Dem rosa Flussdelfin auf der Spur

Wie ein Forscherteam den Amazonas abhört, um die Tier- und Pflanzenwelt zu schützen

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
10 Minuten
Der Amazonas Flussdelfin hat im Laufe der Evolution einen langen Schnabel ausgebildet, der ihn mit seiner rosa Färbung wie ein verwunschenes Unterwasser-Einhorn aussehen lässt.

Michel André und sein Team vom katalanischen Labor für bioakustische Anwendungen haben ihre intelligenten Ohren in Ozeanen, Wäldern und am Amazonas.

Klingt so das Paradies oder die grüne Hölle? Zwischen den hoch aufragenden Baumstämmen und dem dichten Blätterdach bahnen sich die Schreie und Gesänge der Vögel ihren Weg: das Zirpen, das Summen, das Flöten und Kreischen, das ab und zu vom tiefen Grölen eines Brüllaffen übertönt wird.

Interpretieren konnten dieses einzigartige Urwaldkonzert bislang nur die indigenen und lokalen Flussbewohnerïnnen, die hier im Naturschutzgebiet Mamirauá leben, etwa 1.500 Kilometer westlich von Manaus in Nordwest-Brasilien. Aber der Mann, der die Klänge auch für uns auseinanderfieseln kann, sitzt gute 8.000 Kilometer Luftlinie entfernt im verschlafenen Hafenstädtchen Vilanova i la Geltrú an der Costa del Garraf. Michel André erforscht von dort aus Klanglandschaften und überwacht die Artenvielfalt.

„Je vielstimmiger, desto gesünder ist eine Landschaft“, sagt André. Der gebürtige Franzose ist Spezialist in Bioakustik und hat seit 30 Jahren sein Ohr am Puls des Planeten. Was den Forscher beschäftigt, sind die Zusammenhänge zwischen Ton und Umwelt in den Weltmeeren – und seit Kurzem auch am Amazonas.

Schon als Kind wollte André (58) wissen, wie Delfine sich unterhalten. Die Bioakustik, eine Teildisziplin der Verhaltensbiologie, wurde zu seinem Werkzeug. Sie hatte sich während der beiden Weltkriege aus militärischen Anwendungen zur U-Boot-Überwachung herausgebildet und ist heute aus der Walforschung nicht mehr wegzudenken.

Der Forscher Michel André mit Kopfhörer und Sonnenbrille vor einem Eisberg in der Antarktis
Michel André bei einer Forschungsreise in der Antarktis
Der Amazonas Flussdelfin hat im Laufe der Evolution einen langen Schnabel ausgebildet, der ihn mit seiner rosa Färbung wie ein verwunschenes Unterwasser-Einhorn aussehen lässt.
Der rosa Flussdelfin am Rio Tefé im Bundestaat Amazonas ist vom Aussterben bedroht.
Der Forscher Michel André hört die Unterwassergeräusche am Rio Tefé im Schutzgebiet von Mamirauá ab und beobachtet die Tier- und Pflanzenwelt.
Michel André (rechts) erstellt mit der Technologie der Bioakustik Indikatoren, mit denen er sowohl die Gesundheit der Ozeane als auch der Wälder bestimmen kann.
Sonnenuntergang im Schutzgebiet Mamirauá
„Die Technologie kam aus dem Wasser, um zu helfen, die Verbreitungsmuster und das Verhalten von terrestrischen Arten wie Jaguare, Primaten, Vögel zu verstehen“, sagt Michel André.