Merkel wirbt für starke Abkommen bei Klima- und Naturschutzgipfeln

Altkanzlerin mahnt mutige Entscheidungen für Natur- und Klimaschutz bei Gipfeln an – Preis für Menschlichkeit geht an Weltklimarat IPCC und Weltbiodiversitätsrat IPBES

vom Recherche-Kollektiv Countdown Natur:
3 Minuten
Foto der beiden Vorsitzenden an einem Tisch

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Staatengemeinschaft zu ambitionierten Vereinbarungen für Natur- und Klimaschutz bei den bevorstehenden Gipfeltreffen aufgerufen. Auch in Zeiten des brutalen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine dürften die anderen großen Herausforderungen für die Menschheit wie der Klimawandel und die Naturzerstörung nicht aus dem Blickfeld geraten, sagte Merkel am Donnerstag in Lissabon bei der Verleihung des Gulbenkian-Preises für Menschlichkeit. Sie hoffe, dass vom Weltnaturgipfel im Dezember in Montreal klare Weichenstellungen ausgingen, um den weiteren Verlust von Arten und Ökosystemen zu stoppen.

Die Generalsekretärin des Weltbiodiversitätsrates, Anne Larigauderie vor einer Hecke
Die Generalsekretärin des Weltbiodiversitätsrates, Anne Larigauderie nahm stellvertretend für ihre Organisation den Preis entgegen.
Der Chef des Weltklimarates, Hoesung Lee am Rednerpult
Der Chef des Weltklimarates, Hoesung Lee

Der mit einer Million Euro dotierte Preis geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an den Weltbiodiversitätsrat IPBES und den Weltklimarat IPCC. Zuvor hatte ihn unter anderem die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg erhalten.

Merkel ist in diesem Jahr erstmalig Vorsitzende der Jury, die über die Vergabe der nach dem armenischen Ölmagnaten und Kunstsammler Calouste Gulbenkian benannten Auszeichnung entscheidet. Der Preis soll Menschen oder Organisationen aus der ganzen Welt ehren, die mit ihrer Arbeit dazu beigetragen haben, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern.

Wir sind schon da, wo wir nicht sein wollen. Wir haben keine Zeit.

Anne Larigauderie, IPBES

Die Generalsekretärin des IPBES, Anne Larigauderie, nannte die Preisverleihung an beide Organisationen ein starkes Signal dafür, die ökologische Krise des Planeten ebenso entschieden anzugehen wie den Klimawandel.

"Die Entscheidung, den Gulbenkian-Preis für Menschlichkeit sowohl an IPBES als auch an den IPCC zu verleihen, unterstreicht die Tatsache, dass die Menschheit nicht nur mit einer Umweltkrise, dem Klimawandel, sondern mit zwei Krisen konfrontiert ist: dem Klimawandel und dem massiven Verlust der biologischen Vielfalt“, sagte Larigauderie im Gespräch mit RiffReporter. „Es ist eine bemerkenswerte Anerkennung der Bedeutung der Wissenschaft für die Politik und der Dringlichkeit, sowohl beim Klima als auch bei der biologischen Vielfalt für die gesamte Menschheit und den Rest der Natur zu handeln.“

Larigauderie betonte in der Pressekonferenz, die Natur habe ebensowenig Zeit wie das Klima. „Wir sind schon da, wo wir nicht sein sollten“, sagte sie mit Blick auf Artensterben und den Verlust fruchtbarer Böden. Schon heute könnten Menschen in einigen Regionen nicht mehr darauf setzen, dass es genügend Insekten gebe, um ausreichend Nutzpflanzen zu bestäuben. „Schon heute zwingen unfruchtbare Böden Menschen zur Flucht und verursachen Konflikte“, sagte die IPBES-Generalsekretärin.

Der Präsident des IPCC, Hoesung Lee, sagte, der Preis sei Ansporn für die Wissenschaftler und biete vor dem Weltklimagipfel in wenigen Wochen die Gelegenheit, „Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben, damit diese entschlossener und wirksamer gegen den Klimawandel vorgehen.“ Die Zeit zum Handeln sei jetzt. „Wir können uns weiteres Abwarten nicht erlauben“, appellierte der IPCC-Chef.

Die zwischenstaatlichen Organisationen IPBES und IPCC sind die wichtigsten wissenschaftlichen Berater für fast 200 Regierungen weltweit im Kampf gegen die globale Naturkrise und den Klimawandel. Während die Berichte des IPCC beispielsweise in die Ergebnisse des Pariser Klimaabkommens von 2015 einflossen, sind die IPBES-Reports eine wichtige Grundlage für die Formulierung weltweiter Ziele für den Naturschutz.

Merkel verteidigt Russlandpolitik und Atomausstieg : Ich bereue keine meiner Entscheidungen

Merkel verteidigte die enge Zusammenarbeit mit Russland in der Energiepolitik unter ihrer Regierung. Sie bereue nichts, was sie getan habe, sagte die Ex-Kanzlerin laut Übersetzerin mit Blick auf die heute kritisierte große Abhängigkeit von russischem Gas und Öl. Sie habe aus der Perspektive ihrer Zeit und ihrer Erfahrungen gehandelt, und Russland sei ein verlässlicher Lieferant von Rohstoffen gewesen. Nach den Entscheidungen zum Kohle- und Atomausstieg sei der Bezug von Gas aus Russland die logische Vorgehensweise gewesen. Mit Blick auf den Streit um längere Laufzeiten für die drei noch am Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke sagte Merkel, sie halte den Atomausstieg weiter für richtig. Konkreter wolle sie sich nicht zur Arbeit der jetzigen Regierung äußern.

Im Projekt „Countdown Natur“ berichten wir mit Blick auf den UN-Naturschutzgipfel über die Gefahren für die biologische Vielfalt und Lösungen zu ihrem Schutz. Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden von der Hering Stiftung Natur und Mensch gefördert. Sie können weitere Recherchen mit einem Abonnement unterstützen.

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