Gerechtigkeit für Gletscher

Schweizer Politikerinnen und Politiker wollen das Recht umkrempeln

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
6 Minuten
Blick auf den Aletschgletscher in der Schweiz von der Walliser Seite aus.

Gletscher sind das Symbol des Klimawandels in der Schweiz. Mit gutem Grund: Das Volumen der Gletscher hat seit 1850 um die Hälfte abgenommen. Derzeit gibt es in der Schweiz noch 1463 Gletscher. Doch geht es mit der Klimaerwärmung so weiter wie bisher, werden von ihnen bis Ende dieses Jahrhunderts grösstenteils nur noch Bergseen übrigbleiben: Bis auf 20 bis 30 Prozent des heutigen Volumens könnten sie zusammengeschmolzen sein.

Der Politik ist die Symbolik der Gletscher nicht entgangen. Ein Volksbegehren, das die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Schweizer Bundesverfassung verankern und ab 2050 fossile Brenn- und Treibstoffe verbieten will, trägt den sinnigen Namen „Gletscher-Initiative“.

Flüsse vor Gericht

Noch einen Schritt weiter ging die grüne Parlamentarierin Lisa Mazzone vor ein paar Jahren. Sie benutzte die Schweizer Gletscher nicht nur als Symbol des Klimawandels, sondern schlug vor, dass Gletscher gleich mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit auszustatten seien. Würden die Gletscher in ihren Rechten verletzt, könnten sie – oder besser: ihre Vertreter – vor Gericht ziehen und gegen das ihnen angetane Unrecht klagen: zum Beispiel dass ihre Existenz durch die menschengemachte Klimaerwärmung bedroht ist.

Mazzone bezog sich bei ihrem Vorstoss ausdrücklich auf andere Länder, die Ökosystemen bereits die Rechtspersönlichkeit zugebilligt haben. So zum Beispiel Neuseeland: Dort verfügt der Fluss Whanganui seit 2017 über eine eigene Rechtspersönlichkeit.

Auf einem Felsen unterhalb des Morteratschgletschers in Graubünden steht das Datum des Eisrandes vor ein paar Jahren.
Die Gletscher verlieren wegen der Klimaerwärmung an Masse und ziehen sich zurück. Beim Morteratschgletscher in Graubünden wird dieser Rückzug auf Steinen markiert.
Blick auf den Morteratschgletscher in Graubünden, Schweiz.
Mit verschiedenen Massnahmen soll der Morteratschgletscher gerettet werden, zum Beispiel mit einer Beschneiungsanlage, die aus dem Schmelzwassers des Gletschers gespiesen wird.