- RiffReporter /
- Umwelt /
Wechsel in der Meerespolitik: Abschied von Steffi Lemke auf der Nationalen Meereskonferenz
Abschiedsrede der Meeres-Ministerin: „Sie müssen einfach weitermachen!“
Die erste Nationale Meereskonferenz wurde – unfreiwillig – zum letzten großen Termin von Umweltministerin Steffi Lemke und dem Meeresbeauftragten Sebastian Unger. Die Meeres-Community verabschiedete beide mit stehenden Ovationen. Nun lautete die Frage: Wie geht es weiter mit der deutschen Meeespolitik?

Die ursprüngliche Idee klang gut: Zum ersten Mal sollte das Meer mit einer großen Konferenz ins politische Berlin geholt werden. Auch das Ziel war ambitioniert. Die – nun ehemalige – Bundesregierung wollte dort nicht nur Politik, Wissenschaft, Meeresschutz-NGOs und Wirtschaft verbändeln, sondern auch ihre Nationale Meeresstrategie vorstellen: einen Plan, wie sie künftig mit Ostsee und Nordsee umgehen will – den zwei deutschen Meeren, die aktuell unter enormem wirtschaftlichen wie ökologischen Druck stehen.
Dann kam es anders: Die Koalition zerbrach, die Meeresstrategie ging (erstmal) unter. Und gestern, während ein paar Kilometer weiter Friedrich Merz (erstmal nicht und später doch) zum Kanzler gewählt wurde, geriet die Eröffnung der Konferenz zur Abschiedsbühne von Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Ziemlich wilder Wellengang also für eine Premiere.
Wie geht es weiter mit der Meerespolitik?
Dabei ist der Gesprächs- und Handlungsbedarf riesig: Wie geht es weiter mit der deutschen Meerespolitik? Mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie? Mit der Bergung gefährlicher Weltkriegsmunition vom Meeresboden? Der deutschen Fischerei? Und dem Meeresschutz, der, soviel ist zumindest wissenschaftlich klar, nicht nur per se, sondern auch beim Kampf gegen den Klimawandel unverzichtbar ist?

Im Koalitionsvertrag ist das Meer kaum Thema
Im Koalitionsvertrag steht dazu wenig. Das Meer bekommt darin, anders als „Gemüse, Obstbau, Wein“ kein eigenes Kapitel. Das Wort „Meer“ erscheint zum ersten Mal in Zeile 1089 beim Vorsatz: „Wir ermöglichen CO₂-Speicherung offshore außerhalb des Küstenmeeres in der ausschließlichen Wirtschaftszone“ – ein durchaus umstrittenes Projekt.
Zumindest die Frage, wie es mit dem offiziellen Meeresbeauftragten Sebastian Unger weitergeht, der die blauen Themen politisch und ressortübergreifend koordiniert hat, beantwortete die neue Bundesregierung bei ihrer ersten Kabinettssitzung: Sein Posten wird gestrichen, genau wie der von 24 weiteren „Beauftragten“. Begründung: Bürokratieabbau. Unger erfuhr es aus der Presse.
Bei den 400 Gästen der Meereskonferenz sorgte diese News nicht für Begeisterung. „Das ist eine sehr dumme Entscheidung“, kritisiert etwa Martin Visbeck. Der Ozeanograf hält sie für reine Symbolpolitik. Durch die Entscheidung spart die Bundesregierung keinen Cent, nimmt dem überaus angesehenen Meeresexperten aber einen wichtigen Titel, der international und ressortübergreifend ein Türöffner war und weiter sein könnte. Auch Petra Mahnke, Geschäftsführerin der Gesellschaft für maritime Technik (GMT) appellierte an die neue Bundesregierung, den Posten wiederzubesetzen, genau wie der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner.

Der Blick zurück sieht versöhnlicher aus. „Das Meer war mir eine Herzensangelegenheit“, sagt Steffi Lemke sichtlich bewegt bei ihrer Begrüßungs- und Abschiedsrede, „und wir haben viel für seinen Schutz erreicht, national wie international.“ Ihre Beispiele: Die Bergung der Munition aus dem Zweiten Weltkrieg, die am Boden von Nord- und Ostsee gefährlich vor sich hinrottet, hat begonnen. Ein Teil der Einnahmen für die Offshore-Lizenzen wurde für Meeresnaturschutz gesichert und wird in den folgenden Jahren mit je zehn Millionen Euro in Schutzprojekte investiert – gesichert, denn das Geld wird von der Bundesstiftung Umwelt verwaltet, so Lemke: „Der Finanzminister hat keinen Zugriff darauf.“
Auch dass der marine Part des insgesamt 3,5 Milliarden Euro schweren „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ starten konnte, darf als Erfolg gewertet werden: Über 20 Institutionen – Behörden, Forschung, Nationalparks etc. – verknüpfen darin ihre Forschung und Erfahrung, um herauszufinden, wie das Meer, das Watt, Seegraswiesen oder Blasentang und seine Böden als natürlicher Speicher für CO₂ dienen kann.
International hat die Bundesregierung unter dem Duo Lemke/Unger das UN-Hochseeschutzabkommen erfolgreich zum Abschluss gebracht und das Biodiversitätsabkommen von Montréal ratifiziert - mit dem Auftrag, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche zu schützen, zehn Prozent davon stark. In der Praxis vor Ort ist da noch erheblicher Nachholbedarf, zumal der Zustand von Nord- und Ostsee offiziell als „nicht gut“ eingestuft wird.

„Meine Hand ist nicht nur ausgestreckt, ich bitte Sie auch, sie zu ergreifen“
Carsten Schneider (SPD), neuer deutscher „Meeresminister“
Wie kann er besser werden, möglichst schnell? Darum geht es in den Workshops mit den Expertinnen und Experten auf der Konferenz. Politisch muss sich der neue Umweltminister Carsten Schneider (SPD) kümmern. Er kommt am Ende als Überraschungsgast vorbei und wird nicht nur mit erwartungsfrohem Applaus begrüßt, sondern auch mit zwei Bitten: erstens, die engagierte Meerespolitik fortzusetzen, und zweitens, den Posten des Meeresbeauftragten wieder zu besetzen.
„Ich freue mich sehr, dass meine Vorgängerin so viel Wertschätzung erfahren hat“, sagt Schneider. Und er verspricht: „Auch eine meiner Prioritäten wird der Meeresschutz sein.“ Zwar ohne extra Meeres-Posten, „aber die Fachkompetenz des bisherigen Beauftragten bleibt mir ja erhalten.“ Schneider ist sichtlich bemüht, auf der Welle der Begeisterung, die Lemke hinterlassen hat, weiter zu reiten und sein ernsthaftes Interesse an Meerespolitik und Meeresschutz rüberzubringen. „Meine Hand ist nicht nur ausgestreckt, ich bitte Sie, sie auch zu ergreifen“, sagt er. Das Meer und Berlin, sie nähern sich weiter an.
Doch für die Zukunft, auch das wird auf der Konferenz am Berliner Westhafen deutlich, braucht es noch deutlich mehr. Dass die Meeres-Community hier zusammenkommt, diskutiert, Wissen austauscht, sich selbst feiert und außerdem bei der Politik Gehör verschafft, ist legitim. Mit Blick auf den Verlauf der Kanzlerwahl im Bundestag nur wenige Kilometer entfernt und den vielfach betrauerten Vertrauensverlust der Wissenschaft in der Bevölkerung wird das allein nicht reichen.
Die Meereskonferenz – sollte sie unter Schneider fortgesetzt werden – muss sich breiter aufstellen. Sie muss Debatten anstoßen, die Öffentlichkeit besser einbinden, Ziele vereinbaren und verkünden. Noch ist es politisch nicht gelungen, die Bedeutung und Dringlichkeit von Meeresschutz genauso in der Gesellschaft zu etablieren wie von Natur- und Artenschutz an Land. Klappt das auch zukünftig nicht, wird das Ganze schnell zur Blase. Und Blasen, das wissen Meeres-Expert:innen nur allzu gut, sind nicht besonders langlebig.