Der Fotograf Abraham Pisarek – ein vergessener Chronist jüdischen Lebens in der Nazizeit

Nathan der Verlassene: Vor vierzig Jahren starb der jüdische Fotograf Abraham Pisarek. Er überlebte die Judenverfolgung in der Nazizeit nur knapp, konnte aber historisch einzigartige Bilddokumente zum jüdischen Alltag und der Bühnenkultur schaffen. Eine Würdigung.

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Schwarz-Weiß-Foto des schwer beschädigten Berliner Doms aus dem Jahr 1945.

„Lieber Papa, wir vermissen Dich!“ So oder so ähnlich lautete die Nachricht, die Abraham Pisarek versteckt in einem Stullenpaket fand. Der jüdische Fotograf war in der „Fabrik-Aktion“ am 27. Februar 1943 mit anderen Zwangsarbeitern verhaftet und in einem Gebäude in der Berliner Rosenstraße eingesperrt worden. „Es ging darum, Berlin ganz ‚judenfrei‘ zu machen“, sagt Pisareks Tochter, die heute 91-jährige Ruth Gross. Das Gespräch mit ihr findet statt im Haus der Familie in Berlin-Zehlendorf – wo historisch einzigartige Bilder ihres Vaters archiviert sind.

Wer sich für das jüdische Leben im Berlin der Nazizeit interessiert, kommt kaum an den Bildern Abraham Pisareks vorbei. Und doch kennen nur wenige den Namen des Fotografen, der die Judenverfolgung selbst nur knapp überlebte und vor vierzig Jahren am 24. April 1983 in West-Berlin starb. Eine Würdigung.

Schwarz-Weiß-Foto von Abraham Pisarek, der eine Kamera vor dem Bauch hält und drauf blickt.
Eine Bild aus dem Familienalbum: Einmal wurde Abraham Pisarek selbst fotografiert. Wer hat auf den Auslöser gedrückt? Möglicherweise Ehefrau Berta.
Das Gesicht vonRuth Gross trägt einen bunten Pullover und Brille. Im Hintergrund ist eine Wand mit Regalen und Boxen zu sehen, in denen Bilder ihres Vaters liegen.
Ruth Gross im Haus der Familie in Berlin. Im Hintergrund ist ein Teil des Archivs zu sehen, in dem Bilder ihres Vaters liegen: Abraham Pisarek.
Szene aus „Nathan der Weise“ nach Kriegsende im Deutschen Theater Berlin. Vier Personen sind in „orientalischen“ Kostümen zu sehen.
Lessings „Nathan der Weise“ war die Eröffnungsveranstaltung des Jüdischen Kulturbunds am 1.10.1933 – und die letzte Aufführung des Stücks in Nazi-Deutschland. Nach dem Krieg eröffnete das Deutsche Theater in Berlin am 7.9.1945 mit dem Klassiker zur Toleranz, wie hier auf Pisareks Foto zu sehen ist.
Schwarz-Weiß-Foto mit Passantin, die an Trümmerhaufen vorbeiläuft. Zu sehen ist ein Schild mit einem Zitat von Goebbels: „Ihr werdet Berlin nicht wiedererkennen.“
Durch die Ruinenlandschaft des Nachkriegsberlins eilende Passanten vorbei an einem Plakat mit der Aufschrift: Goebbels sagte: „Ihr werdet Berlin nicht wiedererkennen“