„Wie sehen wir uns als Künstlerinnen und Mütter“

Kurzversion: Interview mit Regisseurin Mirjam Schmuck zum „Gaia-Projekt“

13 Minuten
Filmstill aus dem „Gaia-Projekt“ des Theaterduos kainkollektiv: Die in Berlin und Kanada lebende Tänzerin Catherine Jodoin steht in ihrem Wohnzimmer in einem bunten Tutu und steckt sich die Haare hoch. Hinter ihr ein Poster mit einer Tänzerin. Die linke Bildhälfte nimmt eine Schrankwand ein. Daneben steht hinter ihr ein Sofa, an der Seite eine Kiste mit Spielzeug.

Für die diesjährigen Ruhrfestspiele beschäftigt sich die Theatermacherin Mirjam Schmuck zusammen mit zehn weiteren Künstlerinnen aus sechs Nationen mit dem Thema „Mutterschaft“ – und bringt so verschiedene Aspekte ihres Lebens zusammen. Mit ihrem Mann Fabian Lettow bildet sie die freie Gruppe kainkollektiv – sie als Regisseurin, er als Regisseur und Autor. Das „kain-ensemble“ ist dabei ein mit den beiden lose verbundener, kreativer Pool mit rund 20 Künstler:innen „aus unterschiedlichsten Disziplinen zwischen Tanz, Medienkunst, Schauspiel, Komposition“, die mit dem Künstlerpaar in wechselnden Konstellationen zusammenarbeiten. Beim Projekt für die Ruhrfestspiele sind es ausschließlich Frauen. Kinderbetreuung als Balanceakt: Wie alle Eltern müssen auch Mirjam und Fabian, die eine Tochter und einen Sohn haben, Familie und Job mit Proben und Theater abstimmen – und dies nie mehr als während der Coronakrise. Ein Gespräch über Kinder, Sorge-Arbeit, Erwartungen, Erlebnisse, Zeiteinteilung, Organisation – und Kunst.

In der langen Version des Interviews geht es auch um die gendertheoretischen Hintergründe des Gaia-Projektes, mehr um die Idee des Aufweichens der Begriffe, Bilder und Grenzen, um Erfahrungen mit Ästhetik und Gesellschaft zu Schwanger- und Mutterschaft – und Mirjams Sohn Jarek hat einen kleinen Gastauftritt.

Mirjam, du hast zwei Kinder. Bezieht ihr die Kinder beim Theater-Machen ein?

In dem jetzigen Stück „Gaia“ tatsächlich zum ersten Mal, mit Audio-Aufnahmen von meiner Tochter und auch einer Mini-Video-Aufnahme von ihr am Ende. Dann gibt es sicher auch eine andere Probenstruktur, so dass die Kinder mal mitmachen dürfen und was ausprobieren können. Aber nicht auf der Bühne. Seit einigen Jahren dürfen unsere Ensembles zwar auch aus ganz jungen Eltern und Schwangeren bestehen. Wenn es aber nicht speziell um Kinder- und Jugendtheater geht, sind viele Themen vielleicht doch zu komplex oder die Herangehensweise zu radikal auf der Bühne. Da muss man kleine Kinder noch mal anders schützen und wir passen auf, dass sie nicht mit auf der Bühne stehen.

„Etwas stimmt nicht. Etwas ist kaputt. Ich fühle es.“ Audiospur-Ausschnitt (4:23min) aus dem „Gaia-Projekt“. Der Film dazu zeigt im Graphic-Novel-Stil die (fiktive) Geschichte der Kinder.
Die Regisseurin Mirjam Schmuck sitzt auf einem Podium und sagt gerade nichts. Vielleicht hört sie zu. Vor ihr sieht man ein Mikrofon. Im Hintergrund glitzert es golden.
Mirjam Schmuck ist 1984 geboren und hat Theaterwissenschaft und Komparatistik an der Ruhr-Universität Bochum und der Université Charles-de-Gaulle in Lille studiert. Sie arbeitet seit 2005 als Regisseurin, Dramaturgin, Musikerin und musikalische Leiterin in Theaterproduktionen in Mülheim, Bochum, Dortmund, Moers, Stuttgart, Köln, Varaždin und Krakau. In ihrem jüngsten „Gaia-Projekt“ beschäftigt sie sich mit Mutterschaft.
Eine Frau steht in einem prachtvollen rot-violetten Kostüm im Wald und blickt nach rechts. Hinter ihr ist es sehr dunkel, nur das Gras zu ihren Füßen zeigt ein saftvolles Grün. Sie trägt einen Helm mit einem Geweih, das rötlich schimmert.
Die kamerunische Schauspielerin Edith Nana Tchuinang Voges lebt in Deutschland. Hier hat sie ihr Kind bekommen und das deutsche Konzept von Mutterschaft kennengelernt. Ihr Kostüm im Gaia-Projekt stammt von der kroatischen Kostüm- und Bühnenbildnerin Zdravka Ivandija Kirigin.