KI in der Medizin: Kann man Dr. Algorithmus trauen?

Hochkomplexe Algorithmen können viele Leben retten, wir können ihre Entscheidungen aber nicht nachvollziehen. Das sei auch nicht nötig, meint ein Forscherteam

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Ein Arzt studiert medizinische Bilder. Sinnbildlich dafür, dass Mensch und Technik immer öfter gemeinsam entscheiden, auch in der Medizin.

Boris Babics Spezialgebiet sind Entscheidungen. Diese müssen nicht immer erklärbar sein, findet der Philosoph und Statistiker von der Universität Toronto. Auch dann nicht, wenn eine künstliche Intelligenz (KI) sie trifft und es womöglich um Leben und Tod eines Patienten geht. Babic warnt sogar davor, von allen medizinischen Algorithmen Transparenz zu fordern: „Vorsicht vor Erklärungen von KI im Gesundheitswesen“, schreibt er mit Fachkollegen in einem Meinungsartikel im Wissenschaftsmagazin „Science“.

Das Thema ist brisant. In der Europäischen Union gibt es 240 für medizinische Zwecke zugelassene KI-Algorithmen, gut die Hälfte davon in der Radiologie. Dort wächst die Menge der Bilddaten schneller als die Anzahl von Experten, die die Bilder lesen können.

Der Preis der Präzision

Die Algorithmen sind nicht nur schnell, sondern auch präzise. Allein aus der Aufnahme eines Gebärmutterkrebses entscheidet eine KI an der Uniklik Essen mit 95 Prozent Genauigkeit, ob der Tumor bereits Metastasen gebildet hat oder nicht. Der Algorithmus „blickt ganz tief in die Biologie des Tumors“, sagt Michael Forsting, Direktor des dortigen Instituts für Radiologie, der die Technik entwickelt hat.

Ein anderer Algorithmus wertet Bilder von Hautauffälligkeiten aus und erkennt präzise und schnell, ob ein Muttermal gut- oder bösartig ist. Ein weiterer verrechnet Muster in Vitalparametern von Krankenhauspatienten, zum Beispiel Blutdruck, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung, und alarmiert schon Stunden im Voraus, wenn ein Herztod droht.