Gesundheit und Klimaschutz: Drei Wege zu einer nachhaltigen und gesunden Ernährung

Ob fleischarm, vegan oder mit neuartigen Lebensmitteln: Jeder der drei Ansätze kann die Umweltauswirkungen der Ernährung um rund 80 Prozent reduzieren, zeigt eine aktuelle Studie.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
4 Minuten
Teller mit Insektenpasta an Algensauce

Klimaerwärmung, Artenverlust, Erosion, belastete Böden und Gewässer sowie zweifelhaftes Tierwohl: Die heutigen Ernährungsgewohnheiten in Europa bringen massive Umweltprobleme mit sich. Schon länger ist bekannt, dass flexitarische, vegetarische und vegane Diäten sowohl diese Probleme verringern als auch gesundheitliche Vorteile bieten. Doch es geht noch besser, wie ein Forschungsteam nun im Fachjournal Nature Foods präsentiert: Neuartige Lebensmittel und moderne Zellkulturtechniken ermöglichen eine noch gesündere Nährstoffversorgung bei noch weniger Umweltauswirkungen. Sowohl dieser neue Ansatz, aber auch eine fleischarme sowie eine vegane Diät können entsprechend optimiert die Umweltauswirkungen der heutigen Ernährung um rund 80 Prozent verringern.

Genug Kalorien und Nährstoffe bei minimalen Umweltschäden

Für jede der drei Ernährungsweisen „omnivor“, „vegan“ und „neuartig“ bestimmten die Forscher:innen anhand von Computermodellen optimale Zusammenstellungen: Wie viel von welchen der jeweils „erlaubten“ Lebensmittel sollte ein Mensch essen, um genug Energie und essenzielle Nährstoffe aufzunehmen und dabei die Umwelt möglichst wenig zu beeinträchtigen? Unter neuartigen Lebensmittel verstand die Studie beispielsweise Nahrung, die auf Insektenprotein basiert, sowie Milchprotein aus Laborkulturen oder auch Produkte aus mikrobiellem Protein.

Für ihre Optimierung berücksichtigten die Fachleute neben den etablierten Lebenszyklusdaten zu den jeweiligen Umweltauswirkungen der einzelnen Lebensmittel auch deren (erzielbare) gesellschaftliche Akzeptanz und wie schnell und weit sich deren Produktionsmenge vergrößern ließe.

Wenig überraschend ergab selbst die omnivore Ernährungsweise, die grundsätzliche alle Lebensmittel erlaubte, dass der Anteil von Fleisch sehr klein gehalten werden muss, weil dessen Erzeugung die mit Abstand massivsten Umweltfolgen hat – insbesondere hinsichtlich Klimaerwärmung und Flächenverbrauch. Obwohl tierische Produkte nur rund ein Fünftel der Kalorien und ein Drittel der Proteine für die menschliche Ernährung liefern, beansprucht deren Herstellung weltweit mehr als 80 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Darum fordern viele Fachleute, die Produktion und den Konsum tierischer Produkte deutlich zu reduzieren und diese durch Lebensmittel mit geringerem ökologischem Fußabdruck zu ersetzen. Das sieht beispielsweise auch die wissenschaftlich basierte Planetary Health Diet so vor.

Keine Alternative zu weniger tierischen Produkten

Am Ende unterschied sich die optimale omnivore Ernährung daher nur insofern von der veganen, als dass sie tierische Produkte in geringer Menge vorsah. Dadurch allerdings ließe sich auf die Supplementierung von Nährstoffen verzichten – anders als bei der veganen Ernährung, für die die Studie keine Lösung finden konnte, die ohne die zusätzliche Einnahme der Vitamine D und B12 auskam.

Eine gesundheitlich optimale Versorgung hingegen ermöglicht demnach die Ernährung unter Einbeziehung neuartiger Lebensmittel. Sie hat zugleich die geringsten Anforderungen an Flächen- und Wasserverbrauch. Entsprechende Produkte gibt es bereits vor allem im Angebot von Start-ups. Aber auch große Konzerne haben diesen Markt für sich entdeckt und bieten erste Produkte an. Innerhalb der Forschung sind zahlreiche Entwicklungen nah an der Marktreife und kämpfen bislang nur noch mit Profitabilität sowie manchen bürokratischen Hürden oder auch eingeschränkter Akzeptanz wie im Fall von Insektenprotein.

Alle drei Ernährungsweisen setzen in ihrer optimierten Form stark auf Hülsenfrüchte, Nüsse und Gemüse. Der Anteil der pflanzlichen Fette variierte in den Empfehlungen, abhängig davon, ob das Forschungsteam den Ernährungsmix hinsichtlich der Klimawandels, der Land- oder der Wassernutzung optimierte.

Nachhaltige Ernährung durch viel Gemüse und Hülsenfrüchte

„Die Studie ist aufschlussreich und bestätigt, dass Umstellungen im Ernährungsverhalten eine wichtige Stellschraube sind, um die negativen Umwelt- und Klimaeffekte der Landwirtschaft zu reduzieren“, resümiert Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Bonn und an der Studie nicht beteiligt. „Vor allem eine deutliche Reduktion des Fleischkonsums spielt hier eine wichtige Rolle.“ Wichtig sei aber auch die Erkenntnis, „dass eine rein vegane Ernährung gar nicht unbedingt die nachhaltigste Alternative ist“. Wesentlich sei, so Qaim, „dass auch klassische pflanzliche Nährstoffquellen wie Gemüse und Hülsenfrüchte ein großes Potenzial für nachhaltigere Ernährung haben“.

Wie nachhaltig die in der Studie empfohlene Ernährung unter Einbezug neuartiger Lebensmittel tatsächlich sein kann, hängt stark daran, wie schnell die Energiewende voranschreitet: „Gerade für neuartige Lebensmittel, die sich noch in der Entwicklung befinden – wie Milch aus Zellkulturen –, gibt es größere Unsicherheiten hinsichtlich deren Umweltauswirkungen“, kommentiert Florian Humpenöder vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der an der Studie nicht beteiligt war. „Denn statt Tiere zu füttern, die dann Milch und Fleisch liefern, wird in der zellulären Landwirtschaft mehr Energie im Produktionsprozess benötigt, beispielsweise um Bioreaktoren zu heizen.“ Die Treibhausgasemissionen neuartiger Lebensmittel hingen somit wesentlich von der Verfügbarkeit kohlenstoffarmer Energiequellen ab. Das kritisiert auch PIK-Kollegin Franziska Gaupp: „Die Studie untersucht Einflüsse auf Land- und Wasserverbrauch und Treibhausgasemissionen, vergisst aber, den wichtigen Faktor Energieverbrauch explizit zu untersuchen.“

In der EU fehlt der Regulierungsrahmen für Zellkulturfleisch

Matin Qaim rät aus anderen Gründen dazu, die positiven Ergebnisse der Studie zumindest etwas zu relativieren: „Bei der Studie handelt es sich um mathematische Optimierungen von Ernährungsplänen. Die Ergebnisse zeigen, was theoretisch möglich sein könnte und nicht, was realistischerweise zeitnah zu erwarten ist.“ Deswegen seien die errechneten Einsparungen der Umweltwirkungen hier auch größer als in bisherigen Studien. Was die zeitnahe Umsetzung angeht, ist Franziska Gaupp ebenfalls skeptisch: „Während viele neuartige Lebensmittel wie vegetarische Burger unter der ‚Novel Food Regulation’ zugelassen sind, fehlt der Regulierungsrahmen für die Vermarktung von kultiviertem Fleisch in der EU noch.“

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