Das Warten hat ein Ende: Macron wird Präsidentschaftskandidat

Will er oder will er nicht? Diese Frage treibt Frankreich schon seit Monaten um. Nun sickern erste Infos durch die Mauern des Élysée-Palastes – mit einer klaren Botschaft: Macron will.

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Emmanuel Macron im Scheinwerferlicht.

Auch wenn das offizielle Statement noch ausbleibt, das Warten auf Macron hat bald ein Ende, denn im Élysée-Palast laufen die Wahlkampf-Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Knapp zwei Monate vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen nimmt die Kampagne endlich Gestalt an.

Lange hat Frankreichs Präsident den Suspense-Moment für sich arbeiten lassen. Und obwohl nur die Wenigsten daran zweifelten, ob Emmanuel Macron nochmals kandidiert, gibt es nun klare Anhaltspunkte: Er will bleiben. Große Worte und feierliche Ansprachen blieben bisher aus. Stattdessen sickern nach und nach selektierte Informationen zur geplanten Kampagne des Noch-Präsidenten und Noch-Nicht-Kandidaten durch.

Was bisher bekannt ist

„Avec vous“, also „Mit Euch“, so lautet die Botschafts Macrons. Den Slogan gibt die offizielle Website einer zukünftigen Kampagne Preis, auch wenn dort noch nicht klar erkennbar ist, wer der Kandidat sein soll. Dort heißt es: „Erkennen Sie sich in den Aussagen der Präsidentschaftskandidaten nicht wieder? Das ist normal, sie sprechen nicht über Sie, sondern über sich selbst. Unser Ansatz ist das Gegenteil davon.“ Erst im Impressum findet man Gewissheit: Herausgeber der Seite ist La République En Marche (LREM), die Partei Macrons.

Sein Team: Eine traute Männerrunde

Laut Recherchen des französischen Nachrichtenportals BFM.TV kommen als rechte Hand für Macrons Wahlkampf der derzeitige Regierungssprecher Gabriel Attal, der Wirtschaftsminister Bruno Le Maire oder der Innenminister Gérald Darmanin in Frage. Der Minister für die Überseegebiete Sébastien Lecornu soll währenddessen hinter den Kulissen die Netzwerke der Abgeordneten der LREM strukturieren. Julien Denormandie, derzeit Landwirtschaftsminister und seit 2017 ein enger Vertrauter des Präsidenten, ist als Wahlkampfleiter vorgesehen.

Wahlkampfthemen Macrons: So will er Frankreich überzeugen

Wie erwartet, lässt Macron von seiner umstrittenen Rentenreform nicht ab. Diese hatte er bereits in seiner Kampagne von 2017 angekündigt, musste sie lange bis zur endgültigen Verabschiedung Anfang 2020 verteidigen, nur um sie dann aufgrund der Pandemie auszusetzen. Ob er noch immer die ganz großen Pläne ins Auge fasst, die eine komplette Erneuerung des komplizierten Systems vorsahen, ist nicht klar. Doch an der Anhebung des Renteneintrittsalters hält er scheinbar fest.

Auch eine Überarbeitung der Erbschaftssteuer gilt als wahrscheinlich. Wie seine Konkurentïnnen, wird aber auch der scheidende Präsident sein Programm um die Brennpunktthemen Sicherheit, Migration und Klimawandel bauen. Atomkraft als französische Lösung der Energiekrise dürfte an besonders prominenter Stelle stehen, nachdem der Staatschef den Bau von sechs neuen Meilern angekündigt hat.

Warum Emmanuel Macron so lange wartet

Spannung: Bereits der rechtsextreme Kandidat Eric Zemmour hat sich dieses Instrument zu Nutze gemacht. Im August 2021 äußerte der parteilose Polemiker in seinem Buch „Frankreich hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen“ thereotische Liebäugeleien mit einer Präsidentschaftskandidatur, zwei Monate später ließ er die vermeintliche Bombe platzen. Das Kalkül ging auf – seine Umfragewerte schossen in die Höhe.

Die linke Kandidatin Christiane Taubira versuchte sich an derselben Strategie, als sie im Dezember verkündete, über eine Kandidatur nachzudenken und dies Mitte Januar bestätigte. Sie hatte allerdings weit weniger Erfolg als Zemmour. Doch neben dem Spannungsbogen als rhetorisches Element gibt es auch noch einen praktischen Grund, den die Kandidatïnnen und offenbar auch Macron beherzigen: Sobald die Kandidatur offiziell bestätigt ist, gilt eine Beschränkung der Redezeit in der Öffentlichkeit.

Corona-Lockerungen als Kampagnen-Auftakt

Ab dem 21.2.2022 kann jeden Tag die große Nachricht von Macrons Kandidatur kommen. Da sind sich viele Beobachtertïnnen sicher. Denn in Sachen Corona macht sich gute Stimmung in Frankreich breit: Die seit Dezember geschlossenen Diskotheken werden wieder öffnen, das strenge Protokoll in Schulen wird gelockert, die Homeoffice-Pflicht fällt weg und Freizeiteinrichtungen dürfen wieder mit voller Kapazität arbeiten.

Diese positive Dynamik dürfte ein guter Nährboden für die offizielle Annonce Macrons sein. Er wurde für seine Gesundheitspolitik der letzten zwei Jahre oft als „Autokrat“ kritisiert. Jetzt will er offenbar auf der Welle der „Rückkehr zur Normalität“ surfen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Präsident die Pandemie mit seiner Wahlkampfstrategie verbindet. „Ich habe große Lust auf die Ungeimpften zu scheißen.“ Mit diesem Aufreger im traditionellen Neujahrs-Interview mit der Zeitung Le Parisien startete Frankreich in das Jahr 2022.

Laut Politik-Expertïnnen liegt die Strategie dahinter auf der Hand: Emmanuel Macron will sich die geimpfte Mehrheit als Wählerschaft sichern. Aktuell sind 80 Prozent aller Menschen ab fünf Jahren in Frankreich geimpft. Als die Altersgrenze noch bei zwölf Jahren lag (bis Ende 2021), wurde eine Impfquote von 90 Prozent erreicht. Eine Booster-Impfung haben 56 Prozent der Bevölkerung erhalten.

Russland-Ukraine-Krise dämpft Aufbruchsstimmung

Doch es nicht nur die nationale Agenda, die zählt. Vor allem, weil er derzeit den EU-Ratsvorsitz inne hat, muss Macron seinen Wahlkampf zusätzlich mit dem internationalen Geschehen abstimmen.

Mit einer umständlichen Formulierung hatte Emmanuel Macron als eine der Bedingungungen für seine Kandidatur festgelegt, dass der Höhepunkt der geopolitischen Krise in Russland und der Ukraine hinter uns liegen müsse.

„Ich kann den Franzosen nicht vernünftig erklären, dass ich mich dieser wichtigen demokratischen Zeit widmen werde, wenn ich ihnen gesagt habe, dass ich bis zum Ende Präsident sein werde und wir eine Krise an der ukrainischen Grenze haben, die unsere kollektive Sicherheit bedroht“ – Emmanuel Macron, Anfang Februar im Interview mit der Zeitung La Voix du Nord

Sollte es zu weiteren Eskalationen oder gar einem russischen Angriff kommen, würde das die Lage für den Staatschef verkomplizieren. Als Plan B könnte er bis zur letzten Minute warten. Das bedeutet, er erklärt sich erst am 4. März, denn das ist die Deadline für alle potenziellen Präsidentschaftskandidatïnnen.

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