Vom Straßenverkehr zur Kampfzone: Wie SUVs zu Festungen werden und die Aggression im Verkehr fördern

Im Interview spricht Stefan Gössling über die wachsende Dominanz von SUVs: Wie Ängste im Straßenverkehr zu aggressivem Fahrverhalten führen, sie den Autokauf prägen und warum die Verkehrssicherheit auf der Strecke bleibt.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
9 Minuten
Ein SUV steht neben einer Limousine an der Kreuzung

Das Auto der Zukunft ist ein Panzer – jedenfalls wenn es nach Elon Musk geht. Anfang des Monats hat er den Cybertruck, auch „Cyberbeast“ genannt, als neuestes Mitglied seiner E-Auto-Flotte präsentiert: Einen über drei Tonnen schweren Pick-up Panzer, der angeblich schusssicher ist und wie Musk selbst sagt: „Bereit für die Apokalypse.“ Verkehrsexperten sehen in dem Cyberbeast eine Gefahr für alle im Straßenverkehr, die bei einem Zusammenstoß nicht in dem Wagen sitzen. Verkehrsforscher Professor Stefan Gössling beunruhigt das Design des Wagens. „Autos spiegeln den Zustand der Gesellschaft wider“, sagt der Autor des Buches „The Psychology of the car.“ In Zeiten wie diesen, wo wechselnde Krisen wie die Pandemie, Kriege und die Klimakrise viele Menschen verunsichern, fungiere das Auto zunehmend als Schutzschild. Aber nicht nur das.

Busy Streets: Elon Musk hat Anfang Dezember sein Cyberbeast als Auto der Zukunft präsentiert. Aufgrund seiner scharfen Kanten und fehlender Knautschzone sind Radfahrer und Fußgänger bei einem Unfall extrem gefährdet. Sind Autos wie das Cyberbeast die Zukunft auf unseren Straßen?

Stefan Gössling: Um den Wagen zu verstehen, lohnt sich der Blick nach Amerika. In den USA nimmt die Zahl der Geländewagen, Pick-ups und SUV seit Jahren stetig zu. Das sind nicht einfach nur große Autos, sie symbolisieren eine innere Haltung. Die Menschen fahren große Autos, weil sie Angst haben. Sie wollen sich schützen.

Das Auto steht vor einer grauen Bergkulisse.
Der Cybertruck von Elon Musk: Ein Auto für den Weltuntergang.

Busy Streets: Was meinen Sie damit konkret? Wollen die Menschen sich mit den massigen Autos besser vor Unfällen im Straßenverkehr schützen oder möglichen Umweltkatastrophen entkommen, auf die Elon Musk bei seiner Präsentation ebenfalls angespielt hat?

Stefan Gössling: Beide Aspekte spielen eine Rolle, aber bleiben wir zunächst in Amerika. Dort läuft fast täglich jemand Amok. Im Jahr 2022 gab es 34.000 Verletzte und 17.686 Tote durch Schusswaffen. Die Menschen leben in den USA im Gefühl ständiger Bedrohung. Hinzu kommt, dass seit Donald Trumps Präsidentschaft eine extrem populistische und polarisierende Debatte das Land spaltet. Namhafte Politologen, wie Barbara F. Walter und Christopher Sebastian Parkery, warnen davor, dass das Land in einen Bürgerkrieg driftet. Für viele Menschen ist das beängstigend. Auf der Straße wird diese Angst in Form großer Autos sichtbar.

Verkehrssysteme müssen von den schwächsten Teilnehmern her gedacht werden

Stefan Gössling, Verkehrsforscher

Ein schwarzes verschwommenes Auto fährt schnell auf einem Zebrastreifen
Am Zebrastreifen können Grundschüler die Fahrer eines SUV wegen des riesigen Wagens gar nicht mehr sehen
Stefan Gössling blickt in die Kamera
Mobilitätsforscher Prof. Stefan Gössling von der Universität Kalmar in Schweden
Ein Radfahrer fährt in Paris an einem Plakat vorbei
Soll es zukünftig mehr oder weniger SUV in Paris geben? Über diese Frage kann die Bevölkerung der Stadt im Februar abstimmen.