Indigene in Chile: In schlechter Verfassung

Chile stimmt am 17. Dezember über eine neue Verfassung ab. Die Rechte der indigenen Mapuche bleiben im Entwurf außen vor. Ein Besuch in Temuco.

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Die Fahne der Mapuche weht im Wind.

Sergio Catrilaf will, dass der chilenische Staat ihm das Land zurückgibt, das ein deutscher Ingenieur im 19. Jahrhundert seinem Großvater wegnahm. Er blickt von einem Hang aus in ein Tal, durch das ein Fluss fließt und in dem einst seine Vorfahren lebten. Heute versperren Hochspannungsmasten den Blick auf den Horizont, der Lärm einer Autobahn übertönt das Rauschen des Flusses.

Catrilaf lebt in der Nähe von Temuco im Süden Chiles in der Gemeinde Juan Catrilaf II, die den Namen seines Großvaters trägt. Nach dem deutschen Ingenieur Theodor Schmidt hingegen wurden eine ganze Stadtgemeinde und ein Platz in Temuco benannt, der Hauptstadt der Araucanía-Region. Sie ist die ärmste Region Chiles.

Sergio Catrilaf ist Mapuche, so heißt das größte der zehn indigenen Völker, die in dem schmalen Land an der Pazifikküste leben. Mehr als 1,7 Millionen Menschen in Chile identifizieren sich als Mapuche, das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Als Indigene werden diejenigen bezeichnet, die vor der Invasion der Spanier im 15. Jahrhundert auf dem amerikanischen Kontinent lebten. Die Mapuche verfügen heute nur noch über etwa fünf Prozent ihres ursprünglichen Territoriums.

Gabriel Boric, der Anfang 2022 als jüngster Präsident der Geschichte mit der linken Koalition Frente Amplio die Regierung übernahm, hatte den Mapuche im Wahlkampf versprochen, ihnen Land zurückzugeben. „Wir suchen nach der Wurzel des Problems und ich hoffe, dass wir zum 200. Jahrestag des Vertrags von Tapihue dem chilenischen Volk und dem Volk der Mapuche eine Versöhnung und eine Wiedervereinigung anbieten können“, sagte er in einer Rede im Juni dieses Jahres.

Es geht um viel Land

Die Mapuche sind das einzige indigene Volk, das die spanischen Konquistadoren nicht besiegen konnten. 1641 erkannte die spanische Krone mit dem Vertrag von Quilín den Fluss Biobío als natürliche Grenze von Wallmapu an, wie die Mapuche ihr Land nennen. 1825 bestätigte der unabhängige chilenische Staat diese Entscheidung mit dem Vertrag von Tapihue. Aber Chile brach das Abkommen: Das chilenische Militär besetzte das Gebiet der Mapuche von 1851 bis 1883, tötete und vertrieb Tausende.

Einen Lösungsvorschlag für den seit Jahrhunderten andauernden Landkonflikt soll eine „Kommission für den Frieden und das Verständnis“ erarbeiten, die am 21. Juni ihre Arbeit aufnahm. 18 Monate lang hat sie dafür Zeit. Zu den acht Mitgliedern der Kommission gehören Vertreter:innen der Mapuche wie Adolfo Millabur, aber auch Alfredo Moreno, ehemaliger Minister unter dem rechten Ex-Präsidenten Sebastián Piñera und Carmen Gloria Aravena, Senatorin der rechtsextremen Republikanischen Partei.

Sergio Catrilaf steht vor Bäumen
Der Mapuche Sergio Catrilaf kämpft um das Land seines Großvaters.
eine Straße mit einem Schild darauf [AI]
Lof Mokopulli ist ein Grundstück, das die Indigenenbehörde CONADI der Gemeinde von Sergio Catrilaf und andere Gemeinden nach jahrelangen Protesten zurückerstattete.
Luis Penchuleo steht vor einem Bücherregal
Luis Penchuleo leitet seit dem Amtsantritt von Präsident Gabriel Boric die Indigenenbehörde CONADI.
Eine Mapuche-Frau hält eine Trommel
Eine Mapuche-Frau bei einem Protest.