Bauen in der Klimakrise: Weniger Beton, aber wer fängt an?

Die Bauwirtschaft muss umdenken. Trotz Passivhaus-Standards sind Wohnsiedlungen wahre Betonwüsten, deren Bau immense Mengen CO₂ freisetzt. Dabei sind alle nötigen Technologien und Konzepte fürs klimafreundliche Bauen längst verfügbar.

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Die Beine eines Menschen in Gummistiefeln stehen auf einem Geflecht aus Baustahl, während aus einem Rohr flüssiger grauer Beton daneben gegossen wird. Es ist dreckig.

Eine neue Wohnsiedlung wird gebaut, gut gedämmt und gilt damit als energiesparend nach Passivhaus-Standard. Doch oft ist die Lebensqualität mäßig: zu viel Beton und gesichtslose Fassaden, zwischen denen sich im Sommer die Hitze staut. Solche Viertel gibt es überall, egal ob in Köln, Berlin oder Heidelberg.

Es ist geradezu paradox: Moderne Wohnviertel können mit der richtigen Technik zwar schon heute klimaneutral beheizt werden. Aber für die Herstellung der Betonteile, vom Fundament bis zum Tragwerk, das das Gebäude statisch stabil macht, wird noch immer viel Beton verbaut. Damit einher gehen große Mengen an CO₂. „Das Problem am Massivbau ist leider, dass wir beim Beton die prozessbedingten CO₂-Emissionen haben“, sagt Sebastian Lederer. Er ist gelernter Schreiner mit abgeschlossenem Architekturstudium. „Die werden wir auch nicht los. Das bedeutet, Beton wird nie ein klimaneutraler Baustoff sein.“

Lederer ist Mitglied der Architects for Future: Die Organisation, die den Fridays for Future nahesteht und sie in Baufragen berät, fordert seit Jahren mehr Klimaschutz in der Bauwirtschaft. Dazu gehören recht einfache Maßnahmen: Weniger Bestandsbauten abreißen, im Neubau mehr nachwachsende und recycelbare Baustoffe verwenden sowie Lebensräume für Mensch, Tier und Pflanzen schaffen und erhalten.

„Beton effizient zu verwenden, war niemals irgendein Kriterium“

Sebastian Lederer ist mittlerweile nicht mehr allein: Auf dem Deutschen Bautechniktag forderten am 15. März 2023 viele Expertinnen und Experten aus der Branche, dass sich etwas ändern müsse. Zu ihnen gehört auch Christian Glock, der 18 Jahre beim Baukonzern Bilfinger gearbeitet hat, bevor er vor fünf Jahren in die Wissenschaft wechselte. Inzwischen forscht er als Professor für Massivbau an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität in Kaiserslautern: „In meinem Berufsleben war das Kriterium, Beton effizient zu verwenden, niemals irgendein Kriterium“, gesteht der Bauingenieur. „Da sehe ich eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was die Branche tun müsste, und dem, was getan wird.“