Tunesischer Oscar-Kandidat: Eine moderne Fabel über Ländergrenzen und Grenzen der Kunst

Zum ersten Mal ist ein Film aus Tunesien für die Oscars nominiert

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
4 Minuten
Filmstill aus "The Man Who Sold His Skin". Der Künstler schaut über den tätowierten Rücken seines Kunstwerks in die Kamera

Stolz sind Kaouther Ben Hania und ihr Produzent Habib Attia jetzt schon. „The Man Who Sold His Skin“ (deutscher Verleihtitel: „Der Mann, der seine Haut verkaufte“), Ben Hanias dritter langer Spielfilm, hat auf allen Festivals, auf denen er bis jetzt zu sehen war, Preise abgeräumt. Zuletzt wurde Hauptdarsteller Yahya Mahayni in Venedig als bester Schauspieler ausgezeichnet. Doch dass mit ihrem Film zum ersten Mal in der Geschichte des tunesischen Kinos ein Film als bestes internationales Werk für die Oscars nominiert wurde, kam auch für die 43-jährige Regisseurin überraschend.

„Unter den eingereichten 93 Filmen waren große Namen, Leute, die ein entsprechendes Netzwerk in Hollywood haben. Das Auswahlkomitee schaut ja nicht alle Filme, sondern nur einige. Da steckt eine große Maschinerie dahinter, die nötig ist, um überhaupt so weit zu kommen.“ Die habe Tunesien nicht. Doch vielleicht auch wegen der Corona-Pandemie lief das Lobbying dieses Jahr ein bisschen anders ab. „The Man Who Sold His Skin“ profitierte von der Mund-zu-Mund-Propaganda der Jurorïnnen und fand sich, zur Überraschung der Regisseurin und der amerikanischen Fachpresse, in der Endauswahl wieder. „Der Film hat für sich selbst gesprochen“, freut sich Ben Hania.

„The Man Who Sold His Skin” ist eine moderne, stilisierte Fabel, die vor dem Hintergrund von Grenzschließungen und Flüchtlingspolitik die Grauzonen des globalen Kunstmarktes ausleuchtet. Sam Ali (Yahya Mahayni), ein junger Mann aus dem syrischen Raqqa, muss 2011 aus seiner Heimat nach Beirut fliehen, weil er in einem Anfall von revolutionärem Übermut seiner Freundin Abeer im Zug einen Heiratsantrag macht und dafür kurz im Gefängnis landet. Nach seiner Flucht arbeitet er im Libanon tagsüber in einer Hähnchenfabrik, abends isst er sich durch die Büffets von Vernissagen und Konferenzen, auf die er nicht eingeladen ist. Dies geht so lange gut, bis er von einer Galeristin – einer platinblonden, eiskalten und unsympathischen Monica Belluci – und dem Performance-Künstler Jeffrey Godefroi dabei erwischt wird. Der Künstler will aus Sam Ali sein neues Kunstwerk machen. Ein Pakt mit dem Teufel, wie Godefroi selbst zugibt.

„Nicht ich bin zynisch, die Welt ist es.“

Sam Ali sitzt zur Kamera gebeugt in einem Auktionssaal.
Zum Objekt degradiert setzt Sam Ali alles daran, seine Würde und seinen Körper wiederzuerlangen.
In einem Zug tanzen Abeer und Ali umringt von klatschenden Passagieren.
Eine improvisierte Hochzeitsfeier mit revolutionären Slogans bringt Sam Ali kurzzeitig hinter Gitter. Um Abeer wiederzusehen setzt er alles aufs Spiel.
Die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania
In allen Spielfilmen Kaouther Ben Hanias ist die Frage nach der Unversehrtheit des eigenen Körpers ein Schlüsselelement.
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