreit.

Erwartungsgemäß begrüßte NGLHRC-Direktorin Njeri Gateru das Urteil. In einer Mitteilung sprach sie von einem „Triumph für Gerechtigkeit und Menschenrechte“. Und weiter: „In einer Zeit, in der die kenianische LGBTIQ+ – Gemeinschaft die zunehmende Verfolgung und Gewalt beklagt, bekräftigt diese Entscheidung den Geist und die Absicht der Verfassung, alle Kenianer zu schützen und ihre Rechte zu garantieren.“

Freddie (der Nachname bleibt zu seinem Schutz ungenannt) ist seit Jahren Mitglied der NGLHRC. Den langjährigen Rechtsstreit um deren Registrierung hatte er trotzdem schon lange nicht mehr verfolgt, vom juristischen Sieg eher zufällig durch andere erfahren. „Das Urteil wird nichts ändern“, sagte der Mitdreißiger am Abend des 24. Februar nüchtern. „Es hat zehn Jahre gedauert, bis uns das Recht der Registrierung zuerkannt wurde“, fasst er zusammen. „Es wird noch weitere zehn Jahre dauern, bis wir als queere Menschen das Recht haben werden, physisch zu existieren.“ Also in Sicherheit zu leben, keinen körperlichen Angriff fürchten zu müssen. „Selbst wenn die Gesetze uns das garantieren würden, würde die Gesellschaft uns tolerieren?“, fragt er mehr rhetorisch. „Ich könnte zusammengeschlagen werden und dann vor einem Richter stehen, der sagt: `Okay, sie sollen dich nicht gleich zusammenschlagen, aber du musst schon die Gesetze befolgen´ – wird sind halt in Kenia.“

Freiheitsrechte garantiert, aber …

Tatsächlich ist die Lage in Kenia sehr widersprüchlich: Die Verfassung garantiert die freiheitlichen Grundrechte jedes Menschen, dazu zählt auch die Gesinnungsfreiheit. Trotzdem sind homosexuelle Handlungen zwischen Männern illegal. Die Paragraphen 162 und 165 des kenianischen Strafgesetzbuchs stellen die sogenannte „fleischliche Kenntnis entgegen der natürlichen Ordnung“ unter Strafe. Diese „natürliche Ordnung“ ist im Gesetzestext nicht näher definiert, aber Justizbehörden und Polizei legen sie in der Regel gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen aus. Die Strafen liegen zwischen fünf und 14 Jahren Haft. Zwar kam es in den vergangenen Jahren zu keinen Verurteilungen auf Grundlage der beiden Paragraphen, aber sie schüren die Angst vor Verhaftung und unterstützen die Tabuisierung der Homosexualität, die in der Gesellschaft weit verbreitet ist.

Gebückt stehen zwei Menschen über Waschzubern, im Bildvordergrund liegt schmutzige Wäsche auf Haufen, Etliches hängt schon gewaschen auf Leinen zum Trocknen.
Samstag ist Waschtag im Safehouse. Jede und jeder ist für die eigene Kleidung zuständig.
In der Küche des Hauses sind zwei Flüchtlinge von hinten zu sehen, sie sind offensichtlich dabei, eine Mahlzeit für mehrere Menschen vorzubereiten. Mehrere Töpfe sind schon wie für ein Buffet auf der Arbeitsplatte der Küche aufgebaut.
In diesem Safehouse in Nairobi leben queere Flüchtlinge als Familie zusammen.