Anthropozän-Forscher: „Die Erde hat einen völlig neuen Zustand erreicht“

Der Geologe Jan Zalasiewicz hält den Vorschlag, eine neue geologische Erdepoche nach dem Einfluss des Menschen zu benennen, für wissenschaftlich stichhaltig. „Die Veränderungen, die wir Menschen in kürzester Zeit bewirkt haben, sind gigantisch“, sagt er im Interview

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Er lächelt freundlich in die Kamera.

Der Geologe Jan Zalasiewicz gehört zu den führenden Anthropozän-Forschern weltweit. Er ist emeritierter Professor für Paläobiologie an der Universität Leicester und hat die Anthropocene Working Group mitgegründet.

Wann haben Sie selbst das erste Mal von der Anthropozän-Hypothese gehört und wie wirkte das damals auf Sie?

Das muss 2002 gewesen sein, als Paul Crutzen sich mit dem Artikel „Die Geologie der Menschheit“ im Fachjournal Nature erstmals an ein breites wissenschaftliches Publikum gewandt hat. Ich erinnere mich an ein kurzes „Hm, klingt interessant“ in meinem Kopf. Ich schrieb damals an einem Buch darüber, welche Fossilien unsere menschliche Zivilisation zurücklassen wird. Die Wortschöpfung Anthropozän löste deshalb bei mir Neugierde aus. So geht es vielen, die sich darauf einlassen.

Wie kam es dann zur Gründung der Anthropocene Working Group?

Ich bin über meine Offenheit für ungewöhnliche Ideen tiefer in das Thema eingestiegen. Damals war ich Vorsitzender der Stratigraphiekommission der Geological Society of London, einem honorigen Verein mit einem Haus mit holzgetäfelten Räumen im Zentrum von London. Dort trafen wir uns regelmäßig – zu den Arbeitssitzungen gibt es dort immer ein gutes Essen und feinen Wein – und nachdem das Wort „Anthropozän“ immer häufiger in wissenschaftlichen Veröffentlichungen auftauchte, sagten wir uns: Lasst uns das mal untersuchen. Wenig später bat uns die Internationale Kommission für Stratigraphie ganz formell, eine Arbeitsgruppe zu bilden.

Hätte Crutzens Vorschlag auch einfach verpuffen können?

Durchaus möglich. Wenn wir Schichtenkundler das ignoriert hätten, gäbe es jetzt jedenfalls keinen formalen Vorschlag dafür, unsere aktuelle Erdepoche, das Holozän, für beendet zu erklären und das Anthropozän auszurufen.

Die Anthropocene Working Group hat jetzt umfassende Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt und den geplanten Referenzort für die neue Erdepoche, den Crawfordsee in Kanada. Was macht den Ort aus Ihrer Sicht besonders?

Der von Nadelbäumen umrahmte See funkelt.
Der Crawfordsee aus der Vogelperspektive, in der Mitte ein Forschungsfloss.
Ein brettartiges Gebilde mit einer Abfolge von dunkelbraunen und weißen Linien.
Bohrkern vom Grund des Crawfordsee mit weißen Jahresschichten.
Crutzen sitzt vor einer roten Wand und schaut direkt in die Kamera.
Der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen im Jahr 2013.