Extrembedingungen und viele Nischen: In Städten ist die pflanzliche Vielfalt besonders gross

Mit der Globalisierung haben sich Pflanzen rund um den Globus verteilt und gedeihen gerade dort gut, wo der Mensch stark in die Umwelt eingegriffen hat: in den Städten. Doch auch im Kulturland bedrängte Pflanzen finden dort ein neues Refugium.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
9 Minuten
Ein buntes Stück Natur mit Klatsch-Mohn mitten im Zürcher Industriequartier.

Tausende von Pendlern eilen hier in Zürich morgens aus dem S-Bahnhof „Hardbrücke“ an ihre Arbeitsplätze und am Abend wieder zurück nach Hause. In der Nacht folgen ihnen die Partygänger, die die Bars und Clubs aufsuchen. Züge, Autos, Trams, Busse und Fahrräder verkehren auf engem Raum. Früher wurden in diesem Industriequartier Schiffe gebaut, heute wird in den ehemaligen Fabrikgebäuden Theater gespielt. Mittendrin auf einem Betonplatz steht ein riesiger grün schimmernder Kristall: In der Glasfassade des 36 Stockwerke hohen Bürogebäudes spiegelt sich das urbane Treiben. Mehr Stadt geht kaum.

Und doch will mir der Ökologe Jonas Frei gerade hier die Vielfalt der Pflanzen zeigen. „Der Ort ist botanisch sehr interessant“, versprach er, als wir den Treffpunkt vereinbarten.

Jonas Frei hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht: „Stadtwildpflanzen. 52 Ausflüge in die urbane Pflanzenwelt“. Der heutige Ausflug mit ihm wird ein Mini-Trip, nicht einmal 100 Meter weit. Doch auf diesem Spaziergang unternehmen wir eine botanische Weltreise, und Frei wird das Wort „selten“ so häufig fallen lassen, dass ich mich in einem Regenwald mit lauter exotischen Gewächsen wähne.

Die Hardbrücke in Zürich, am Hintergrund das höchste Gebäude der Stadt, der „Prime Tower“.
Hier sollen viele Blumen blühen? Die Hardbrücke in Zürich führt ins Industriequartier, auf den ersten Blick nicht gerade ein Naturidyll.
Ein blühender Natternkopf vor einem Fahrrad, das an einen Zaun angekettet ist. Dahinter fährt eine S-Bahn durch.
Donnernde Züge, Fahrradfahrer und Fussgänger: Dem Natternkopf macht dies nichts aus.
Ein Trauben-Gamander wächst in einer Abflussrinne und spiegelt sich in einem Fenster.
Vom Dach gefallen: Möglicherweise stammt dieser Trauben-Gamander von einem künstlich begrünten Flachdach.
Jonas Frei untersucht die Zwischenräume eines gepflasterten Bodens.
Dem Stadtökologen Jonas Frei entgeht keine Pflanze – und sei sie noch so klein und unscheinbar.
Eine Eselsdistel neben Klatsch-Mohn und weiteren Pflanzen, die auch im Kulturland vorkommen.
Die eindrückliche Eselsdistel ist selten geworden. Nun wird sie in Städten angesät.