Umweltministerin Schulze will mit Naturschutz Trinkwasserversorgung sichern

Drohende Knappheit: Erste „Nationale Wasserstrategie“ vorgestellt. Umweltverbände kritisieren Regierung wegen fehlender Auflagen für Industrie sowie Forst- und Agrarwirtschaft

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Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellte eine erste „Nationale Wasserstrategie “am 8. Juni 2021 anlässlich der Eröffnung des 3. Nationale Wasserforums in Berlin vor. Das Bild zeigt die Ministerin am Rednerpult. Sie hält die Publikation mit dem Titel „Nationale Wasserstrategie“ hoch, so dass das Publikum sie gut sehen kann.

Mit der nationalen Wasserstrategie will Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Deutschland für die Klimakrise rüsten. Anpassungen in der Wasserwirtschaft sollen jährlich mehrere Milliarden kosten. Naturschutzverbände kritisieren, dass die Strategie für die Land- und Forstwirtschaft noch zu wenig Anreize setzt.

Bereits in den letzten drei Jahren wurde das Trinkwasser in manchen Kommunen knapp. Die Schifffahrt auf dem Rhein musste reduziert, tageweise sogar eingestellt werden. Auf einer Viertel Million Hektar Wald vertrockneten Bäume. Der Klimawandel stellt den traditionellen Wasserreichtum Deutschlands in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zusehends in Frage. Klimawissenschaftler warnen, dass Trockenjahre wie 2018 und 2019 im Jahr 2050 in Deutschland nicht mehr außergewöhnlich sein könnten.

Dieser drohenden Wasserknappheit will Bundesumweltministerin Svenja Schulze mit einer „Nationalen Wasserstrategie“ begegnen. „Beim Wasser steht Deutschland vor enormen Herausforderungen“, warnte die SPD-Politikern am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts. Der Klimawandel stelle alte Gewissheiten zusehends in Frage. „Drei Dürrejahre in Folge haben gezeigt, dass Deutschlands Wasserreichtum keine Selbstverständlichkeit mehr ist“, sagte Schulze.

Knappheit vorbeugen

Mit einem Aktionsprogramm, das 60 Maßnahmen umfasst, will das Bundesumweltministerium (BMU) bis 2050 den nachhaltigen Umgang mit Wasser voranbringen. Grundlage der Wasserstrategie sind die Ergebnisse eines zweijährigen Nationalen Wasserdialogs mit mehr als 200 Teilnehmenden. Weitere Ideen stammen aus dem Nationalen Bürgerïnnen-Dialog „Wasser“.

Mit Blick auf die Klimakrise will das Bundesumweltministerium die natürlichen Wasserreserven Deutschlands sichern und Wasserknappheit vorbeugen, um künftige Verteilungskämpfe zu verhindern. Für den Fall, dass das Wasser in bestimmten Regionen knapp wird, sollen Regeln für die vorrangige Wassernutzung entwickelt und festlegt werden. Der persönliche Trinkwasserbedarf werde dabei oberste Priorität haben, erklärte Schulze. Tiere und Pflanzen müssten das Mindestmaß an Wasser erhalten, das sie zum Überleben brauchen.

Wasserqualität verbessern

Auch Grundwasser, Seen, Bäche und Flüsse sollen sauberer werden. Dafür will der Bund Hilfen in Höhe von einer Milliarde Euro in den nächsten zehn Jahren für Länder und Kommunen bereitstellen. Sie sind für Renaturierungsmaßnahmen vorgesehen und dafür, Hindernisse für wandernde Tierarten zu beseitigen. Die Mittel stehen auch dazu bereit, Gewässer durch mehr Vegetation gegen Erwärmung zu beschatten und Moore zu renaturieren. Uferbereiche von Seen und Flüssen sollen naturnah gestaltet werden, um als natürliche Rückhalteräume bei Hochwasser und Speicher für trockene Phasen dienen zu können.

Neu ist der Vorschlag, die Abwasserabgabe am Verursacherprinzip zu orientieren. Höhere Kosten sollen Wasserverschmutzer dazu anregen, die Gewässer weniger zu verschmutzen. Für das Gewässermonitoring will Schulze eine bundesweite Datenbank aufbauen lassen. Unter anderem sollen so Maßnahmen zur Nitratreduzierung zuverlässiger beurteilt werden können. Die Wasserversorger stellten seit Jahren eine zu hohe Nitratkonzentration durch Düngung fest, die in vielen Regionen den Grenzwert überschreitet. Auch die Belastung durch Plastik in den Gewässern wird Schulze zufolge künftig besser ermittelt und bewertet.

Kritik von Umweltverbänden: Agrarwirtschaft ein blinder Fleck

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vermisst die Verzahnung der Wasserstrategie aus dem Umweltministerium mit der Agrarpolitik. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, glaubt, dass die Ziele nur umsetzbar seien, „wenn konsequent die Ackernutzung aus Überschwemmungsgebieten verbannt und Agrarbeihilfen an eine naturverträgliche Landnutzung gekoppelt werden“. Äcker in Flussauen müssten in feuchtes Dauergrünland umgewandelt werden. Mit extensiver Weidehaltung anstelle bisheriger Ackernutzungen könnten die Einträge von Nährstoffen und Pestiziden in die Gewässer reduziert und das Grundwasser entlastet werden.

Auch der WWF Deutschland sieht beim Thema Landwirtschaft einen blinden Fleck in der Wasserstrategie. Stephan Zirpel, WWF-Fachbereichsleiter Naturschutz Deutschland, fordert: „Nachhaltiges Wassermanagement muss dringend als Querschnittsthema in die Land- und Forstwirtschaft integriert werden.“ Entwässerungsgräben würden dem Wald das Wasser entziehen und es fehle an gesunden Böden als natürliche Wasserspeicher. Ein nachhaltiges Wassermanagement müsse erst noch in der Förderpolitik für Land- und Forstwirtschaft verankert werden.

Milliardeninvestitionen geplant

Die Wasserstrategie soll auch dabei helfen, die Wasserinfrastruktur, die Landnutzung und die Stadtentwicklung an die kommende Trockenheit anzupassen. Für eine „gewässersensible Stadtentwicklung“ sieht der Plan vor, technische Regeln daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie den natürlichen Wasserhaushalt erhalten und zur Klimaanpassung beitragen. Regen soll nicht mehr auf versiegelten Flächen abfließen, sondern in „Schwammstädten“ möglichst gespeichert werden.

Außerdem soll eine überregionale Wasserversorgung mit Verbundnetzen und Fernleitungen eingerichtet werden, neue Talsperren werden nicht ausgeschlossen. Die Kosten für eine klimaresiliente Wasserinfrastruktur belaufen sich nach Schätzungen der Wasserwirtschaft auf mehr als drei Milliarden Euro jährlich. Beim Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) stoßen die Pläne Schulzes auf Skepsis. Zur Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (NBR) sagte der VKU-Vizepräsident Karsten Specht, dass es „eine Mammutaufgabe“ sei, die jetzigen Leitungen zu erhalten und zu erneuern.

Ähnlich wie in der Energieversorgung soll die Digitalisierung der Wasserinfrastruktur dafür sorgen, dass bei einer geringeren Nachfrage das Wasser günstiger angeboten werden kann – und umgekehrt. So sollen wasserintensive Vorgänge auf wasserreichen Zeiten verlegt werden. Dem sollen „smarte“ Wassertarife dienen. Das BMU richtet sich damit an Privathaushalte – die Industrie und Landwirtschaft bleiben zunächst außen vor.

Im Projekt Countdown Natur" berichtet ein Team von 25 Journalistinnen und Journalisten mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel Ende 2021 über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen wurden vom European Journalism Centre durch das Programm „European Development Journalism Grants" gefördert. Dieser Fonds wird von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.

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