Vogelschlag: Jedes Jahr sterben Dutzende Vögel an der hell erleuchteten Glasfassade des Post-Towers

Millionen von Vögeln – vom Wintergoldhähnchen bis zum Weißstorch – kommen in diesen Tagen aus ihren Winterquartieren zurück nach Mitteleuropa, um zu brüten. Für viele der Tiere endet der Vogelzug vorzeitig und tödlich: Sie kollidieren mit Gebäuden. Eine Fallstudie.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
7 Minuten
Der Postturm und zwei weitere Bürotürme in der Abenddämmerung im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Auf dem Rhein im Vordergrund ein Frachtschiff.

Graue Wolken ziehen über den Posttower. Vom Rhein weht ein kalter Wind herauf. Heiko Haupt blickt die gläserne Fassade der Post-Konzernzentrale hinauf zu ein paar Dutzend Bürofenstern, die in der Dämmerung dieses Abends Anfang März, hell erleuchtet sind. Auch die Notbeleuchtung in den Treppenhäusern ist von außen deutlich zu erkennen. Diese Lichtquellen können für Zugvögel zur Todesfalle werden.

Wie genau – das hat der Biologe Heiko Haupt in den vergangenen 15 Jahren immer wieder beobachtet – vor allem in den Hauptmonaten des herbstlichen Vogelzugs. Ganze Nächte lang hat er die Vögel am Turm beobachtet, tote Tiere eingesammelt und bestimmt. Seine Erkenntnisse sind jetzt in einer Fallstudie nachzulesen, die imJournal of Ornithology erschienen ist.

Flachbildschirme mit lausiger Auflösung

Der Post-Turm besteht aus zwei Teilen, deren Grundflächen Kreissegmente sind. Aus der Luft betrachtet sieht es aus, als hätte jemand aus einer 41stöckigen Torte die Mitte herausgeschnitten und die beiden verbliebenen Stücke aneinandergeschoben. Ganz oben prangen in Gelb und Rot die Logos der „Deutsche Post DHL Group“ (DPDHL). Der Turm steht genau quer zur Hauptrichtung des Vogelzugs. Eine Glasfassade ist nach Nord-Nordwest ausgerichtet, die andere nach Süd-Südost.

Hinter 1000 Fenstern jeder Fassade sind farbige Leuchtstoffröhren installiert, die sich so ansteuern lassen, dass bunte Bilder über die gesamte Höhe des Turms entstehen. Die Fassaden sind also zwei riesige Flachbildschirme mit lausiger Auflösung.

Ein Mann in Winterjacke steht vor dem Post-Tower.
Heiko Haupt hat 15 Jahre lang immer wieder untersucht, für welche und wieviele Vögel am Post-Turm in Bonn sterben.
Das Dach des Post-Towers: Lichtkegel ragen in den Nachthimmel.
Bis Sommer 2022 strahlte die Post die Logos auf dem Dach des Post-Turms mit großen Scheinwerfern an. Die Lichtkegel reichten weit in den Himmel hinein und brachten Zugvögel durcheinander, hat Heiko Haupt beobachtet.
Der Post-Tower bei Nacht: Die Fenster auf der gesamten Fassade sind blau und gelb beleuchtet. Sie ergeben einen gelben Violinschlüssel auf blauem Grund.
Festbeleuchtung: Zu besonderen Anlässen wie dem Beethovenfest hat DPDHL seine Fassade auch während des Vogelzugs immer wieder mit bunten Grafiken beleuchtet. Früher leuchtete die Fassade jeden Abend in den ersten zwei bis drei Nachtstunden.
14 tote Rotkehlchen und 16 tote Sommergoldhähnchen.
Rotkehlchen (links) und Sommergoldhähnchen, die Heiko Haupt 2007 am Posttower in Bonn gefunden hat. Diese beiden Vogelarten hat er in den 15 Jahren seiner Beobachtungen am häufigsten tot vor dem Gebäude aufgelesen. [Montage]
Ein Wintergoldhähnchen sitzt auf dem Boden. Am Schnabel hängt ein Tropfen Blut.
Längst nicht alle Vögel sterben sofort, wenn sie mit dem Turm zusammenstoßen, wie dieses Wintergoldhähnchen. Der winzige Vogel sitzt apathisch am Boden und blutet aus dem Schnabel. Sie haben aber sehr schlechte Überlebenschancen.
Ein Glasgeländer erstreckt sich vor dem Postturm. Darauf sind unregelmäßige weiße Streifenmuster geklebt.
Hier hat die Post die Glasgeländer mit Folien beklebt. An anderen Stellen sind die Scheiben der Geländer noch immer praktisch unsichtbar.