Erfahrung schlägt Software

Empfindliche Mikrofone unterstützen Vogelforscher. Doch selbst die beste Technik braucht das Ohr erfahrener Ornithologen

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
5 Minuten
Eine Nachtigall

Denise Bock ist ein Mensch, der gut zuhören kann. Seit Monaten lauscht die junge Biologin dem Gesang der Nachtigall, genauer: Sie seziert ihn in seine kleinsten Bestandteile. Wo andere verträumt die Klänge an sich vorbeiziehen lassen, klassifiziert sie in Bass-, Zieh- und Trillstrophen, identifiziert Motive, analysiert Frequenzen und misst Dezibel.

Und ist zu dem beeindruckenden Ergebnis gekommen: Der legendäre Gesang des unscheinbaren braunen Vogels ist noch vielfältiger als bislang angenommen. 2000 verschiedene Strophen hat Denise Bock gefunden – und das allein bei Berliner Nachtigallen. Bundesweit, schätzt sie, könnten die Meistersänger bis zu 8000 verschiedene Strophen komponieren. Sie alle ergeben in unterschiedlicher Kombination trotzdem das typische Klangbild des Vogels, mit seinem Schlagen, Schluchzen und Ziehen.

Denise Bock will nicht nur die Varianz und regionale Unterschiede heutiger Nachtigallen untersuchen, sondern schlägt auch den Bogen in die Vergangenheit. Anhand historischer Aufnahmen aus dem Jahr 1962 will sie herausfinden, ob sich die Sprache der Nachtigallen in den letzten 50 Jahren verändert hat. „Die menschliche Sprache hat sich ja auch fortentwickelt – anhand von Einflüssen anderer Sprachen oder Lautverschiebungen. Vielleicht ist das bei Vögeln ja auch der Fall“, sagt Denise Bock. Dass heutige Vögel lauter singen als früher, ist ja bereits bekannt: Sie müssen schließlich gegen den immer dichter werdenden Verkehr ansingen.

Ein Wachtelkönig streckt seinen Kopf aus dem hohen Gras, um zu singen.
Ein Wachtelkönig singt im Gras. Die Vögel brauchen Wiesen, die erst spät gemäht werden, damit sie Verstecke für ihre Nester finden.