Hype um die „Fett-Weg-Spritze“: Warum sie nicht jedem hilft

In sozialen Medien wird ein Wirkstoff als neues Wundermittel zum Abnehmen gefeiert, der nur für stark Übergewichtige und Diabetiker:innen gedacht ist. Haben wollen ihn jetzt vor allem Menschen, die sich für zu dick halten. Das sorgt für Probleme. Nicht nur, weil die hohe Nachfrage zu Lieferengpässen führt. Auch, weil die Mittel noch gar nicht an Menschen ohne starkes Übergewicht getestet wurden.

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Violettes, sich kringelndes Maßband, auf violettem Hintergrund

Den Traum vom schlanken Körper träumen so vielen Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten, dass es ein Leichtes ist, mit Versprechen vom einfachen und schnellen Abnehmen einen Hype auszulösen. Genau das passiert gerade: In den sozialen Medien erreichen Posts zur sogenannten „Fett-Weg-Spritze“ hunderte Millionen Aufrufe.

Abnehmen: Medizin oder Kosmetik?

Keine Frage: Der Bedarf an effektiven Abnehmstrategien ist groß. Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI) aus dem Jahr 2022 gelten in Deutschland etwas mehr als die Hälfte der Erwachsenen als übergewichtig oder stark übergewichtig. Das heißt, bei ihnen liegt das Verhältnis von Gewicht und Körpergröße über einem gewissen Wert, der als ungünstig für die Gesundheit eingeschätzt wird. Etwas pauschal gesagt: Wenn dieser sogenannte Body-Mass-Index (BMI) über 25 steigt, gilt man als übergewichtig, wenn er über 30 steigt, als stark übergewichtig oder adipös. Adipositas betrifft circa 19 Prozent der Erwachsenen und gilt als chronische Gesundheitsstörung. Sie ist also eine eigenständige Krankheit.

Menschen mit Übergewicht haben sehr häufig mit Stigmatisierungen zu kämpfen. Zu den Idealen der Leistungsgesellschaft zählen Belastbarkeit, Diszipliniertheit und Ausdauerfähigkeit – Eigenschaften, die vor allem schlanken Menschen zugeschrieben werden. Dazu kommt, dass sich die gängigen Schönheitsideale sehr einseitig auf schlanke, sportliche und ebenmäßige Körperformen reduzieren. Nicht zuletzt aufgrund des sozialen Drucks haben viele übergewichtige Menschen deshalb den dringenden Wunsch abzunehmen – und andere wollen erst gar nicht „zu dick“ werden.

Aus medizinischer Sicht ist Übergewicht nicht automatisch ein behandlungsbedürftiger Zustand. Erst ab einem BMI von 30, also bei Adipositas, oder ab einem BMI von 27, wenn Begleiterkrankungen bestehen, wird den Betroffenen empfohlen, ihr Gewicht zu reduzieren. Diabetes und Vorstufen von Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemstörungen und Stoffwechselerkrankungen werden ab diesen Werten wahrscheinlicher, besonders bei älteren Menschen.

Aber: Abnehmen ist gar nicht so leicht. Die Professorin für Verhaltensmedizin und psychologische Leiterin der Adipositasambulanz der Uniklinik Leipzig, Anja Hilbert, sagte bei einem Pressegespräch des Science Media Centers: „Es ist sehr schwer, Gewicht zu verlieren und vor allem aber auch verlorenes Gewicht zu halten.“

Es ist sehr schwer, Gewicht zu verlieren und vor allem aber auch verlorenes Gewicht zu halten.

Anja Hilbert, Uniklinik Leipzig

Verpackung des Medikaments Ozempic, auf einem Schreibtisch. Daneben ein aufgeschlagener Ordner mit Kugelschreiber auf den Akten und ein Stethoskop, im Hintergrund Aktenordner
Die Verpackung von Ozempic kommt wenig glamourös daher, so wie es für ein Arzneimittel üblich ist.