Kubas letzte Rebellin ist tot

Natalia Bolívar Aróstegui lebte als Mädchen den Glamour des Hochadels, war Kämpferin für soziale Gerechtigkeit, Hüterin der schönen Künste und Erforscherin der afrokubanischen Religionen. Jetzt ist sie mit 89 Jahren in Havanna gestorben.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
10 Minuten
Eine große Frau mit spricht mit drei Männern, die ihr aufmerksam zuhören

„La bruja mayor” – die Oberhexe. So wurde die Schriftstellerin, Künstlerin und Ethnologin von ihren Freunden genannt. Dabei begann ihr Leben nicht zwischen Hexenkesseln, sondern in einer der prestigereichsten Familien Havannas.

Doch trotz ihrer adligen Herkunft wurde Natalia Bolívar Aróstegui Mitglied des legendären Directorio Revolucionario 13 de Marzo, der revolutionären Studentenorganisation, die später einen Pakt mit Fidel Castro schließen sollten, um den kubanischen Diktator Fulgencio Batista zu stürzen.

Sie schmuggelte Waffen, bastelte Bomben und mietete Häuser für verdeckte Guerilla-Aktionen an. Gleichzeitig war sie ein wandelndes Lexikon der afrokubanischen Religionen, die mit den Sklaven auf die Insel gelangt waren.

Sie erschien im Totenkopf-T-Shirt

Bis zu ihrem Tod wohnte sie in Havannas Nobelviertel Miramar, zwischen internationalen Botschaften und Villen. Doch selbst hier hält sich der Reichtum nach sechs Jahrzehnten Sozialismus in Grenzen. Das Grün der jahrhundertealten Ceibas und die leichte Brise vom Meer sind der größte Luxus der Villen, von denen der Putz blättert. Hier ist sie geboren, 1934, als man das Viertel noch zu Pferd durchquerte.

Hier habe ich sie 2016 besucht. Da war sie 83 Jahre alt und immer noch eine imposante Erscheinung mit scharfem Verstand und staubtrockenem Humor. Trotz ihrer Vorliebe für wallende Gewänder und bunter Ketten um den Hals erschien sie in einem grauen T-Shirt, in dessen Mitte ein großer Totenkopf prangte. Ihr Blick war etwas misstrauisch, das rechte Augenlid halb geschlossen.

Jede Woche empfing sie ausländischen Besuch: Journalistïnnen, Schriftstellerïnnen, Künstlerïnnen und Wissenschaftlerïnnen. Sie gehörte nicht zu jenen geläuterten Herrschaften, die gerne stundenlang über ihr Leben plaudern. Aber ihre Lieblingsanekdoten gab sie gerne zum Besten.

Eine Frau, die auf einem Stuhl sitzt in einem großen Raum voller Kunstgegenstände
In ihrem Salon empfing Natalia Bolívar KünstlerInnen und PolitikerInnen und JournalistInnen. Sie verschenkte ihre Anekdoten aber auch ihre Weisheit und Lebenserfahrung.
Zwei elegant gekleidete Frauen vor einem Brunnen mit der Skulptur einer Heiligenfigur
Zwei erfolgreiche Cousinen und „schwarze Schafe“ der Familie Aróstegui: Natalia Bolívar und die Bildhauerin Rita Longa.
Drei Frauen mit schwarzer Hautfarbe und in weißen Gewändern sitzen zusammen und lachen
Die afrokubanischen Religionen haben das sozialistische Religionsverbot überlebt
Eine elegant gekleidete Frau zwischen zwei Männern
Natalia Bolívar und Fidel Castro bei einem Empfang des damaligen spanischen Präsidenten Adolfo Suárez im Jahr 1978
Drei Bücher
Im Laufe ihres Lebens hat Natalia über 50 Bücher und Aufsätze über die Santería, über Palo Monte und die Geheimgesellschaft Abacuá veröffentlicht.
Ein Wesen, das in seiner rechten Hand einen Stab und in der linken einen Totenkopf hält vor einem Hintergrund
„Die Welt ist die Hütte am Wegesrand, Ikú ist das Ziel.“ Seine Majestät – der Tod illustriert von Natalia Bolívar in ihrem Buch „Leyendas Afrocubanas“.